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Kosovo
Parlamentswahl in einer jungen, funktionierenden Demokratie

 Albin Kurti Premierminister des Kosovo

Albin Kurti, Premierminister des Kosovo.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Visar Kryeziu

Am Sonntag wählen die Menschen in Kosovo, einem der jüngsten Länder Europas, ein neues Parlament und damit auch eine neue Regierung für die kommenden vier Jahre. Es ist die neunte Wahl seit der Unabhängigkeit im Februar 2008. Da instabile politische Verhältnisse im vergangenen Jahrzehnt mehrfach zu vorgezogenen Neuwahlen führten, ist es die erste zum regulären Termin stattfindende Parlamentswahl seit 2010.

Bei der Parlamentswahl in Kosovo werden 120 Sitze vergeben. Hiervon sind zehn Sitze für die serbische und zehn Sitze für andere ethnische Minderheiten wie Bosniaken, Ashkali oder Roma reserviert. Die restlichen hundert Mandate stehen der allgemeinen Bevölkerung offen. Das Wahlsystem basiert auf einer proportionalen Repräsentation mit einem landesweiten Wahlkreis, so dass die Parlamentarier allein durch Listenplätze bestimmt werden. Direktkandidaten gibt es nicht.

Kosovo mit seinen knapp zwei Millionen Einwohnern hat eine sehr junge Bevölkerung. Seit der Parlamentswahl 2021 bis zu den nun stattfindenden Wahlen erreichten etwa 150.000 neue Wählerinnen und Wähler das Wahlalter. Laut Daten der Zentralen Wahlkommission hat die Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen die höchste Wahlbeteiligung mit etwa 57 Prozent.

Insgesamt nehmen 28 Parteien mit 1.280 Kandidatinnen und Kandidaten an der Wahl teil, darunter sechs Vertreter/innen der serbischen Gemeinschaft. Zu den wichtigsten Parteien zählen die „Bewegung für Selbstbestimmung“ (Lëvizja Vetëvendosje, VV) von Premierminister Albin Kurti, die liberale Demokratische Partei (PDK, ALDE- und LI-Mitglied) sowie die Demokratische Liga (LDK).

Eine immer gefestigtere Demokratie

Bei der Parlamentswahl 2021 fuhr die linkspopulistische „Vetëvendosje“ unter der Führung von Albin Kurti mit 50,3 Prozent einen überwältigenden Sieg ein. Seitdem ergriff die Regierung verschiedene Maßnahmen, die sowohl national als auch international für Aufsehen sorgten. So schloss sie im Laufe des Jahres 2024 sämtliche der von der serbischen Minderheit betriebenen Institutionen. Da Serbien die Unabhängigkeit der „abtrünnigen Provinz“ Kosovo nicht anerkennt und es weiterhin als Teil seines Staatsgebiets ansieht, gab es zumindest in den serbisch dominierten Gemeinden von Belgrad finanzierte Doppelstrukturen, da kosovarische Behörden nicht anerkannt wurden.

Die einseitig forcierte Schließung der serbischen Institutionen wurde von der internationalen Gemeinschaft heftig kritisiert, da sich die Beziehungen zwischen den zwei Staaten durch Dialog anstatt Druck normalisieren sollten. Die innenpolitische Beliebtheit von Premierminister Kurti stieg durch die ergriffenen Maßnahmen jedoch.

Die Parlamentswahl findet zu einem Schlüsselzeitpunkt für Kosovo statt. Es besteht die Möglichkeit, die politische Stabilität zu festigen und in der Folge die Beziehungen zu Serbien und anderen internationalen Partnern proaktiv zu gestalten. Zugleich schwebt die Unsicherheit über die künftige Ausgestaltung des US-amerikanischen Engagements über allem. Als Schutzmacht sind die Amerikaner als Teil der internationalen Schutztruppe KFOR für die Sicherheit Kosovos unersetzlich, allerdings haben einige gewichtige Trump-Getreue nicht gerade Sympathien für die kosovarische Sache durchblicken lassen.

Umfragen vor der Wahl zeigen, dass die regierende Vetëvendosje auch vier Jahre nach ihrem Wahlerfolg mit 45-50 Prozent der Stimmen rechnen kann. Die der liberalen Parteienfamilie angehörende Demokratische Partei des Kosovo (PDK) kann 17-20 Prozent der Stimmen erzielen, während die konservative Demokratische Liga des Kosovo (LDK) auf 15 Prozent kommen könnte. Eine Wachablösung ist somit nicht zu erwarten, wohl aber besteht die Möglichkeit, dass die bisher allein regierende Vetëvendosje eine Koalition eingehen muss.

Die Diaspora als Zünglein an der Waage?

Eine entscheidende Rolle für den Ausgang der Parlamentswahl könnte die Diaspora spielen, da sie ca. fünf bis zehn Prozent der Wählerschaft ausmacht und den Wahlausgang signifikant beeinflussen kann. Die Registrierung der im Ausland lebenden kosovarischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger begann am 29. August und endete am 26. Dezember 2024. Seit dem 9. Januar 2025 können Auslands-Kosovaren bereits ihre Stimme per Post abgeben; alternativ können sie am 8. Februar in den diplomatischen Vertretungen Kosovos in 22 Ländern abstimmen.

Bei der Parlamentswahl im Jahr 2021 wählte die Diaspora in erster Linie die Vetëvendosje von Premierminister Albin Kurti. Zwar stößt die Teilnahme der im Ausland lebenden Landsleute grundsätzlich auf Zustimmung, doch gibt es auch kritische Stimmen. Während die Mehrheit die Inklusion der Diaspora als demokratisch und wichtig empfindet, gibt es Bedenken hinsichtlich des Wissens über die von einer künftigen Regierung zu lösenden Probleme im Land. Zudem wird befürchtet, dass im Ausland beheimatete Kosovaren leichter Falschinformationen anheimfallen als ihre im Land selbst lebenden Landsleute.

Liberale mit starkem Kandidaten

Die ALDE- und LI-Mitgliedspartei PDK geht mit Bedri Hamza als Kandidaten für das Amt des Premierministers ins Rennen. Der 61-Jährige ist von Hause aus Ökonom und diente bereits von 2011-2014 und von 2017-2019 als Finanzminister. Zudem war er mehrere Jahre Gouverneur der kosovarischen Zentralbank, während derer er sich den Ruf eines seriösen und umsichtigen Finanzexperten verdiente.

Im Wahlprogramm der PDK strebt Hamza an, die Wirtschaftsentwicklung zu fördern und die Steuerlast zu reduzieren, um ein günstigeres Geschäftsklima zu schaffen. Nach wie vor gibt es zu wenig produzierendes Gewerbe in Kosovo, obwohl junge Arbeitskräfte vorhanden wären. Generell möchte die PDK Arbeitsplätze für die Mittelschicht schaffen und das Bildungssystem stärken, um die Wettbewerbsfähigkeit kosovarischer Arbeitskräfte zu stärken. Zudem setzen sich die kosovarischen Liberalen für die Einführung einer Krankenversicherung ein. Kosovo ist eines der wenigen Länder ganz ohne staatliche Krankenversicherung.

Die PDK hat in den vergangenen Jahren unter ihrem jungen Vorsitzenden Memli Krasniqi den Wandel von einer in der Vergangenheit verhafteten Partei hin zu einer aufgeschlossenen, progressiven und pro-europäischen Partei in Angriff genommen. Im von Klientelstrukturen geprägten Kosovo sind programmatische Parteien nach wie vor die Ausnahme. Es ist der PDK und ihren Wählerinnen und Wähler daher hoch anzurechnen, dass sie die nach wie vor junge Demokratie Kosovos programmatisch weiterentwickeln möchten.

Dr. Minire Çitaku ist Senior Project Managerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Prishtina.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
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