Wirtschaft
Habecks Industriestrategie ist fragwürdig.
Sie liest sich gar nicht schlecht. Robert Habecks Industriestrategie steckt nämlich voller Business-Buzzwords – von Hidden Champions bis hin zur ökologischen Transformation. All dies addiert sich auf zu einem Mega-Programm der staatlichen Wirtschaftslenkung. Es ist eine Planwirtschaft ohne Politbüro, aber mit riesigen Subventionssummen. Die sollen Altes konservieren und Neues schaffen. Der deutsche Staat soll das Ganze finanzieren – durch Aufgeben der Schuldenbremse.
Es ist ein zutiefst ängstliches Programm, wie manche Journalisten zu Recht bemerkt haben. Es will vor allem Deutschland als Industriestandort erhalten. Das allein ist gut so, denn ohne starke Industrie wird die Nation ihren Wohlstand nicht erhalten können. Aber wie erreicht man dieses Ziel? In der deutschen sozialen Marktwirtschaft geschah dies in den letzten 75 Jahren durch gute Rahmenbedingungen – für die Unternehmen, die dann den Marktsignalen folgten und neue Produkte entwickelten, im Wesentlichen ohne die harte Hand der staatlichen Lenkung. Gute Bildung, niedrige Steuern, wenig Bürokratie, offene Märkte, freier Handel – das waren die Leitbilder, von denen natürlich zum Ärger von Ökonomen oft genug abgewichen wurde. Aber im Wesentlichen blieben sie die normativen Ideale der Wirtschaftspolitik. Heraus kam eine bewunderte und beneidete deutsche Wirtschaft an der Spitze der Prosperität in der Welt, die eine Fülle von disruptiven Entwicklungen in einer Reihe von Industriebranchen weltweit anführte – ohne allzu viel Rücksicht auf das Alte und Bewährte. Ganz im Sinne einer wirtschaftlichen Dynamik im Geist von Joseph Alois Schumpeter!
Völlig anders bei Habeck. Er will dem Staat eine viel größere Rolle zuordnen – bei der Erhaltung des Alten und der Entwicklung des Neuen. Der Staat hat eine Vision, und die soll von der Wirtschaft umgesetzt werden. Natürlich nicht im Sinne der dumpfen Planwirtschaft eines Politbüros im Stile der DDR, wohl aber mit Hilfe eines mächtigen Subventionsapparats, den die heutige Generation als Steuerzahler oder die künftigen Generationen über zusätzliche Schulden zu finanzieren haben. Erstes Wetterleuchten dieser Strategie ist der Industriestrompreis, der die hierzulande durch langjährige Energiepolitik selbst verschuldete Verteuerung des Stroms nun auffangen soll, um ausgerechnet energieintensive Industriebetriebe zu retten und geradezu flehentlich an den Standort Deutschland zu binden – mit zweistelligen Milliardenbeträgen als Lockmittel. Die betroffene Großindustrie und ihre Gewerkschaften applaudieren dazu, der Rest der Wirtschaft ist dagegen.
Habecks Strategie hat mit der deutschen sozialen Marktwirtschaft wenig zu tun. Natürlich mag es im weiten Land der politischen Kompromisse Möglichkeiten geben, bessere Rahmenbedingungen mit staatlicher Lenkung ein Stück weit zu verbinden. Aber der Grundwiderspruch bleibt: Habecks Ziel ist die staatliche Lenkung von Erhalt und Transformation – und damit auch der Innovation von Waren, Dienstleistungen und Produktionsverfahren. Es ist nicht weit entfernt vom Geist der “Planification”, wie sie in den sechziger Jahren bei unseren westlichen Nachbarn en vogue war, um dem “défi americain” etwas entgegenzusetzen. Das misslang damals komplett, wobei Habeck die französische Vorliebe für eine technokratische Elite als Lenker der subventionsgetriebenen Wirtschaft durch die junge grüne Vorliebe für das ebenfalls staatlich gestützte Öko-Start-Up-Milieu ersetzt.
Es ist natürlich auch eine hochriskante Strategie. Liegt Habecks Staat in der Einschätzung der Weltmärkte falsch, wie oft genug schon in der Vergangenheit, sind schwere Strukturkrisen vorprogrammiert. Mindestens genauso schlimm sind die Risiken für die Kapitalmärkte: Gibt der deutsche Staat die Schuldenbremse zugunsten von Subventionen auf, so wird dies die Bonität gefährden, die Zinsen nach oben treiben und die Selbstfinanzierung der Unternehmen untergraben. Nichts davon ist wünschenswert für die deutsche Industrie.