El Salvador
Vom Hoffnungsträger zum Autokraten?
Für viele Salvadorianer war und ist Präsident Nayib Bukele ein junger und charismatischer Hoffnungsträger. Als Ass in der Handhabung der sozialen Medien hatte er es 2019 geschafft, sich gegen die Kandidaten des politischen Establishments durchzusetzen. Seit Ende des Bürgerkrieges 1992 hatten zwei Parteien mit korrupten Strukturen das Land regiert: die rechte Republikanische Nationalistische Allianz (Alianza Republicana Nacionalista ARENA) und die linke Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional FMLN).
Die von Bukele im Wahlkampf versprochenen Veränderungen ließen nicht lange auf sich warten, was die Zustimmung seiner Anhänger verstärkte. Im ersten Jahr seiner Amtszeit sank die Mordrate dramatisch und drei von vier ehemaligen Präsidenten wurden der Korruption angeklagt.
Inzwischen hat der Präsident des Landes mit 6,5 Millionen Einwohnern allerdings die Rolle eines Caudillos mit besorgniserregenden autoritären Zügen eingenommen. Dabei ist sein favorisiertes Regierungsinstrument weiterhin Twitter. Die Sicherheitskräfte haben in El Salvador insbesondere in den ersten Wochen der Pandemie rund 2.000 Menschen festgenommen und inhaftiert. Die Polizei nahm die mittels Twitter versandten Anweisungen des Präsidenten zur Durchsetzung des Lockdowns im vergangenen Jahr quasi als Befehle wahr. Allerdings erließ die Abgeordnetenkammer kurz darauf ein Gesetz, das die Konsequenzen der Nichteinhaltung der Ausgangssperre formal regelte.
Ein beliebter Cuadillo
Diese autoritären Tendenzen, ein verheerendes wirtschaftliches Negativwachstum aufgrund der Pandemie von fast -9 Prozent und rund 80.000 verlorene Arbeitsplätze sollten eigentlich vermuten lassen, dass Bukele an Zustimmung verloren hätte.
Jedoch ist im Vorfeld der Parlaments- und Kommunalwahlen am kommenden Sonntag genau das Gegenteil zu beobachten. Viele Salvadorianer, insbesondere die 1,5 Millionen armen und ärmsten Familien des Landes, denken nicht an politische Teilhabe und Bürgerpartizipation. Sie müssen ihre täglichen Grundbedürfnisse decken. Mit kurzfristigen populistischen Versprechen und Zuwendungen sichert sich Bukele die Gunst seiner Anhänger. Außerdem werden seine Aktionen über den wohl funktionierenden Propagandaapparat der Regierung als ein Allheilmittel verkauft. Darüber hinaus gibt es seit 2020 mit einer neu gegründeten Staatszeitung das beste Sprachrohr der Regierung Bukele.
Eine schwache Opposition
Die Oppositionsparteien haben in den letzten Jahren nicht mit soliden Reformvorschlägen oder stringenten Politikansätzen in der legislativen Debatte geglänzt. Vielmehr hat Präsident Bukele das Image schüren können, die korrupten Parteien der Vergangenheit müssten bekämpft und ihnen die Mehrheit im Parlament genommen werden.
Umfragen zufolge könnten die von Präsident Bukele gegründete Partei Neue Ideen (Nuevas Ideas) und die alliierte Große Koalition für die Nationale Einheit (Gran Alianza por la Unidad Nacional GANA) – mit der Bukele im Februar 2019 die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte – 72,2 Prozent der Stimmen bei den bevorstehenden Parlamentswahlen auf sich vereinen. Damit stünde mit 56 von 84 Mandaten eine qualifizierte Mehrheit der Abgeordneten hinter dem Präsidenten.
Gefährdung demokratischer Strukturen
Erst im Februar 2020 war Präsident Bukele in die Abgeordnetenkammer eingedrungen, flankiert vom Militär. Er beabsichtigte, die oppositionellen Abgeordneten unter Druck zu setzen. Die salvadorianische Exekutive hatte zur Umsetzung der zweiten Phase eines Sicherheitsplans zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens mittels einer besseren Ausstattung von Polizei und Militär einen Kredit (109 Mio. USD) der Zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftliche Integration beantragt. Dem Antrag hatte die Bank im Oktober 2019 stattgegeben. Zur Aufnahme des Kredits bedurfte es aber einer Zustimmung durch die Abgeordneten, die ihre Machtverhältnisse – Bukeles Partei hatte damals keine Abgeordnetenmandate – auszuspielen versucht hatten. Mit dieser ungeschickten Aktion hatte Bukele die demokratischen Strukturen schon einmal aufs Spiel gesetzt.
Auch wird die neue Abgeordnetenkammer den Generalstaatsanwalt und fünf Richter des obersten Gerichtshofes wählen. Bisher waren sie die Gegengewichte, die sich bei manch einer Entscheidung Bukeles quer gestellt hatten.
In El Salvador können Präsidenten nicht wiedergewählt werden. Ob Bukele mit einer potenziellen Mehrheit die demokratischen Institutionen mittels einer Reform zur Durchsetzung der Wiederwahl herausfordern und sich seine autoritären Tendenzen verstetigen würden, kann noch nicht gesagt werden. Wahrscheinlicher jedoch ist die „Übergabe“ der präsidentiellen Macht im Jahr 2024 an eine Vertrauensperson Bukeles und seine Rückkehr nach zwei Wahlperioden.
Elisabeth Maigler ist Projektleiterin für Zentralamerika der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.