Gleichstellung
Friedrich Naumann und die Anfänge liberaler Frauenpolitik
Vor 100 Jahren wurde mit dem Wahlrecht für Frauen ein wichtiger Grundstein für die Gleichberechtigung von Mann und Frau gelegt. Doch der Weg dahin war mühsam. Ein Schritt war die Einführung des Internationalen Frauentags – die Idee dazu kam 1908 aus den USA.
Zu diesem Zeitpunkt existierte in Deutschland längst eine bürgerliche Frauenbewegung, zu der die Revolution von 1848 den Anstoß gegeben hatte und die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts stark anwuchs. Deren Bestrebungen stießen aber keineswegs auf sehr viel Gegenliebe bei den männlichen Zeitgenossen, auch bei den liberalen nicht. Die liberalen Vorkämpferinnen der Frauenrechte um Helene Lange, Gertrud Bäumer und Marie-Elisabeth Lüders mussten zäh und mühsam um emanzipatorische Fortschritte ringen. Dies gelang bis zur vorletzten Jahrhundertwende vornehmlich im Erwerbsleben und in der Bildung, aber noch nicht auf dem Feld der Politik: Das Frauenwahlrecht stand damals weder in Deutschland noch sonst in einem der großen europäischen Staaten ernsthaft auf der politischen Agenda.
Doch es gab auch weitsichtigere Politiker, die die Frauenemanzipation unterstützten. Zu diesen zählte zweifellos Friedrich Naumann: Bereits im von ihm 1896 gegründeten „Nationalsozialen Verein“ war der „persönlichen und wirtschaftlichen Stellung der Frau“ ein eigener Programmpunkt gewidmet. Und in seinen Publikationsorganen räumte Naumann der Frauenbewegung Raum zur Berichterstattung aus ihr und über sie ein.
An Naumann lässt sich auch sehr gut ein Einstellungswandel nachvollziehen: Während er 1896 das Frauenwahlrecht noch als unzeitgemäß verwarf, hielt er es 1903 bei einem Aufsehen erregenden Vortrag über „Die Frau im Maschinenalter“ für in naher Zukunft durchaus realisierbar. 1912 schließlich sah er die Forderung danach für „selbstverständlich“ und kritisierte dabei seine eigene Partei und deren „undeutlich geratene“ Frauenpolitik.
In der Tat fiel es auch den Linksliberalen schwer, sich mit dem Gedanken der politischen Gleichberechtigung anzufreunden: Zwar hatten sie großen Anteil daran, dass Frauen ab 1908 zugestanden wurde, sich politisch zu betätigen. Über den Zuzug der neuen „Parteifreundinnen“ brachen aber längst nicht alle im freisinnigen Lager in Begeisterung aus. Und als kurz darauf ein neues Parteiprogramm verabschiedet wurde, konnte man sich nicht auf ein klares Bekenntnis zum Frauenwahlrecht einigen.
Das führte natürlich auch bei sehr liberal-affinen Frauen zu Enttäuschungen. Gerade auch Naumanns Wirken und Ausstrahlung war es dann auch zu verdanken, dass dennoch viele Protagonistinnen der bürgerlichen Frauenbewegung „bei der Stange“ blieben. 1919 kam dann der Lohn der Anstrengungen: Auf liberaler Seite zogen insgesamt sieben Frauen – sechs für Naumanns DDP und eine für die DVP Gustav Stresemanns – in die Nationalversammlung ein. Damit nahm die DDP unter den bürgerlichen Parteien die Spitzenstellung ein.
Dieser Anteil an weiblichen liberalen Abgeordneten sollte in Deutschland erst in den 1980er Jahren übertroffen werden. Insofern gibt der heutige Tag Anlass, an alle jene liberalen Vorkämpferinnen für Frauenrechte zu erinnern, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz nicht davon abbringen ließen, unter liberaler Flagge für Freiheit und Gleichstellung aller Bürgerinnen und Bürger zu kämpfen. Diese Kämpfe fanden beileibe nicht nur im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert statt. Durch ihren Namenspatron ist die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit geradezu verpflichtet, sich dieser Erinnerung besonders zu widmen.
Dieser Artikel wurde am 12. November 2018 editiert. Er erschien in leicht veränderter Form bereits am Internationalen Frauentag, dem 8. März.
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Artikel über die Liberale Frauenkonferenz am 4./5. Oktober 1910 in Frankfurt/M.