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Kenia - ein Wahl Déjà-vu?

4. Präsidentschaftsanlauf des Raila Odinga
Kenia - ein Wahl Déjà-vu?

Kenias Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Nairobi

© www.flickr.com/photos_Jorge Láscar, bearbeitet

Am 8. August 2017 wählen die Kenianer ihren Präsidenten. Wie schon vor vier Jahren läuft es auf einen Zweikampf zwischen den beiden Erzrivalen Raila Odinga und Präsidenten Uhuru Kenyatta hinaus. Werden diesmal die Wahlen fair und friedlich verlaufen?

Die heiße Wahlkampfphase ist eingeläutet und beide Kandidaten, Kenyatta wie auch Odinga, geben sich siegessicher. Für Odinga geht es bei dieser Wahl um alles. Der 72-Jährige hat bereits drei Präsidentschaftswahlkämpfe (1997, 2007, 2013) verloren. Es ist sein vierter und wahrscheinlich letzter Versuch, Präsident zu werden. Noch sehen die Wahlumfragen den Amtsinhaber vorn, doch der Vorsprung schrumpft, so dass viele bereits jetzt schon von einer Stichwahl ausgehen. Die Wahlen werden auch diesmal zum Stresstest für Kenias Regierung. Mehrere internationale Beobachter haben die Ergebnisse der letzten beiden Wahlen angezweifelt, auch wenn Odingas Anfechtung der Wahlergebnisse vor dem kenianischen Gericht erfolglos war. 2007 eskalierten die Unruhen derartig, dass mehr als 1.000 Menschen bei den Kämpfen zwischen den verschiedenen Volksgruppen starben und rund 500.000 vertrieben wurden. Man geht davon aus, dass das Gewaltrisiko bei dieser Wahl wieder höher sein wird als in 2013 und es punktuell zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen wird, sollte Odinga abermals verlieren.

Welche Faktoren beeinflussen die Wahl?

Die Kenianer wählten bei den letzten Wahlen vor allem nach ethnischen Kriterien. Sie stimmten für einen Kandidaten aus ihrer Volksgruppe ab, weil sie sich mehr Unterstützung für ihre Heimatregion erhofften. So konnte sich die von Kenyatta geführte Regierungsallianz Jubilee Coalition der Unterstützung ihrer Ethnien, der Kikuyu und Kalenjin, gewiss sein. Diesmal schloss der Herausforderer Raila mit seiner Partei Orange Democratic Movement, die Mitglied des von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit unterstützten politischen Netzwerkes African Liberal Network ist, mit den Vorsitzenden anderer großen Oppositionsparteien ein Bündnis, die sogenannte National Super Alliance (NASA). Damit erhofft er sich neben den Stimmen seiner Luo-Anhänger auch die Luhya für sich gewinnen zu können.

Ob im August auch wieder in erster Linie Ethnien-treu abgestimmt wird, ist schwieriger vorauszusagen, da die Anzahl der registrierten Wähler stark gestiegen ist. Es können rund 36 Prozent mehr Kenianer ihre Stimme abgeben als noch im Jahr 2013. Laut der Deutschen Welle wird die Mittelschicht immer mehr und mehr apolitisch, so dass die verarmte Jugend die große Chance hat, ihrer Stimme mehr Gewicht zu verleihen. Und das wäre wichtig. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in den letzten fünf Jahren trotz konstanten Wirtschaftswachstums aufgrund der schlechten Ausbildungsstrukturen sehr hoch geblieben. Jeder fünften Schule in Kenia fehlt es am Nötigsten, wie Strom, Wasser, Bücher, Tische und Bänke. Auch fehlen rund 80.000 Lehrer.

Seit ein paar Monaten grassiert eine verheerende Dürre in weiten Teilen des Landes, der Norden hat zum Teil schon seit mehreren Jahren keinen Regen mehr gesehen. Bereits im April litten ca. 4 Millionen Menschen unter Hunger. Die wirtschaftlichen Bedingungen für die meisten Kenianer haben sich durch Ernteausfälle und erhöhte Nahrungsmittelpreise verschlechtert. Es kommt zudem zu Landstreitigkeiten und Viehdiebstählen.

Auch die allgemeine sicherheitspolitische Lage hat sich verschlechtert. Aktuell gibt es für drei Bezirke ein nächtliches Ausgangsverbot wegen der anhaltenden Angriffe der islamistischen Terrormiliz Al-Shabaab aus dem benachbarten Somalia. Ferner steigen aufgrund der Dürre und kriegerischer Auseinandersetzungen die Flüchtlingszahlen aus den Nachbarländern, vor allem aus Somalia, Südsudan, Burundi, Ruanda und dem Kongo. Insgesamt leben nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 600.000 Flüchtlinge in Kenia.

Schließlich ist die Lage der Menschenrechte sowie der Presse- und Meinungsfreiheit, die in den vergangenen fünf Jahren Schritt für Schritt eingeschränkt wurden, besorgniserregend. Infolge der Verabschiedung des Security Laws (Amendment) Act und des Parliamentary Powers and Privileges Bill kam es zu rechtswidrigen Zwangsräumungen, Verhaftungen und Einschüchterungen von Oppositionspolitikern, Journalisten, Cartoonisten und Menschenrechtlern sowie Repressalien gegen zivilgesellschaftliche Organisationen. Die freie Meinungsäußerung in Kenia schwindet. Laut Human Rights Watch schikanieren Polizei und Regierung die Medien vor der Wahl.

Uhuru Muigai Kenyatta
Kenias Präsident Uhuru Muigai Kenyatta © Amanda Lucidon / White House, Uhuru Kenyatta, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Unruhen sind nicht ausgeschlossen

Man kann davon ausgehen, dass der Wahlverlierer auf die Straße gehen wird, um das Ergebnis anzufechten. Schon jetzt werfen beide Kandidaten dem anderen politischen Lager vor, Wahlmanipulationen vorzubereiten, und der Ton der politischen Auseinandersetzungen verschärft sich. Das Independent Electoral Boundaries Comittee (IEBC), die kenianische Wahlkommission, wird zudem von der NASA-Partei als nicht glaubwürdig und neutral wahrgenommen. Bereits 2016 waren die Proteste gegen die Wahlkommission, angeführt von Odinga, in allen großen Städten des Landes, eskaliert. Sollte es nach der Verkündung der Wahlergebnisse zu Massenprotesten kommen, würde die Polizei, die für ihre Brutalität und Willkür bekannt ist, auch hier gewaltsam durchgreifen.

Die Vorsitzende der Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union, Marietje Schaake, erklärte Anfang Juli vor Journalisten: “it is no secret there are concerns about the possible outbreak of violence.“ Die National Cohesion and Integration Commission, die vor den Wahlen 2013 zur Förderung von Chancengleichheit zwischen den verschiedenen Stämmen und Ethnien gegründet wurde, hat bereits 18 Bezirke identifiziert, die von gewaltsamen Auseinanderschreitungen zwischen den ethnischen Volksgruppen (Kikuyu und Kalenjin vs. Luo, Kamba, Luhya und Kipsigis) betroffen sein könnten: Nairobi, Kisamu, Mombasa, Nakuru, Eldoret, Narok, Kericho, Kisii, Homa Bay, Isiolo, Turkana, Kiambu, Kilifi, Lamu, Migori, Baringo, Pokot und Bungoma, wo die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit seit 2016 ein Welt-ohne-Hunger-Projekt mit Kleinbauern durchführt. Neben dem Präsidentenamt werden zudem in den 47 Bezirken auch die Gouverneure, Senatoren und Bezirksregierungen neu gewählt. Der Wettstreit um diese rund 1.900 Posten könnte die politische Lage zusätzlich verschärfen.

Auch diesmal wird das Wahlergebnis zwischen Kenyatta und Odinga eng sein. Mit Sicherheit wünschen sich die große Mehrheit der Kenianer friedliche Wahlen, denn ein Déjà-vu der tragischen Ereignisse von 2007 wäre verheerend.

Denise Dittrich ist Projektberaterin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für Ostafrika.