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USA: Ein Jahr Präsident Trump

Ein Blick hinter die Kulissen
USA: Ein Jahr Präsident Trump
cool revolution © CC BY-NC-ND 2.0 Flickr.com, überarbeitet

„Von diesem Tag an heißt es: Amerika zuerst." – so lautete Donald Trumps Marschrichtung in seiner Antrittsrede vor genau einem Jahr. Den Amerikanern versprach er einen radikalen Kurswechsel. Er wolle gegen das politische Establishment kämpfen und mit seiner Politik des Protektionismus für Wohlstand sorgen. Progressiven Amerikanern bereitet Trumps Agenda nach wie vor Sorge. Doch es ist in erster Linie nicht Trump, der die USA verändert, sondern die erzkonservative Maschinerie hinter ihm.

Auch ein Jahr nach der Amtseinführung von Präsident Trump ist im politischen  Washington noch immer kein Alltag eingekehrt. Das Spannungsbarometer schraubt sich konstant in die Höhe. Mit beleidigenden und rassistischen Äußerungen hält der Twitter-Präsident nicht nur die Amerikaner, sondern die ganze Welt in Atem. Hatten viele Beobachter gehofft, dass Trumps eigenwilliger Wahlkampf reine Show war, um Wählerstimmen einzufangen, wurden sie in den vergangenen zwölf Monaten eines Besseren belehrt. Zwischen dem Wahlkämpfer Trump und dem Präsidenten Trump gibt es keinen Unterschied. Auch als Präsident zeigt sich Trump als von sich selbst eingenommen, streitlustig und unberechenbar. Seine Präsidentschaft ist – diplomatisch ausgedrückt – vor allem eines: unkonventionell. Er bricht mit Normen und Traditionen und macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Schnell stieß er dabei allerdings an seine Grenzen und musste lernen, dass er im politischen System der „checks and balances“ nicht selbstherrlich regieren kann. Mit der republikanischen Mehrheit im Kongress ist es ihm, wenn auch manchmal mühevoll, gelungen, einige seiner Wahlversprechen umzusetzen.


 

USA: Ein Jahr Präsident Trump
Anti-Trump-Proteste, Boston, Januar 2017 © CC BY 2.0 Flickr.com (realavivahr), überarbeitet

Trump spaltet das Land nach wie vor

Um den Erfolg oder Misserfolg einer Präsidentschaft zu messen, zieht man für gewöhnlich Indikatoren wie die Anzahl der legislativen Durchbrüche, die Erfüllung von Wahlversprechen, den Zustimmungswert oder die konjunkturelle Entwicklung heran. Bei Donald Trump würde das wie folgt aussehen:

Eine angekündigte Steuerreform wurde noch vor Jahresende verabschiedet und hebelte gleichzeitig Teile der Gesundheitsreform „Obamacare“ aus. Ferner wurde der konservative Richter Neil Gorsuch im Supreme Court installiert und die Arbeitslosenquote ist auf dem tiefsten Stand seit fast 17 Jahren. Auch der Trump’sche Protektionismus hat Formen angenommen: Das Transpazifische Handelsabkommen (TPP) sowie das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) sind vorerst Geschichte, das Freihandelsabkommen NAFTA wird überarbeitet und der UNESCO und dem globalen Flüchtlings- und Migrationspaktes der Vereinten Nationen (UNO) wurde der Rücken gekehrt. Weitere zentrale Wahlversprechen wie der Bau der Grenzmauer zu Mexiko, umfassende Investitionen in die Infrastruktur sowie die vollständige Abschaffung von „Obamacare“ stehen noch auf der Warteliste. Der Begeisterung seiner Anhänger scheint das keinen Abbruch zu tun. 

Auf Seiten der Kritiker wächst der Unmut jedoch zusehends. Trumps Zustimmungswerte sind so niedrig wie bei keinem anderen Präsidenten zuvor. Mit Fettnäpfchen, Machtkämpfen und Skandalen schreibt er ununterbrochen Negativschlagzeilen. Seit Beginn seiner Amtszeit hängt die Russlandaffäre wie eine dunkle Wolke über der Pennsylvania Avenue. Im Weißen Haus selbst herrscht Chaos, denn Trumps konfuse Personalpolitik führt zu einer Rekordfluktuation bei seinen Mitarbeitern. In Regierungsbehörden und diplomatischen Vertretungen bleiben zahlreiche Posten unbesetzt. Folgt man den Schlagzeilen, dann entsteht der Eindruck, dass der Sumpf, den Trump einst trocken legen wollte, ihn nun verschlingt.

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Demos, Brüssel Mai 2017 © CC BY-NC-ND 2.0 Flickr.com, Floris Van Cauwelaert, überarbeitet

Abseits des Rampenlichts

Doch um das wahre Ausmaß der Trump-Präsidentschaft zu bewerten, muss man einen Blick hinter die Kulissen werfen. Die sich überschlagenden Schlagzeilen verdecken, was sich außerhalb des Rampenlichtes der Trump-Show abspielt. Dort arbeiten seine erzkonservativen Kabinettsmitglieder daran, ihre ideologische Agenda umzusetzen und die Vereinigten Staaten auf lange Sicht umzukrempeln.

So arbeitet Finanzminister Steve Mnuchin an der Rücknahme der Bankenregulierung, die Barack Obama nach der Finanzkrise zum Schutz der Verbraucher eingeführt hatte. Scott Pruitt, Leiter der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA und bekennender Klimaskeptiker, hebt derweil nach und nach Umweltregulierungen im Interesse der Industrie auf. Bisher wurden 29 Umweltregulierungen gekippt, 31 weitere sollen folgen, darunter auch Obamas „Clean Power Plan“ zur Reduzierung der CO₂-Emissionen. Justizminister Jeff Sessions fordert mehr „Recht und Ordnung“ in Amerika. Auch kleine Drogendelikte sollen wieder verfolgt und die Legalisierung von Marihuana auf Bundesstaatenebene eingeschränkt werden. Im Windschatten von Trumps Skandalen liegen seine Kabinettsmitglieder also voll auf Kurs.

Noch nachhaltiger werden sich aber Trumps Kandidaten für Richterposten auf die Politik des Landes auswirken. Da ideologische Streitthemen wie das Waffen- oder Abtreibungsrecht oft vor den Gerichten landen, können die Bundesrichter, die auf Lebenszeit ernannt sind, die Richtung des Landes maßgeblich steuern. Der größte Erfolg der Präsidentschaft Trumps war die Ernennung von Neil Gorsuch, seit der am Obersten Gerichtshof wieder eine konservative Mehrheit herrscht. Dieser Ernennung hat es Trump wohl auch zu verdanken, dass der Supreme Court die Durchsetzung des Einreiseverbots gegen sechs überwiegend muslimische Länder vorerst genehmigt hat. Auch im Rest des Landes nominiert Präsident Trump systematisch Konservative für frei werdende Richterposten in Bundesberufungsgerichten und hinterlässt damit seine Fußspuren auf unbestimmte Zeit.

Der nächste Gradmesser für Trumps Amtszeit steht am 6. November 2018, dem Termin der Zwischenwahlen („midterms“), an. Nach einer bestenfalls durchwachsenen Nachwahlbilanz unter Trump wird es interessant sein zu sehen, ob es mögliche Absetzbewegungen innerhalb der republikanischen Partei geben wird. Auch eine Schmutzkampagne des Weißen Hauses gegen unliebsame parteiinterne wie -externe Kandidaten kann, allen Erfahrungen nach zu urteilen, nicht ausgeschlossen werden.

Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer im Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Washington D.C..