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25 Jahre Dayton-Vertrag
Bosnien und Herzegowina: Ein tief gespaltenes „unfertiges“ Land

Bosnien 25 Jahre Dayton
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Kemal Softic

Bosnien und Herzegowina ist ein Land, das sich aus drei „konstitutiven Völkern“ zusammensetzt und dessen Staatsgebiet zwei sogenannte „Entitäten“ umfasst: eine Republik und eine Föderation. Eine außergewöhnliche Konstruktion, vorgegeben vom Friedensvertrag von Dayton, der dem ersten, äußerst blutigen Krieg in Europa nach Auflösung des Ost-West-Konflikts im Herbst 1995 ein Ende setzte.

Vor 25 Jahren, am 14. Dezember 1995, wurde in Paris formell das Friedensabkommen unterzeichnet, auf das sich wenige Wochen zuvor die Präsidenten und Delegationen der Konfliktparteien Bosnien-Herzegowinas, Kroatiens und Serbiens auf einem Luftwaffenstützpunkt bei Dayton im US-Bundesstaat Ohio unter internationaler Mitwirkung verständigt hatten.

Dieses Abkommen ist bis heute prägend für das politische System des Landes, weil es auch den Verfassungsrahmen für Bosnien-Herzegowina festgelegt hat.

Von der damals großen Erleichterung und Euphorie über das Ende des Krieges und den nachfolgenden Wiederaufbau ist allerdings 25 Jahre später nicht mehr viel übriggeblieben. Seit Jahren schon stehen sowohl die verfassungsmäßige Ordnung, die führenden politischen Akteure sowie das gesamte politische und wirtschaftliche System zunehmend in der Kritik. Ineffizienz der Institutionen, mangelhafte Infrastruktur, endemische Korruption und „Brain Drain“ sind hier nur einige der oft zu hörenden Stichworte.

Beobachter beschreiben Bosnien-Herzegowina deshalb als „unfertiges Land“, das bisher weder seine Transition in nachhaltige Bahnen lenken noch dauerhaft einen stabilen Frieden sichern konnte. 

Land ohne Zukunft

Die Gefahr, dass das Land inmitten seines sich schleppend hinziehenden Transitionsprozesses gänzlich stecken bleibt und das Gefühl von Unsicherheit immer mehr in Resignation umschlägt, zeigt auch eine aktuelle - von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Auftrag gegebene – Umfrage auf so bedrückende wie alarmierende Weise unter dem Titel:

“The Dayton Generation – The Future of Bosnia and Herzegovina in the Eyes of Young People“.

Rund ein Drittel der jungen Generation muss demnach als demokratieverdrossen eingestuft werden. Jeder Dritte liebäugelt mit autoritären Systemen beziehungsweise einem „starken Führer“. Eine Mehrheit bevorzugt ethnische Parteien und Institutionen. Rund ein Drittel will nicht als Minderheit in einer Region leben, weil Diskriminierung befürchtet wird. Zwei Drittel gar spielen mit dem Gedanken, das Land zu verlassen, weil in der Heimat keine Berufs- und Zukunftsperspektiven mehr gesehen werden.

Inwieweit diese bedrückenden Ergebnisse sich jeweils genau auf das Dayton-Abkommen auf der einen wie auf das Verhalten der verantwortlichen politischen Akteure im Land auf der anderen Seite zurückführen lassen, dürfte schwer zu messen sein.

Mehr internationales Engagement vs. mehr Selbstverantwortung

Der damalige Leiter der deutschen Delegation in Dayton, der Diplomat und heutige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, nennt das Dayton-Vertragswerk rückblickend „kein völkerrechtliches Meisterstück“.

Auch die Historikerin und Kennerin der politischen Entwicklung in Bosnien und Herzegowina, Marie-Janine Calic, zieht ein Vierteljahrhundert nach Dayton eine ernüchternde Bilanz.

Das Dayton-Abkommen habe den Konflikt lediglich eingefroren, aber die Kriegsursachen nicht überwinden können. Darüber hinaus sei „Dayton“ zum Synonym für Dysfunktionalität und Politikversagen geworden und habe das „Prinzip ethnischer Versäulung“ salonfähig gemacht. Nicht zuletzt habe der gesamte Dayton-Prozess die mentalen und emotionalen Dimensionen eines guten Friedensschlusses zu wenig berücksichtigt.

Aber im Unterschied zu Ischinger, der es als „größten Fehler“ bezeichnet, dass die internationale Gemeinschaft das Land nach dem Abschluss von Dayton „politisch zu sehr sich selbst überlassen“ habe, sieht sie nicht in „Dayton“, sondern wohl zu Recht in der mangelnden Kompromissbereitschaft der politisch Verantwortlichen im Lande selbst den zentralen Grund für die Misere.

Was diesen Kräften fehle, sei der Wille, eine auf die Zukunft gerichtete Perspektive des Zusammenlebens selbst zu entwickeln. Solange dieser nicht vorhanden sei, werde das Land nicht vorankommen.

Nicht weitere Appelle an die internationale Gemeinschaft und Geber, sich doch bitte noch mehr und umfassender zu engagieren, sei der Schlüssel zum Erfolg.

„Der einzige Ausweg liegt in größerer Eigenverantwortung im Land selbst. (…) 25 Jahre nach Kriegsende ist es höchste Zeit, dass Bosnien-Herzegowina sein Schicksal wieder stärker selbst in die Hand nimmt.“

Studie 'The Dayton Generation': Die Zukunft von Bosnien und Herzegowina aus der Sicht junger Menschen

  • Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (Westbalkanbüro) wollte eine Untersuchung der Ansichten und Einstellungen junger Menschen und ihrer Zukunft in Bosnien und Herzegowina durchführen. Diese Untersuchung wurde in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Valicon geplant. Die genannte Untersuchung ist Teil des Forschungsprojekts „Bosnien und Herzegowina 25 Jahre nach Dayton – Perspektiven junger Menschen“, unter Leitung der Herrn Professoren Damir Kapidžić, Jens Woels und Soeren Keil.