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Anfänge der deutschen Umweltpolitik

Hans-Dietrich Genscher
Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister des Innern (2.v.l.), und Robert Poujade, französischer Minister für Umweltschutz (l.), besichtigen das Emscher Klärwerk, 1. Juni 1971 © Bundesregierung / Detlef Gräfingholt

Als erste Partei in der Bundesrepublik Deutschland verabschiedete die FDP mit den Freiburger Thesen 1971 ein Umweltprogramm. Unsere Public-History-Broschüre „Gamechanger“ zeichnet den Einfluss der Liberalen auf den Umweltschutz nach - von der Abteilung U bis zur Gründung des BMUB.      

Ein singuläres Ereignis für die Anfänge der deutschen Umweltpolitik gibt es nicht. Kein Fridays for Future, kein BUND. Auch keine akute Umweltkrise ist erkennbar. Weder der Druck von Interessengruppen noch die gesellschaftspolitische Umweltdiskussion waren so weit fortgeschritten, dass Parteien diese für sich hätten nutzen können. Und trotzdem: Seit Ende der sechziger Jahre entwickelte sich der Umweltschutz zum eigenständigen Politikfeld in der Bundesrepublik.    

1969 hatte noch keine Partei umweltpolitische Inhalte in ihrer Programmatik. In den  vorangegangenen Wahlkämpfen 1965 und 1969 hatte Umweltschutz keinerlei Rolle  gespielt. Aber insbesondere eine Partei begann das Thema Umweltschutz näher ins  Auge zu fassen und letztendlich auch maßgeblich voranzutreiben: die FDP unter Hans- Dietrich Genscher als Bundesinnenminister.    

Früher als die anderen Parteien haben die Liberalen in Deutschland frühzeitig die Wichtigkeit der Umweltpolitik erkannt. Mit einer für die damalige Zeit höchst progressiven Umweltpolitik haben Freidemokraten Anfang der Siebziger Jahre Wegmarken gesetzt. Unter Hans-Dietrich Genscher wurde die Umweltpolitik im Bundesinnenministerium angesiedelt und gebündelt.   

„Nach Auffassung der Bundesregierung hilft keine Kosmetik an Umweltproblemen, d.h. das Kurieren an Symptomen. Notwendig ist es, die drohende Umweltkrise an der Wurzel zu packen.“

Hans-Dietrich Genscher
Hans-Dietrich Genscher
Vorführung des Umweltschutzspiels „Toxifax“, Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher spielt mit interessierten Jugendlichen © Bundesregierung / Georg Munker

Der Ansatz, den Umweltschutz umfassend und nicht nur punktuell, und vor allem vorausschauend zu planen, anstatt auf Katastrophen lediglich zu reagieren, ist bis heute gültig. Gleiches gilt für das Verursacherprinzip, das die Liberalen früh in den Freiburger Thesen als ihren Grundsatz für den Umgang mit Umweltschäden festlegten. Bis heute liegt dieses Prinzip allen umwelt- und klimapolitischen Ansätzen zu Grunde: Wer Schäden an der Umwelt verursacht, muss dafür aufkommen. Für die FDP waren die Mechanismen der Sozialen Marktwirtschaft stets die Richtschnur für den Einsatz und die Entwicklung neuer Technologien.

"Jeder Mensch hat ein Recht auf eine menschenwürdige Umwelt."

These 1 zur Umweltpolitik, Freiburger Thesen 1971
Gerhart Rudolf Baum
Bundesminister Gerhart Rudolf Baum verlieh am 16. August 1979 auf der Bundesgartenschau in Bonn das Umweltzeichen für lärmarme Motorrasenmäher, die nicht lauter als 60 Dezibel sind © Bundesarchiv / Engelbert Reineke

Zwar sollte es bis zur Gründung des Bundesumweltministeriums, das alle Kompetenzen bündelte, nach den Freiburger Thesen von 1971 noch etwas mehr als 15 Jahre dauern – trotzdem wurden die Grundlagen der deutschen Umweltpolitik maßgeblich von den Freien Demokraten mitbestimmt. Und auch, wenn die weltpolitische und die innenpolitische Situation ab der zweiten Hälfte der Siebziger Jahre zwischen Kaltem Krieg, Ölkrise und Finanzkrise das Augenmerk der Liberalen auf andere Politikfelder lenkte und der Weg frei wurde für die neu entstehende, fast monothematische „Ökopartei“ Die Grünen: Die Tatsache, dass die meisten ihrer Grundsätze bis heute gültig sind, beweist den vorausschauenden und mutigen Charakter der Handelnden in den Anfängen der liberalen Umweltpolitik.