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Digital Services Act gilt jetzt EU-weit

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© picture alliance / CHROMORANGE | Michelangelo Oprandi

Am 17. Februar 2024 ist es so weit: das große EU-Bollwerk gegen Hass und Hetze im Netz, der Digital Services Act (DSA), tritt vollständig in Kraft. Das ergänzende Digitale-Dienste-Gesetz folgt hoffentlich am 1. April.

Der DSA ist eine EU-Verordnung, mit der die Europäische Union nach eigener Aussage primär drei Ziele verfolgt. Ein klarer Transparenz- und Rechenschaftsrahmen für Online-Plattformen soll geschaffen werden. Faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer werden angestrebt. Und der für die Bürgerrechte relevanteste Aspekt: die Grund- und Verbraucherrechte der europäischen Bürgerinnen und Bürgern sollen in Zukunft besser geschützt werden.

Hass und Hetze im Netz schaden Menschen und vergiften die liberale Demokratie. Es ist deswegen eine gute Nachricht, dass der Digital Services Act ab dem 17. Februar EU-weit gilt und strengere Regeln für Inhaltsmoderation vorsieht. Damit können die Rechte der EU-Bürgerinnen und Bürger im Internet besser durchgesetzt werden.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Auf vielen bekannten Plattformen gelten die Regeln des DSA bereits. Unternehmen mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzerinnen und Nutzern müssen schon seit August 2023 durch etwa Inhaltsmoderation für einen verbesserten Schutz der Bürgerrechte in ihrem Einflussbereich sorgen. Das sind beispielsweise Google, Meta oder TikTok – sogenannte „VLOPs“, very large online plattforms. Ab Mitte Februar stehen auch alle anderen digitalen Dienste in der Pflicht, konkret Vermittlungsdienste (z.B. Vodafone), Hosting-Anbieter und kleinere Onlineplattformen (z.B. ebay). Sie trifft aber ein abgestufter Pflichtenkatalog. Strenger als die VLOPs wird keiner behandelt.

Verbreitung von Hass, Hetze und Desinformation soll eingedämmt werden

Der wichtigste Teil des DSA betrifft den Umgang von Plattformen mit Inhalten, die die Nutzerinnen und Nutzer dort veröffentlichen. Die Verbreitung von Hass, Hetze und Desinformation soll durch die Verordnung effektiv eingedämmt werden. Nicht nur die VLOPs, auch kleinere Anbieter müssen leicht zugängliche Melde- und Abhilfeverfahren für den Umgang mit (potenziell) rechtswidrigen Inhalten einrichten. Außerdem gelten verschärfte Pflichten für ein internes Beschwerdemanagement oder hinsichtlich der Einrichtung von Kontaktstellen für Behörden. In unterschiedlich ausführlichen Berichten muss zudem die Umsetzung regelmäßig evaluiert und publiziert werden.

Für den Schutz der Bürgerrechte ist die neue Verordnung zu begrüßen. Gerade Hass und Hetze sind ein massives Problem auf Internetplattformen. Neben gewalt- und hasserfüllten Inhalten mancher User heizen künstlich erschaffene Posts die Debatte an. Polarisierende Beiträge werden dabei oft mit hohen Klickzahlen belohnt. Problematische Inhalte erhalten so eine fragwürdige Reichweite und Gleichgesinnte können sich leicht vernetzen. Manche Hetzer machen dann auch vor der analogen Welt nicht halt. Als traurige Höhepunkte können der Mord an dem früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke oder der Suizid der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr gelten. Gegen das Engagement beider wurde Stimmung im Internet gemacht, die wahrscheinlich (mit)ursächlich für die Ereignisse wurde. Dies macht deutlich, welche Verantwortung mit der Inhaltsmoderation einhergeht – ein Gewährenlassen kann katastrophale Folgen haben.

Dies tangiert nicht nur individuelle Schicksale, sondern das gesamte demokratische System. Untersuchungen wie die aktuelle Studie des „Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz“ zeigen, dass sich viele aus Angst vor Hasskommentaren aus im Internet ausgetragenen Debatten zurückziehen. Damit wird der in der heutigen Zeit wichtigste Debattenraum im schlimmsten Fall denen überlassen, die Hass, Hetze und Verschwörungstheorien verbreiten und damit die vermeintliche Meinungshoheit erhalten.

Uneinigkeit über den Digital Services Act: Chancen und Herausforderungen für die Meinungsfreiheit im Netz

Es gibt auch Stimmen, die vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit durch den DSA warnen und die Gefahr sehen, dass Plattformen unliebsame Meinungen vorschnell unterdrücken könnten. Diese sogenannte Gefahr des Overblockings seitens der Plattformen droht sich durch die neuen Vorschriften aber nicht zu verstärken. Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Henrike Weiden in einem Gutachten für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Zur Wahrheit gehört aber auch: ob der DSA wirklich ein effektives Instrument gegen Hass und Hetze im Netz ist, wird sich erst noch zeigen müssen. Nach den Angriffen der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung war von seiner Existenz noch wenig zu spüren. Auf den Plattformen wurde beispielloser Hass verbreitet – die Anzahl antisemitischer Kommentare pro Video stieg nach dem 7. Oktober auf Youtube beispielsweise um 242 Prozent, so zeigt eine Studie des „Institute for strategic dialogue“. Allerdings hat die EU-Kommission gegen X (früher Twitter) mittlerweile ein Verfahren eröffnet, ebenfalls aufgrund des mangelhaften Umgangs mit irreführenden und illegalen Inhalten zum Gazakrieg. Auch ein Vorgehen gegen TikTok wird aktuell geprüft.

Dies zeigt: Es bewegt sich etwas. Den Unternehmen drohen mitunter hohe Bußgelder. Wichtiger ist der langfristige Effekt. Mit der Zeit werden die plattforminternen Mechanismen hoffentlich immer wirksamer, damit Bürgerrechte wirklich nachhaltig gestärkt werden.