Liberale Denker
Helene Lange: “Die Zukunft ist uns noch alles schuldig“ (9.4.1848-13.5.1930)

Die Büste von Helene Lange steht in einer Parkanlage am Cäcilienplatz im Zentrum der Stadt. Die aus Bronze gefertigte Büste erinnert seit 1995 an die Frauenrechtlerin und Pädagogin.
© picture alliance/dpa | Hauke-Christian DittrichKurzbiographie
Erst am 28. Februar 1900 wurde Frauen (zunächst im liberal geprägten Königreich Baden) der volle Zugang zum Hochschulstudium ermöglicht. Eine zentrale Rolle spielten dabei Pionierinnen wie Helene Lange. Die gebürtige Oldenburgerin (Oldenburg i.O.) bestand 1871 ihr Lehrerinnenexamen und war zuerst als Hauslehrerin und anschließend als Lehrerin an der "Krahmerschen Höheren Mädchenschule" in Lichtenberg tätig. Gleichzeitig setzt sie sich für eine bessere Lehrerinnenausbildung ein und gründet 1890 den „Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein“. Auch darüber hinaus engagiert sie sich für die Frauenbewegung und tritt im gleichen Jahr, 1908, der linksliberalen „Freisinnigen Vereinigung“ bei. Nach dem Ersten Weltkrieg tritt sie, nachdem die „Freisinnige Vereinigung“ erst in der Fortschrittlichen Volkspartei und selbige schließlich der DDP aufging, der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei und wird für diese 1919 in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. Nach einer Vielzahl von Ehrungen durch die junge Republik und ihre Institutionen stirbt Lange 1930 in Berlin.
Helene Lange: Die unerschrockene Kämpferin für Frauenbildung

Ihr ist es zu verdanken, dass 1896 erstmals sechs Frauen in Berlin das Abitur ablegen durften.
Damals und heute
Auch bei Helene Lange trifft die liberale Bildungsphilosophie auf politische Ansprüche hinsichtlich gesellschaftlicher Machtverteilung. Die Bedeutung Langes für die Gleichberechtigung in Deutschland kann kaum überschätzt werden, auch wenn manche ihrer Thesen zu den unterschiedlichen Rollen von Frauen und Männern heute überholt erscheinen. Sie muss als wirkmächtige Vertreterin liberaler Ziele aus ihrer Zeit, dem Umbruch von wilhelminischer Kaiserzeit hin zur Weimarer Republik, gesehen werden. Es bleibt ihr politisches und pädagogisches Vermächtnis: „Wenn das Endziel der Frauenbewegung einmal erreicht ist, so wird es kein führendes Geschlecht mehr geben, sondern nur noch führende Persönlichkeiten“ prophezeite Lange im Jahr 1904. Gut zwanzig Jahre später, in ihren „Lebenserinnerungen“, betonte sie dann allerdings, dass „die Zukunft […] uns noch alles schuldig“ sei. Helene Lange gilt damit zurecht als liberale „Superheldin“, deren Einsatz für Frauenrechte auch heute noch Maßgabe und Ansporn für liberale (Bildungs-)politik ist.
Wir fassen zusammen: ‚Wie das Menschengeschlecht die Aufgabe seiner Bildung aus der Hand der Natur in seine Hand nehmen muss, wenn es seine Bestimmung erreichen soll, so muss das weibliche Geschlecht die Aufgabe seiner Bildung aus der Hand der Männer in seine eigene nehmen, um seine Bestimmung zu erreichen.‘ Damit ist nicht gesagt, dass wir auf die Mitwirkung der Lehrer an der Mädchenschule verzichten wollen; wir verwahren uns ausdrücklich gegen eine Unterstellung dieser Art […].

Auf die mancherlei Hemmnisse aber, die der Erreichung dieser äußeren und inneren Selbständigkeit der Frau entgegenstehen, auf die Unwürdigkeiten, denen sie – vielfach unter ‚gesetzlichem Schutz‘ – noch ausgesetzt ist, auf die Vorurteile rein äußerlicher Art, die von vielen Frauen nicht weniger eifrige Pflege erfahren als von Männern, werden wir hinzuweisen und sie nach Kräften zu bekämpfen suchen. […] Wir hoffen, unter den deutschen Männern der Überzeugung Bahn zu brechen, dass es sich in der Frauenbewegung um einen Fortschritt in der Menschlichkeitsentwicklung handelt.

Nun, in diesem Zugeständnis liegt immerhin ein Fortschritt im Verhältnis zu der Meinung, die seinerzeit Herr Professor Lenschau als Wortführer des Philologenverbandes verlautbarte, als er die Unterstellung von Männern unter weiblicher Leitung deshalb ablehnte, weil ein solcher Zustand das Autoritätsverhältnis des Oberlehrers zu seiner eigenen Ehefrau gefährden könnte. Die Revolution hat also auch bei den Gegnern der weiblichen Leitung einige sanfte Spuren hinterlassen.
