Thailand
Junta-Chef hat gute Chancen in Zivil weiter zu regieren
Bei der Parlamentswahl in Thailand wurde die militärnahe Partei des bisherigen Junta-Chefs Prayut Chan-Ocha zweitstärkste Kraft. Weil der vom Militär ernannte Senat den Premierminister mitwählt, hat General Prayuth gute Chancen auf das Amt des Regierungschefs. Gleichzeitig mischt eine neue Partei das alte Thailand kräftig auf. Sie heißt „Anakot Mai“, übersetzt „Vorwärts in die Zukunft“.
Das Ergebnis der Parlamentswahl in Thailand, bei der 500 Sitze vergeben wurden, brachte Überraschungen. Nach Auszählung von 95 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde die Pheu Thai Partei des im Exil lebenden Ex-Premier Thaksin Shinawatra mit 135 Parlamentssitzen zwar wie erwartet stärkste Kraft, aber relativ knapp dahinter gewann die militärnahe Partei des bisherigen Junta-Chefs Prayuth Chan-Ocha, die Palang Pracharath Partei, mit 119 Sitzen viel mehr Mandate als erwartet. Ebenso überraschend war das sehr gute Abschneiden der neuen Future Forward Partei, die aus dem Stand 88 Sitze gewann. Großer Verlierer der Wahl ist die Demokratische Partei. Sie zählte jahrzehntelang zu den führenden Parteien Thailands und ist nun mit nur 55 Sitzen nur noch viertstärkste Partei. Der Vorsitzende der Demokraten, Ex-Premier Abhisit Vejjajiva, trat noch am Wahlabend von seinem Amt als Parteichef zurück.
Mit beachtlichen 52 Sitzen schnitt auch die Bhumjathai Partei gut ab. Sie punktete mit konkreten Politikideen. Das Wahlergebnis zeigt: die alten Parteien Thailands, die sich nicht erneuern wollen, verlieren an Zuspruch. So hatte zum Beispiel die Demokratische Partei seit 2005 keinen Führungswechsel. Neue Parteien waren erfolgreich: auf der einen Seite die neue, militärnahe Palang Pracharath Partei - und auf der anderen Seite die ebenfalls neue Future Forward Partei, die die Militärmacht einschränken möchte. Die Wahlbeteiligung blieb unter den Erwartungen. Bei bis zu 40 Grad Hitze gaben etwa 65 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen ab. Die Wahl folgte einem intensiven Wahlkampf. Die Parteien hatten sich viel Mühe gegeben, Versprechen in den Vordergrund zu stellen, vor allem für die ärmere Bevölkerung. So sollte Thailands Wohlstandskluft - laut Credit Suisse Global Wealth Databook die weltweit weiteste - adressiert werden. Knapp fünf Jahre nach dem Militärputsch von 2014 geht es den meisten Thais heute wirtschaftlich schlechter als damals.
Koalitionsbildung notwendig
Für die Regierungsbildung bedeutet das Ergebnis, dass General Prayut eine gute Chance hat, Regierungschef zu bleiben. Denn der neue Premierminister wird nicht nur von den 500 nun gewählten Parlamentariern bestimmt, sondern gemeinsam mit 250 Senatoren, welche von der Militärregierung benannt werden. Um Gesetze zu verabschieden und um stabil regieren zu können, braucht General Prayut allerdings eine Mehrheit im Unterhaus. Dazu muss er eine Koalition bilden. Wie diese aussehen könnte, ist unklar. Möglicherweise steht Thailand eine schwierige Zeit unter einer Militärregierung im demokratischen Gewand bevor. Politische Kommentatoren sagen bereits die nächste Krise voraus. Theoretisch könnten sich die Parteien, die General Prayut nicht mögen, zusammentun und ihrerseits eine Parlamentsmehrheit bilden. Aber dazu sind sie wohl zu verfeindet.
Der Erfolg von Generals Prayuts Partei überrascht unter anderem, weil ihre Umfragewerte vor der Wahl relativ schlecht waren. Zum Ende des Wahlkampfes machte die Partei viele Versprechen, die an den Populismus ihrer politischen Gegner erinnerte. General Prayuts gutes Abschneiden zeigt, dass es in Thailand viele Menschen gibt, denen Stabilität und Ordnung wichtig sind. Vielleicht haben aber auch die großzügigen Wahlgeschenke ihren Anteil an dem guten Ergebnis. Allerdings waren die Bedingungen, unter denen der Wahlkampf ausgetragen wurde, weder frei noch fair. Regierungskritiker wurden seit dem Putsch von 2014 oft in die Schranken gewiesen. Es folgte Selbstzensur der Medien und politischer Kommentatoren. Die Militärregierung hatte Parteien erst Anfang Februar erlaubt, Wahlkampf zu machen. Das benachteiligte sie gegenüber der Militärregierung, die dauernd in den Medien war. Im Vorfeld der Wahlen wurden diverse Gerichtsverfahren gegen Parteien und Kandidaten wegen Gesetzesverstößen angeschoben. Eine Partei wurde aufgelöst.
Junge Generation wünscht sich modernes, offenes Thailand
Die größte Überraschung der Wahl war das sehr gute Abschneiden der Anakot Mai Partei, die sich auch Future Forward Partei nennt. Sie wird geleitet vom drahtigen Millionär Thanathorn Jungrungreangkit. Er möchte politisch praktisch alles ändern in Thailand. Thanathorn wagte, was so deutlich niemand vor ihm gewagt hatte: er kritisierte die alten Machtstrukturen Thailands und präsentierte einen Gegenentwurf zu dem Regierungsstil der etablierten Parteien, die von Eliten dominiert werden. Für diesen Mut wurde die Future Foward Partei kräftig mit Wählerstimmen belohnt. Wahrscheinlich fühlten sich gerade junge Wähler angesprochen. Bei der Wahl gab es sieben Millionen Erstwähler, die damit immerhin mehr als 14 Prozent aller Wahlberechtigten stellten. Das gute Abschneiden der Future Forward Partei deutet auf einen Wertewandel in der thailändischen Gesellschaft hin. Die jüngere Generation dürfte der alten politischen Konflikte müde sein und möchte stattdessen wohl ein modernes, offenes Thailand. Ein Katalysator des Aufstiegs der Future Forward Partei war die autoritäre Politik der Militärregierung.
Mit den Wahlen hat die Militärregierung unter der Bevölkerung die Erwartung von politischer Teilhabe geweckt. Wahrscheinlich Mitte oder Ende Mai werden Parlament und Senat gemeinsam den Premierminister wählen. Sollte die Partei, die bei der Parlamentswahl die meisten Stimmen gewann, Thaksins Pheu Thai Partei, tatsächlich leer ausgehen, wird sich zeigen, ob ihre Wähler das hinnehmen. Sollte es zu Unruhen kommen, hat der Armeechef einen weiteren Coup nicht ausgeschlossen. Allerdings: bis zur Krönung des neuen Königs Maha Vajiralongkorn am 4. Mai müssen sich alle Seiten zurückhalten, weil Respekt erwartet wird. Das offizielle Wahlergebnis der Parlamentswahl wird erst nach der Krönung bekannt gegeben.
Katrin Bannach leitet die Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung in Myanmar und Thailand.
Im Interview mit dem Bayerischer Rundfunk spricht die Autorin, Katrin Bannach, über die Wahlen in Thailand.