Türkei
Türkische Ladenbesitzer protestieren gegen erhöhte Strompreise
Der globale Anstieg der Energienachfrage hat im vergangenen Jahr weltweit Marktschwankungen ausgelöst. Die Internationale Energieagentur verzeichnete 2021 den bisher steilsten Anstieg der Stromnachfrage, der in großen Volkswirtschaften vielfach Stromausfälle auslöste und zu historischen Höchstständen bei den Energiepreisen und Rekordemissionen führte.
In der Türkei wurden zudem so gut wie alle Teile der Gesellschaft durch die konstante Abwertung der Türkischen Lira und die allgemein rasant steigende Inflation belastet. Gerade die steigenden Strompreise befeuerten die Frustration über Präsident Recep Tayyip Erdogans Wirtschaftskurs. Millionen von Menschen kämpfen damit, ihre Rechnungen zu bezahlen. Ladenbesitzer geben an, dass sich ihre Stromrechnung im Januar im Vergleich zum Dezember mehr als verdoppelt habe. Und vielen von ihnen droht bei weiter steigender Inflation die Insolvenz. In der Folge kam es im vergangenen Monat im ganzen Land zu einer Welle von Protesten gegen die gewaltigen Strompreiserhöhungen.
Kemal Kılıçdaroğlu, Vorsitzender der größten türkischen Oppositionspartei CHP, kündigte öffentlichkeitswirksam an, bis zur Rücknahme der Preiserhöhungen seine Stromrechnungen nicht zu bezahlen. In einem Video auf seinem Twitter-Account forderte er außerdem eine drastische Senkung der Mehrwertsteuer auf Stromrechnungen von 18 auf ein Prozent. Der stellvertretende Vorsitzende der Regierungspartei, Hamza Dağ, entgegnete darauf, Kılıçdaroğlus Schritt sei provokativ und Beleg für die zerstörerische Rolle der Opposition in den vergangenen Jahren. Fatih Dönmez, Minister für Energie und natürliche Ressourcen, kündigte umfassende Maßnahmen der Regierung an, um Familien und Unternehmen zu entlasten.
Viele Ladenbesitzer brachten ihren Frust zum Ausdruck, indem sie ihre Stromrechnungen für alle sichtbar im Schaufenster aushängten. Der stille Protest fand in den sozialen Medien schnell Anklang und verbreitete sich mit rasender Geschwindigkeit in den darauffolgenden Tagen.
Die wirtschaftliche Instabilität wirkt sich zudem erkennbar in den Meinungsumfragen aus. Laut neuesten Berichten der Umfrageunternehmen Konda, MetroPoll und ORC liegt die AKP bei etwa 30 bis 35 Prozent – und das unter Einschluss derer, die noch unentschlossen sind, ob sie die AKP wählen. Das ist der niedrigste jemals gemessene Zustimmungswert für die Partei. Auffällig ist der Rückgang der Unterstützung in den unteren Einkommensgruppen, wo die AKP traditionell ihre stärkste Wählerbasis hat. Die überwiegende Mehrheit der Wählerinnen und Wähler bewertet die Maßnahmen der Regierung gegen Arbeitslosigkeit, hohe Lebenshaltungskosten und schwankende Wechselkurse als erfolglos.
Angesichts der spätestens für 2023 erwarteten Wahlen dürften deshalb Schritte zu erwarten sein, die zumindest Teile der Gesellschaft kurzfristig entlasten und den Eindruck vermitteln, die Wirtschaft sei wieder unter Kontrolle.