Energie
Was ist eigentlich... die OPEC?
Ob an Land, in der Luft oder auf dem Wasser – noch sind es vor allem Erdölprodukte, die den internationalen Waren- und Personenverkehr ermöglichen. Aber nicht nur bei unseren Mobilitätsansprüchen setzen wir Menschen vornehmlich auf Erdöl. Auch in der Industrie, als Kraftstoff für Generatoren und Notstromaggregate oder für thermische Prozesse werden Erdölprodukte angewendet. Insgesamt macht Öl mit gut 32 Prozent des weltweiten Energiebedarfs den größten Posten des Gesamtprimärenergieverbrauchs aus. Damit werden vor allem zwei Dinge klar: Zum einen ist die Welt noch weit von einer klimaneutralen Energieversorgung entfernt. Zum anderen sind die ölfördernden Nationen dadurch in einer enormen Machtposition – denn die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abläufe der gesamten Welt sind von der Verfügbarkeit von Erdölprodukten abhängig.
Fakt: Auch in Deutschland ist Erdöl die wichtigste Primärenergiequelle – in 2022 stammte sogar rund 35 Prozent der in Deutschland genutzten Energie aus Erdöl.
Fossile Energieträger
Dass die Nutzung fossiler Energieträger die Hauptursache für die steigende Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Atmosphäre ist, ist im wissenschaftlichen Umfeld weitestgehend unstrittig. Darüber, dass diese Veränderung in der Zusammensetzung auch die Veränderung des Klimas treibt, herrsch ebenfalls zu großen Teilen einvernehmen. Daher passt die Zusammensetzung des aktuellen Primärenergieportfolios durch die Brille des globalen Klimaschutzes betrachtet, nicht zu den ambitionierten Klimazielen, die sich die Menschheit gesteckt hat. Ein Umschwenken auf andere Energieträger, wie zum Beispiel die Erneuerbaren oder die Atomkraft, untergräbt also auch das Fundament für den Wohlstand der ölfördernden Nationen. Gleichzeitig sieht man, dass sich die internationale Klimapolitik zusehends zu mehr als einem Lippenbekenntnis entwickelt. Entsprechende Maßnahmen entfalten zuzunehmend auch außerhalb der EU und den USA ihre Wirkung. Ob es reicht, um das internationale zwei Grad-Klimaziel einhalten zu können, ist freilich fraglich. Aber es sind dennoch wichtige Schritte in die richtige Richtung – und vor allem Schritte, die die fossile Energievorherrschaft unter Druck setzen.
Der Ressourcenfluch
Die Geschichte hat gezeigt, dass ein alleiniger Fokus auf Bodenschätze kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum bescheren kann – von gesellschaftlicher Entwicklung ganz zu schweigen. Das gilt auch für die ölfördernden Nationen. Für diesen Zusammenhang gibt es eine Bandbreite von Gründen. Zu den wichtigsten gehört zweifelsohne, dass die Rohstoffexporte den Realwert der Landeswährung steigen lassen. Das hat zur Folge, dass die Industrieproduktion eines Landes vergleichsweise teurer wird. Somit verliert das verarbeitende Gewerbe des Landes im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb an Boden – eine Deindustrialisierung ist die Folge. Gleichermaßen haben ressourcenreiche Nationen häufig ein geringeres Bildungsniveau als andere Nationen mit einem vergleichbaren Wirtschaftserfolg. Denn der Ressourcenabbau erfordert zumeist keine ausgeprägte formale Bildung der Arbeitskräfte. Diese mangelnde Bildung wiederum behindert den Aufbau komplexerer Industrien und des weiterverarbeitenden Gewerbes – somit wird die langfristige Entwicklung der Volkswirtschaft und der Gesellschaft ausgebremst. Das wiederum ermöglicht, dass sich Diktaturen und ausbeuterische Oligarchien besonders leicht manifestieren können. Folgerichtig haben die Wirtschaftswissenschaften dieses Phänomen Ressourcenfluch getauft. Und was zunächst befremdlich klingt, ist empirisch robust und historisch belegbar. Besonders, wenn schwache staatliche Institutionen ausbeuterische Praktiken nicht unterbinden, sondern gar unterstützen.
Es gibt allerdings auch positive Ausnahmen: Beispielsweise legt Norwegen einen Teil der Einnahmen aus dem Ölgeschäft in einem Staatsfonds an. Dieser investiert wiederum in Aktien und andere Wertpapiere – insbesondere in moderne Technologien und zukunftsorientierte, nachhaltige Geschäftsmodelle. Der norwegische Staatsfond beinhaltet auch das wertpapierbasierte Rentensystem der Norweger und ist somit auch Vorbild für andere Aktienrenten.
Fakt: Der norwegische Staatsfond verwaltet knapp 1,2 Billionen Euro – etwas weniger als ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsproduktes 2022.
Das Kartell
Aber tatsächlich verfolgen wenige Länder eine ähnlich nachhaltige Strategie wie Norwegen und fallen den dem Ressourcenfluch anheim – das gilt auch zumindest in Teilen für die Mitgliedsländer der OPEC. Die OPEC ist die selbst ernannte Organisation der ölexportierenden Länder. Die Vereinigung hat die Maximierung der Gewinne aus dem Ölgeschäft ihrer aktuell 13 Mitgliedsländer (Algerien, Angola, Äquatorialguinea, Gabun, Iran, Irak, die Republik Kongo, Kuwait, Libyen, Nigeria, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela) zum Ziel. Um die Gewinne der Mitgliedsländer zu maximieren, wird je nach Marktsituation, das Angebot an die globalen Nachfrager erhöht oder verringert. Dabei sprechen sich die Mitgliedsländer ab und koordinieren ein Angebotsvolumen, bei dem die Mitgliedsländer den höchst möglichen Gewinn erzielen. In der Volkswirtschaftslehre spricht man hier von einem Kartell. In der Theorie kann ein perfekt koordiniertes Kartell Monopolgewinne erzielen – und diese dann unter den Mitgliedern aufteilen. Das geht zulasten der Nachfrager, denn sie müssen unter Monopolbedingungen höhere Preise zahlen und erhalten im Gegenzug ein geringeres Volumen, häufig auch einhergehend mit einer minderen Qualität.
Nun gelten diese aus der Sicht des Kartells optimalen Bedingungen in der Realität nicht ganz. Denn es gibt auch noch andere Akteure, die nicht in dem Kartell organisiert sind. Zu nennen sind untere anderem die USA und Norwegen – aber auch Russland hat in der Vergangenheit in einem signifikanten Umfang zum globalen Angebot an Ölprodukten beigetragen. Seit dem Inkrafttreten der westlichen Sanktionen wird die russische Ölproduktion zumindest offiziell nur noch zu sehr geringen Höchstpreisen durch Einkäufer in den G7-Staaten berücksichtigt. So werden dem russischen Aggressor dringend benötigte Einnahmen vorenthalten – allerdings stärkt diese richtige und wichtige Entscheidung gegen Russland indirekt leider die Marktmacht des OPEC-Kartells.
Fakt: Die OPEC-Länder fördern etwa 30 Prozent des globalen Ölangebotes. Die Mitgliedsländer des Kartells verfügen über drei Viertel der weltweit vermuteten Erdölreserven.
Die Entscheidung
Die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entstandene Unruhe auf den internationalen Energiemärkten haben zu hohen Gewinnen bei den Energieexporteuren geführt. Nun hatten sich Markt und Preise wieder erholt und stabilisiert – was nicht zuletzt auch die Einnahmen der ölfördernden Länder gesenkt haben dürfte. Die OPEC hat nun auf diese Entwicklung durch eine drastische Senkung der eigenen Fördermenge reagiert. Das heißt: Das Angebot an den Weltmärkten sinkt um knapp 4 Prozent. Dadurch steigen zunächst die Ölpreise deutlich. Allerdings dürften sich die wirtschaftlichen Folgen der gesunkenen Ölverfügbarkeit insgesamt deutlich stärker auswirken. Denn wie bereits ausgearbeitet, ist Öl bislang der wichtigste Energieträger. Daher werden auch Sektoren und Wirtschaftsbereiche von einem Ölpreisschock beeinflusst, die auf den ersten Blick nichts mit der Ölverfügbarkeit zu tun haben. Das wiederum führt zu einer generellen Preissteigerung – in anderen Worten Inflation.
Fakt: Steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise haben die Inflationsentwicklung des vergangenen Jahres maßgeblich getrieben.
Liberale Antworten
Diese verfahrene Situation hebt deutlich die Wichtigkeit, aber auch Komplexität von scharfen und umsetzbaren kartellrechtlichen Maßnahmen hervor – auf nationaler Ebene ein absolut liberales Kernthema. Im internationalen Kontext ist der Umgang allerdings weit weniger einfach. Aber auch in der aktuellen Phase gibt es mögliche liberale Antworten:
- Neue Angebotspolitik: Die künstliche Verknappung durch die OPEC-Staaten ist ein herber Schlag gegen die ohnehin taumelnde Weltwirtschaft. Ihr kann man nur durch eine massive Ausweitung des Angebotes begegnen. Das heißt: Maßnahmen, mit denen kurz und mittelfristig die Energieverfügbarkeit gesteigert werden können, sollten ob ihrer Umsetzbarkeit geprüft und dann gegebenen Falls zeitnahe und unbürokratisch genehmigt und umgesetzt werden. Das gilt besonders auch für die zurecht als Freiheits-Energien betitelten Erneuerbaren. Sie ermöglichen ein klimaneutrales und unabhängiges Ausweiten des Energieangebotes.
- Technologieoffenheit: Besonders Deutschland kann es sich eigentlich nicht leisten, bei der Wahl der Energiequellen wählerisch zu sein. Schon heute ist die deutsche Industrie mit den höchsten Strompreisen im G20 Raum belastet – eine zusätzliche Verteuerung der Energie wird den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig belasten. Vor diesem Hintergrund ist die geplante Abschaltung der verbliebenen Atomkraftwerke am 15.04.2023 zumindest fragwürdig. Auch die verbohrte Sperrung gegen eine Erschließung der deutschen Schiefergas- und –ölreserven wirft Fragen auf.
- Liberale Standhaftigkeit: Eine Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Russland ist vor diesem Hintergrund allerdings keine Option. Denn die westliche Welt darf nicht unter dem erpresserischen Druck der Rohstoff- und Energienationen einbrechen. Das würde erneut gefährliche Abhängigkeiten schaffen und potenziellen zukünftigen Partnern die falschen Signale senden
- Handel ausbauen: Vor diesem Hintergrund sollte stattdessen die Vertiefung neuer Partnerschaften vorangetrieben werden. Beispielsweise könnte durch einen Ausbau der Handelsbeziehungen mit den Ländern des Mercosurs zusätzliche Energieressourcen für den europäischen Verbraucher erschlossen werden. Das gilt sowohl kurzfristig im fossilen Kontext – als auch langfristig mit nachhaltigen Energieimporten basierend auf Wasserstoff, E-Fuels und klimaneutralem Ammoniak.
Es ist überraschend und bedauerlich, dass die OPEC ihre Förderquoten nun verringern will. Es ist sogar beunruhigend, dass diese Entscheidung nur eine gute Woche nach dem Eintritt Saudi-Arabiens, einem besonders wichtigen OPEC-Mitgliedsland, in das chinesische Shanghai-Handelsbündnis getroffen wird. Es steht zu befürchten, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des Angebotsrückgangs auch das westliche Werte- und Wirtschaftssystem torpedieren und verunsichern soll. Aber wir sind gut beraten, nicht von unserem gemeinsamen europäischen und transatlantischen Kurs abzuweichen. Stattdessen sollten wir das Aufgebehren der OPEC-Staaten als das lesen was es ist: Der Aufstand des fossilen Zeitalters gegen die langsame Drift in die Bedeutungslosigkeit – der Ressourcenfluch frisst seine Kinder!
Maximilian Luz Reinhardt ist Referent für Wirtschaft und Nachhaltigkeit am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
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