Zum Geburtstag
Wolfgang Gerhardt wird 80
Es war kein Zufall: Im März 1989 schrieb der damalige Hessische Minister für Wissenschaft und Kunst Dr. Wolfgang Gerhardt ein Vorwort zu einem besonderen Buch, dessen Erscheinen er selbst maßgeblich angeregt hatte. Sein Titel: “Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49”. Es ist eine wunderbare Publikation. Das Exemplar, das mir Wolfgang Gerhardt geschenkt hat, steht in meiner kleinen privaten Büchersammlung auf einem Ehrenplatz. Es ist ein Kompendium aller gewählten Mitglieder des Parlaments der Frankfurter Paulskirche in der Revolutionszeit 1848/49 — mit Bildporträts und Lebensläufen, Mitgliedschaften in Ausschüssen und Fraktionen sowie politischen Zusammenfassungen und Bewertungen. Ein großartiges kleines Meisterwerk.
Wolfgang Gerhardt weiß eben, wo seine politische Heimat liegt: in der stolzen Tradition des bürgerlichen Liberalismus, die ihren ersten Höhepunkt vor genau 175 Jahren in der Frankfurter Paulskirche erlebte. Aus diesem Anlass der Erinnerung hat er jüngst auch als Ehrenvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Mai des Jubiläumsjahres 2023 ein Treffen im Weingut Hallgarten im Rheingau initiiert, das in der Zeit des Vormärz Johann Adam von Itzstein gehörte, einem der großen frühliberalen Wegbereiter der Paulskirche und schließlich deren gewähltes Mitglied. Es war ein bewegendes Erlebnis, in der grandiosen Weinlandschaft des Rheingaus der großen Persönlichkeiten des deutschen Liberalismus zu gedenken, die sich als “Hallgartner Kreis” regelmäßig trafen und den liberalen Wandel in der ganzen Breite ihrer neuen Ideen vorbereiteten, von Heinrich von Gagern bis Friedrich Hecker.
Bürgerlicher Liberalismus und liberale Bürgerlichkeit — das sind in der Tat die Schlüsselbegriffe, wenn es darum geht, den Politiker Wolfgang Gerhardt richtig zu verstehen und einzuordnen. Vor allem seine Reden, die er im Zuge seiner politischen Laufbahn hielt, atmen die gelassene Entschlossenheit eines Mannes, der tief in den freiheitlichen Linien der Tradition Deutschlands verwurzelt ist. Sie belegen auch die hohe Sprachkultur des gebildeten Bürgers, die er über Jahrzehnte im parlamentarischen Leben und als Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit gepflegt hat. Ihre Rhetorik ist von literarischer Qualität. Wer das Glück hatte, sie mündlich zu hören, spürte zudem die Leidenschaft und den Nachdruck des Vortrags, vor allem in der politisierten Atmosphäre großer, vollbesetzter Räume, Säle und Hallen. Besonders beeindruckend waren natürlich seine Reden als FDP-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag sowie als FDP-Vorsitzender bei Parteitagen. Es gelang ihm immer wieder, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und, wenn nötig, behutsam zusammenzuführen. Die liberalen Freunde folgten ihm aus Überzeugung, die politischen Gegner zollten ihm großen Respekt.
Genau so muss die Debattenkultur in der Demokratie aussehen. Es geht um den zivilisierten Vortrag und Austausch von Argumenten — und nicht, wie leider allzu häufig in der modernen Medienwelt, um den billigen Effekt. Wolfgang Gerhardt, der bürgerliche Liberale und liberale Bürger, ist und bleibt darin ein großes Vorbild. Zu seinem 80. Geburtstag gratulieren wir herzlich.
Alles Gute, ad multos annos!
Ein Liberaler mit Stil und Leidenschaft
Ein Artikel verfasst von Karl-Heinz Paqué und Thomas Volkmann zum 80. Geburtstag von Wolfgang Gerhardt