Münchner Sicherheitskonferenz
Die Hilflosigkeit der Internationalen Sicherheitspolitik umkehren
Nachdem die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) letztes Jahr pandemiebedingt nur virtuell stattfand, wird es dieses Jahr wieder physische Zusammentreffen von Staatsfrauen und -männern aus aller Welt geben. Trotz wesentlich kleinerer Zusammensetzung als von früheren Münchner Sicherheitskonferenzen gewohnt, strahlt die Konferenz unverminderte Symbolkraft aus. Diplomatischer Austausch und Vereinbarungen werden hinter verschlossenen Türen getroffen, die öffentlichkeitswirksame Bühne der MSC wird üblicherweise für Statements und große Gesten genutzt. Das zeichnet sich für dieses Jahr bereits im Vorfeld ab, beispielsweise in der angekündigten Abwesenheit namhafter russischer Delegierter.
Ein Thema: Die akute Ukrainekrise
Neben dem aktuellen Konflikt mit Russland um die Ukraine und die Sicherheitsarchitektur in Europa drehen sich die Themen um weitere sicherheitspolitische Hotspots in Afghanistan, Mali und der Sahelzone, am Horn von Afrika und am Arabischen Golf. Im globalen Systemwettbewerb mit China steht insbesondere der indopazifischen Raum und strategische Schwachstellen beispielsweise im Technologiesektor – Stichwort Lieferkettenengpässe und Halbleiterindustrieproduktion – im Fokus. Klimasicherheit und der Umgang mit der globalen Gesundheitskrise werden erörtert, der Grundtenor liegt vor allem auf der (Wieder-) Befähigung internationaler Organisationen und zumindest für die nordatlantischen und europäischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Stärkung des Sicherheitsbündnisses NATO und der Rolle der EU. Sowohl innerhalb der NATO als auch als Akteur in internationalen Handels-Wirtschafts-und Sicherheitsbeziehungen. Symbolisch werden die EU-NATO-Beziehungen auch in der Preisverleihung des diesjährigen Ewald-Kleist-Preises zur Auszeichnung herausragender Beiträge für internationale Konfliktbewältigung und Verständigung dargestellt: NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg ist Preisträger, die Laudatio und Verleihung wird von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgeübt.
Weiterführung diplomatischer Konfliktlösung der Ukraine-Krise?
Das erste Mal seit zwanzig Jahren wird es keine russische Delegation auf der Münchner Sicherheitskonferenz geben. Präsident Putin besuchte die Konferenz einmalig 2007, wo er seine berühmte „Munich Speech“ hielt (für viele der Wendepunkt russischer Außenpolitik und der Beziehungen Russlands und der NATO). Seit 2010 wird Russland durch Außenminister Lavrov repräsentiert (mit Ausnahme von Medvedev 2016). Dieses Jahr wird demonstrativ kein russischer Repräsentant vertreten sein; zum einen bedingt dadurch, dass der russische Covid-19-Impfstoff in der EU nicht anerkannt wird und ein voller Impfstatus Bedingung für die Teilnahme an der Konferenz ist. Das russische Außenministerium hat außerdem erklärt, dass sich die Konferenz aus Sicht Russlands zunehmend in ein transatlantisches Forum verwandele und ihre inklusiven Charakter und die Objektivität verloren habe. Die jüngste Krise mit Russland schwingt in der Entscheidung mit. Damit werden sich am Wochenende in München keine Weiterführung der Gespräche ergeben.
Hoffnung auf Stärkung des Multilateralismus
Vieles ist neu auf der diesjährigen MSC: Die Zahl der Teilnehmenden und Veranstaltungen ist um zwei Drittel reduziert, langjähriger Vorsitzender und Leiter der Konferenz Botschafter Wolfgang Ischinger wird seine Position an den früheren Botschafter Christoph Heusgen abgeben, die russische Delegation glänzt durch Abwesenheit, die USA wird erstmalig mit Vizepräsidentin Kamala Harris durch eine Frau vertreten und die deutsche Bundesregierung ist zum ersten Mal in Ampelkoalition vor Ort. Sicherheitspolitisch wurde die Konferenz bereits durch das NATO-Verteidigungsministertreffen, den EU-Afrika-Gipfel und der gestrigen Entscheidung des französischen Truppenabzugs aus Mali durch Präsident Macron eingeleitet. Die Münchner Sicherheitskonferenz rühmt sich gerne als Plattform für diplomatische Konfliktlösung. Es bleibt abzuwarten, ob sie dem Motto 2022 „Turning the Tide: Unlearning Helplessness“ gerecht werden und in bi-und multilaralen Treffen und Diskussionsrunden ein Ort für neue sicherheitspolitische Impulse sein kann.
Die Young Security Conference auf der MSC
Neben dem offiziellen Programm der MSC im Bayerischen Hof, bieten zahlreiche Side Events der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit, an außen- und sicherheitspolitischen Debatten teilzunehmen. Im diesjährigen Rahmenprogramm wird die Young Security Conference (YSC) in einem Side Event die Frage diskutieren, wie scheinbar konkurrierende Paradigmen z.B. Freihandel und Klimaschutz oder Entwicklung und Nachhaltigkeit miteinander in Einklang gebracht werden können, um die durch die Ursachen des Klimawandels verursachten Instabilitäten abzumildern. Unter dem Titel Crop Apartheid? Rethinking Geoeconomics and the Unintended Consequences of the EU's Structural Power werden internationale Expertinnen und Experten im Amerikahaus München diskutieren.
Die YSC ist eine Initiative eines internationalen Kooperationsnetzwerks aus deutschen und französischen Stiftungen, Thinktanks, Universitäten und universitätsnahen Institutionen.
Das Landesbüro Bayern der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sowie die Thomas-Dehler-Stiftung sind Partner der ersten Stunde und bringen sich maßgeblich in der Gestaltung und die Netzwerkarbeit der jährlich stattfindenden Konferenz ein.
Die EU am Scheideweg: Strategische Autonomie als strategisch versierte Souveränität
Die Ukrainekrise zeigt, dass die EU ihre Sicherheitspolitik überdenken muss. Obwohl sich die EU zu "strategischer Autonomie" verpflichtet hat, stößt ihr Streben auf zahlreiche konzeptionelle und praktische Hürden. Die EU muss als Schutzschild für ihre Mitglieder konzipiert werden, der entschlossener aufgebaut und flexibel eingesetzt werden kann.
Jalta oder Helsinki? Der Westen muss die Antwort geben
Niemand wünscht sich Krisen. Und schon gar niemand wünscht sich Kriege. Wenn sie aber konkret drohen, helfen sie gelegentlich, auch das Denken zu schärfen, wirtschaftlich und politisch. Eine jüngste Publikation von Timothy Garton Ash ist der beste Beleg dafür, und zwar im Fall der von Putin provozierten Ukrainekrise. Welches Leitbild zählt international, das der Einflusssphären oder das der souveränen Staaten selbst?