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Portugal
„Liberalismus für alle"

Roadmap der portugiesischen Liberalen
Iniciativa Liberal

Iniciativa Liberal

© picture alliance / NurPhoto | Nuno Cruz

In Portugal regiert seit vielen Jahren Premierminister Antonio Costa mit seiner Mitte-Links-Partei Partido Socialista - seit den letzten Wahlen sogar mit einer absoluten Mehrheit im Parlament. Doch auch neue Kräfte verändern die politische Landschaft: Die liberale Partei in Portugal ist eine wahre Erfolgsgeschichte: erst 2017 gegründet, hat es die „Iniciativa Liberal“ geschafft, schon im zweiten Anlauf die Anzahl seiner Parlamentsmandate von eins auf acht zu erhöhen. Die Partei hat sich dringend notwendige wirtschaftliche Reformen und die Entbürokratisierung der politisch bis vor kurzem stark stagnierenden Staatsverwaltung auf ihre Fahnen geschrieben. Den Liberalen gelang es, acht Abgeordnete zu stellen. Braga, Porto, Lissabon und Setúbal waren die Bezirke, in denen die Partei Mandate erringen konnte. Die Iniciativa Liberal trat bei dieser Wahl auf Basis nur eines Sitzes im Parlament an – dem Abgeordneten João Cotrim de Figueiredo, der auch Parteivorsitzender ist.

Das Madrider Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) hatte jüngst die Gelegenheit, ein Interview mit Rui Rocha, dem Vorsitzenden der portugiesischen liberalen Partei Iniciativa Liberal (IL) zu führen, der zu Beginn dieses Jahres ins Amt gewählt worden ist.

FNF: Neuesten Umfragen zufolge würde die Partei sogar 9,5% der Stimmen bekommen. Was sind die Schlüsselfaktoren für den Aufstieg der IL in der politischen Landschaft Portugals?
Rui Rocha:
Iniciativa Liberal wurde 2017 mit dem Ziel gegründet, Portugal strukturell umzugestalten und dabei den Bürgern mehr politische, wirtschaftliche und soziale Freiheit zu ermöglichen. IL hatte schon in ihrem frühen politischen Programm offen dargelegt, dass das Land einen kleineren und effizienteren Staatsapparat benötige, der die Taschen seiner Bürger nicht unnötig belaste. IL hat sich für einen innovativen politischen Ansatz und eine transparente Kommunikation entschieden, in deren Mittelpunkt die Verteidigung der Freiheit steht. Die Partei hat stets versucht, den Bürgern vor Augen zu halten, dass das Lebensprojekt eines jeden Einzelnen sich nur fernab von jeglicher Art von Autoritarismus, Social Engineering und einem paternalistischen und allgegenwärtigen Staat verwirklichen lässt. So musste IL zum Beispiel einem Frontalangriff der veröffentlichten Mainstream-Meinung standhalten, als sie sich gegen die ausufernden Regeln und Einschränkungen des sozialen Lebens im Kampf gegen die Pandemie aussprach. Damals wurden unter dem Vorwand der Wahrung der öffentlichen Gesundheit die grundlegendsten individuellen Rechte und Grundfreiheiten der Bürger untergraben. IL ist es gelungen, dem Versuch der beiden größten Parteien, Partido Socialista (PS) - der portugiesischen Mitte-Links-Partei, eine Schwesterpartei der deutschen SPD, und der konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD) standzuhalten, als es während der Pandemie bspw. um den Versuch ging, die Verfassung zu ändern.

IL hat sich auch konsequent dem allgemeinen Diskurs entgegengestellt, wonach es unmöglich sei, die Lohnsteuer zu reduzieren oder der gesamten Bevölkerung echten Zugang zu Gesundheit und Bildung mit Wettbewerb zwischen öffentlichen, privaten und sozialen Anbietern - bei gleichzeitiger Wahlfreiheit für die Bürger - zu garantieren. Wir sind als IL auch standhaft geblieben, als wir als einzige gegen die Re-Nationalisierung der portugiesischen Fluggesellschaft Tap Air Portugal (TAP) waren und für ihre Privatisierung stimmten. In etwas mehr als fünf Jahren hat IL eine nachhaltige politische Plattform errichtet, ohne Demagogie und ohne extremistische Ideen. Und genau dieser Plattform haben sich die Portugiesen angeschlossen, weil sie einfach diesen dreifachen Fatalismus von wirtschaftlicher Stagnation, Verarmung und Massenabwanderung ablehnen. Heute erkennt die portugiesische Bevölkerung an, dass die politische Alternative zum Sozialismus unweigerlich in Richtung IL zeigt.


Ende Januar sind Sie auf dem Parteitag der IL zum Parteivorsitzenden gewählt worden. Welche grundlegenden Aktionslinien und Ziele haben Sie für Ihr Mandat festgelegt?
Ich habe für dieses Mandat den Slogan „Liberalismus für alle” gewählt, denn genau das ist meine Vision für die Partei und das Land. Unser Ziel ist es, den Liberalismus in jenen Teilen der Bevölkerung zu verbreiten, denen liberale Ideen eher fremd sind oder die ihnen skeptisch gegenüberstehen. Somit wird IL im ganzen Land wachsen und letztlich dem seit 1976 in Portugal existierenden Zwei-Parteien-System, das nicht in der Lage gewesen ist, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand zu garantieren, ein Ende setzen. Hierfür erstellt IL gerade praktische Vorschläge, die das alltägliche Leben der portugiesischen Bevölkerung verbessern werden. Des Weiteren halten wir an unseren wichtigsten Vorschlägen fest. Dazu gehören u.a. die Einführung eines Pauschalsatzes für die Einkommenssteuer (IRS in der portugiesischen Abkürzung, Anm. der Verfasserin), Privatisierungen, Entbürokratisierung und Vereinfachung von Vorgängen in der staatlichen Verwaltung, die Liberalisierung des Transport- und Wohnungsmarktes, aber auch die Suche nach konkreten Antworten auf die Probleme der ökologischen Nachhaltigkeit. Portugal hat aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht sehr turbulente Zeiten erlebt. Im letzten Jahr hat die von der Sozialistischen Partei geführte Regierung die demokratischen Institutionen in Verruf gebracht und infolge aufeinanderfolgender rechtlicher und ethisch verachtenswerter Vorfälle ein hohes Maß an politischer Instabilität geschaffen. IL möchte dies ändern. Wir möchten uns als politische, wirtschaftliche und soziale Alternative zur Sozialistischen Partei etablieren. IL wird an allen Wahlen teilnehmen, um ihre politische Präsenz zu stärken. In diesem Jahr werden wir bei den Wahlen ins Regionalparlament der portugiesischen Inselgruppe von Madeira gewählt werden und wir sind zuversichtlich, dass unsere Stimme auch im nächsten Jahr in Brüssel zu hören sein wird, wenn wir nämlich bei den kommenden Europawahlen mindestens einen Sitz erlangen werden.
 

Was kann IL Ihrer Meinung nach auf europäischer Ebene einbringen und/oder von anderen liberalen Parteien vor allem in jenen Bereichen lernen, die traditionell für die Familie der Liberalen von grundlegender Bedeutung sind, wie z.B. Bildung, Menschenrechte, Wirtschaft und Freihandel? 
IL ist klar pro-europäisch und ein Verfechter aller Freiheiten. Für uns ist die EU eine immense Quelle von beruflichen, akademischen, geschäftlichen, kulturellen und persönlichen Chancen. Wir sind der Meinung, dass die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) eine zentrale Rolle in der Diskussion über den Platz und die Zukunft Europas in der Welt einnehmen muss. ALDE ist eine politische Familie, in der unterschiedliche Empfindlichkeiten zusammenkommen, die nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen sind. Aber wir müssen uns dieser Herausforderung stellen. Die Europäer müssen ALDE als kohärente und solide Plattform wahrnehmen; eine Plattform mit klaren Prinzipien und eindeutigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen, die voll und ganz der liberalen Idee entsprechen. Was die europäischen Institutionen betrifft, so steht außer Zweifel, dass nur eine Stärkung der ALDE im Sinne der Verbreitung des Liberalismus - und über konkrete Politik durch Renew Europe - eine tatsächlich liberale und differenzierte Alternative zu anderen im Europaparlament vertretenen politischen Familien darstellen kann. IL ist stets bereit, einen Beitrag zur gemeinsamen liberalen Sache zu leisten. In diesem Zusammenhang können wir z.B. unsere Kenntnisse und erfolgreichen Erfahrungen aus Portugal weitergeben, um Parteien in anderen Ländern zum Erfolg zu verhelfen und letztlich die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa stärken.

In erster Linie müssen wir aber am Ideal der Freiheit festhalten. Alle an unserem gemeinsamen Projekt beteiligten Parteien müssen sich diesen Zielen verschreiben und ihre jeweilige interne politische Agenda etwas in den Hintergrund schieben. Nur so können wir auf den Ideen anderer aufbauen und gute Praktiken von jenen Ländern übernehmen, in denen die Umsetzung des Liberalismus schon weiterentwickelt ist.

Odilia Abreu ist Projektmanagerin für das Mittelmeer-Dialog Projekt der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Madrid.