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Nachrruf
Torsten Wolfgramm: Liberaler Parlamentarier und Connaisseur erster Güte

Torsten Wolfgramm ist im Alter von 83 Jahren verstorben
Torsten Wolfgramm und Walter Scheel am 10.1.1991 bei Sitzung der FDP-Bundestagsfraktion im Bundeshaus.
Torsten Wolfgramm und Walter Scheel am 10.1.1991 bei Sitzung der FDP-Bundestagsfraktion im Bundeshaus.

„Es ist mir nicht egal, was ich wann und wo mit wem speise.“ Wer Torsten Wolfgramm vor Augen hat, weiß, dass dieser Satz in der Festschrift für seinen Freund Martin Bangemann nicht nur auf diesen gemünzt war. Wolfgramm selbst war kulinarischen Genüssen durchaus zugeneigt. Das gehört zu den wenigen Dingen, die über ihn in der Öffentlichkeit kolportiert worden. Ansonsten war er eher für seine Diskretion bekannt und dafür, dass er selbst nicht in die Öffentlichkeit drängte. Vielmehr wirkte er lieber hinter den Kulissen und das mit Bravour.

Der gebürtige Berliner, in Niedersachsen politisch sozialisiert, wurde als Fast-Noch-Neumitglied der FDP 1968 in den Göttinger Stadtrat gewählt. Seitdem war die Legislative der politische Ort, wo er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Seit 1974 im Bundestag wurde er 1978 parlamentarischer Geschäftsführer und nahm damit eine Schlüsselstellung ein, von der aus auch in der FDP manche große politische Karriere begann, siehe etwa Wolfgang Mischnick oder Hans-Dietrich Genscher.

Doch Torsten Wolfgramm hat die damit verbundene Außenwirkung nicht angestrebt, er zog die Stellung des „getreuen Eckart“ vor und wurde sowohl für den langjährigen Fraktionsvorsitzenden Mischnick als auch den FDP-Vorsitzenden Bangemann eine unerlässliche Stütze. Erst als beide nicht mehr im Amt waren, ließ er sich überzeugen, zum Parlamentarischen Staatssekretär „aufzusteigen“, um den Bonner „Novizen“ Rainer Ortleb in seinem Ministeramt zu unterstützen. Im vergleichsweise „jugendlichen“ Alter von 56 gab er alle seine politischen Funktionen und Ämter auf.

Das galt dann auch für die Friedrich-Naumann-Stiftung, wo er 1982 zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden war. Das geschah in einer für die Stiftung doppelten Umbruch-Situation: Einerseits wechselte damals der Vorsitz von Hans Wolfgang Rubin zu Ralf Dahrendorf, andererseits blieben die Stiftung und ihre Arbeit nicht unberührt von dem auch innerparteilich heftig diskutierten Koalitionswechsel, den die FDP im Herbst dieses Jahres vollzog. Und da der Vorsitzende Dahrendorf weiterhin seinen internationalen Verpflichtungen nachging, bedurfte es auch im Stiftungsvorstand eines „getreuen Eckarts“ vor Ort, eine Rolle, die Torsten Wolfgramm auf den Leib geschneidert war. Und als Wolfgang Mischnick 1987 auf Dahrendorf an der Stiftungsspitze folgte, wollte er auf die guten Dienste von Wolfgramm nicht verzichten, zumal auch er im Zuge der Wiedervereinigung dem Stiftungsvorsitz zunächst weniger Aufmerksamkeit als geplant widmen konnte.

Der überzeugte Liberale Torsten Wolfgramm gehörte also zu jenen Politikern, die gerade in einem parlamentarischen System mit seinen vielen divergierenden Kräften für einen möglichst reibungslosen Ablauf der Politik so wichtig sind. Divergierende Kräfte zusammenzuführen, sei es in der Fraktion, sei es in der Koalition und im Parlament – oder in der Stiftung – gehörte zu seinen Spezialitäten. Er hat sich zweifellos um den aus liberaler Sicht so eminent wichtigen Parlamentarismus überaus verdient gemacht.

Erinnert werden muss aber auch an sein jahrzehntelanges Engagement in der Villa Vigoni, wo er bis zuletzt darum kämpfte, dass der deutsch-italienische Dialog wenigsten auf den Feldern von Kultur, Kunst und Wissenschaft ungetrübt sich entfalten konnte, wenn er schon politisch so schwierig geworden war. Insofern ist Torsten Wolfgramm ein Musterexemplar des kultivierten Bürgers gewesen, der politisches Engagement und die „schönen Dinge“ unter liberalen Auspizien in sich vereinte. Die Stiftung wird sein Andenken ehren.