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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Venezuela
Die Blindheit der Linken

Von Chávez über Maduro landete Venezuela in der Katastrophe - wirtschaftlich, humanitär, politisch. Das war voraussehbar, aber Intellektuelle im Westen ignorierten den sozialistischen Niedergang.
Anhänger versammeln sich, um den venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro im Präsidentenpalast

Anhänger von Maduro versammeln sich im Präsidentenpalast.

© picture alliance / Anadolu | Sinan Dogan

Es kam in Venezuela, wie es kommen musste: Dem wirtschaftlichen Desaster folgt das Ende der Demokratie - mit massiven Fälschungen von Wahlergebnissen und einem Machthaber Maduro, der nicht weichen will. Die Opposition hat dies brillant aufgedeckt. Sie wird angeführt von der liberalen Partei Vente Venezuela mit ihrer charismatischen Frontfrau María Corina Machado sowie dem Präsidentschaftskandidaten Edmundo Gonzáles. Es steht nun die sozialistische Diktatur Maduros gegen einen demokratischen Liberalismus, dessen eindeutiger Wahlsieg - noch - unterdrückt wird. Man kann nur hoffen, dass dies ein gutes Ende nimmt - mit einem Sieg der Demokratie.

Es ist an der Zeit, aus der "Causa Venezuela" eine zentrale Lehre zu ziehen. Diese lautet: Es ist eine fatale Illusion zu glauben, dass ein Land mit einem sozialistisch-planwirtschaftlichen Programm und dessen Umsetzung, also ohne feste Verankerung in der Marktwirtschaft, auf Dauer demokratisch bleibt. Venezuela hat es vorgemacht.

Das überaus ressourcen- und ölreiche Land war - gemessen an der Wirtschaftsleistung pro Kopf - in den sechziger und siebziger Jahren die reichste Nation Lateinamerikas und in der Welt des Wohlstands in der globalen Spitzengruppe. Mit der sogenannten bolivarischen Revolution des Hugo Chávez schaltete das Land dann um auf eine Planwirtschaft mit stark egalitären Elementen, die in der Linken des Westens begeisterte Anhänger fand, und zwar selbst unter namhaften Ökonomen wie Joseph Stiglitz, dem ehemaligen Chefökonomen der Weltbank und Nobelpreisträger. Er pries das wirtschaftliche Wachstum und die sozialen Errungenschaften der Chávez-Regierung in höchsten Tönen, auch wenn sie erst durch massiv steigende Öl- und Rohstoffpreise möglich wurden und stets mit hohen Haushaltsdefiziten, massiver monetärer Expansion und bereits galoppierender Preisinflation verbunden waren.

Ähnliche Töne stimmten prominente Sozialdemokraten und linke Intellektuelle an, so Jeremy Corbyn, Naomi Klein, Jesse Jackson und Bernie Sanders. Sie alle standen zu dem Modell Venezuelas, auch noch lange nach dem Tod von Hugo Chávez, als ab 2013 Maduro regierte und die volkswirtschaftlichen Eckdaten immer katastrophaler wurden: von der galoppierenden Inflation zur Hyperinflation, von den sozialen Wohltaten zur Verbreitung bitterster Armut, von der Staatswirtschaft in die massive Korruption. Am schlimmsten dabei die Wanderungsbilanz der Nation mit heute 31 Millionen Einwohnern: in der "bolivarischen" Ära Chávez & Maduro haben fast acht Millionen Menschen das Land verlassen, und zwar nicht nur in Richtung USA, sondern auch nach Argentinien - einer Nation, die selbst ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten in der peronistischen Ära bei weitem nicht ausschöpfte.

Ein Desaster! Genau deshalb wollen die Menschen in Venezuela eine Regierung mit liberaler marktwirtschaftlicher Orientierung. Die Chance dazu ist erstmalig da - mit den jüngsten Wahlen, wenn sie denn zu einem demokratischen Wechsel führen. Bemerkenswert dabei, dass die globale politische Linke dazu betreten schweigt, zum Teil allerdings auch wie zum Beispiel die Regierung von Lula in Brasilien den Wechsel sogar fordert und damit unterstützt.

Die "Causa Venezuela" sollte für die politische Linke insgesamt eine umfassende Lehre der Selbsterkenntnis sein. Es geht nicht, wie die sonst üblichen Ausreden der Linken glauben machen, um eine eher zufällige Abweichung vom "wahren" Sozialismus, der immer noch auf seine Umsetzung wartet. Es geht stattdessen um ein weiteres verheerendes Beispiel des Versagens der dirigistischen Planwirtschaft, von denen die Geschichte der letzten Jahrzehnte voll ist. Es wird Zeit, dass diese Lektion gelernt wird - auch im "kapitalistischen" Westen, wo linke und rechte Populisten den Schuldigen für die verbleibenden Probleme der Menschheit allzu leicht in der Marktwirtschaft suchen. Ein verhängnisvoller Fehler.