Corona
Bewusst, gefasst, krisenfest
Viele Umfragen erforschen die Angst der Menschen vor dem Corona-Virus eher abstrakt: Hat man Angst vor Ansteckung? Glaubt man, dass es bald einen Impfstoff geben wird? Glaubt man, dass das Gesundheitssystem die Herausforderungen meistern wird? Wie bewertet man die Arbeit der Regierenden und anderer Verantwortlicher in der Krise?
Wir haben es mal anders versucht: Ein ganz wesentlicher Faktor bei der gesellschaftlichen Bewältigung der Corona-Krise ist die Frage, ob und inwieweit die Menschen sich in ihrem täglichen Leben belastet fühlen und wie sie persönlich mit den Auswirkungen der Pandemie auf ihr konkretes Leben umgehen. Deshalb haben wir die Menschen gefragt, wie es ihnen geht, was ihnen beim Leben im Krisenmodus fehlt, ob sie sich in ihrem Leben eingeschränkt fühlen und wenn ja: worin.
Im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit befragte dimap in den vergangenen Tagen 1.007 repräsentativ ausgewählte Personen zu den Corona-bedingten Einschränkungen im Alltag. Wichtigstes Ergebnis: Eine Mehrheit lässt sich den Spaß am Alltag nicht verderben und lässt sich durch die Angst vor einer Infektion nicht lähmen. Zwar sagen nur 22 Prozent der Befragten uneingeschränkt, sie fühlten sich durch Corona nicht belastet und lebten ihr Leben weiter wie vorher – aber weitere 29 Prozent sagen, sie fühlten sich eher unbelastet. Insgesamt 48 Prozent sind anderer Auffassung und stimmen „eher nicht“ (29) oder „gar nicht“ (19) zu.
Die Fähigkeit zum Umgang mit Einschränkungen
Eine deutliche Mehrheit sieht das Ganze sehr differenziert: Zusammen mehr als drei Viertel der Befragten stimmen der Aussage „voll“ (56 Prozent) bzw. „eher“ (23) zu, sie fühlten sich in ihren persönlichen Freiheiten eingeschränkt, könnten aber gut damit umgehen – und vor allem die weiblichen Befragten teilen diese Meinung. Ein Fünftel der Befragten sieht das für sich allerdings anders. Die Freiheitseinschränkungen werden also als notwendig akzeptiert. Gleichzeitig sind sie aber für insgesamt 42 Prozent der Befragten ein Thema, die sagen, sie verlören dadurch „voll“ (17 Prozent) oder „eher“ (25 Prozent) den Spaß am Alltag.
12 Prozent der Befragten sagen uneingeschränkt, sie hätten starke Angst vor einer Corona-Infektion und hätten deshalb ihre Freizeit-Aktivitäten rigoros eingeschränkt; weitere 24 Prozent stimmen dieser Aussage für sich „eher“ zu. Diese Auffassung ist mit steigendem Alter der Befragten stärker vertreten. Insgesamt 64 Prozent stimmen der Aussage eher nicht (31) oder gar nicht (33) zu.
Dinge vermissen – aber wissen, warum…
Dass die Menschen die Notwendigkeit von Einschränkungen einsehen, heißt nicht, dass sie die früher gewohnten, aber in Corona-Zeiten nicht möglichen sozialen Aktivitäten nicht vermissten. Aber auch hier zeigen die Befragten in der sehr großen Mehrheit eine beachtliche Stress-Resilienz.
Ganz vorn bei den Sehnsüchten der Menschen stehen Urlaubsfahrten: Insgesamt 48 Prozent der Befragten, und vor allem die 18 bis 39-Jährigen sowie die Bezieher höherer Einkommen, vermissen sie sehr stark (25) oder stark (23), weitere 24 Prozent vermissen sie „etwas“.
Insgesamt noch etwas stärker, aber nicht ganz so intensiv vermisst werden Familienfeiern – und zwar von 47 Prozent sehr stark (20) oder stark (27) und von weiteren 29 Prozent „etwas“. Dabei fällt auf: Bei den Befragten über 65 ist die Zahl wesentlich geringer.
Mensch kommt vor Event
Interessant: Stärker als der Verzicht auf viele klassische Events scheinen Beeinträchtigungen des sozialen Faktors für viele Menschen derzeit schwer zu wiegen: Insgesamt 44 Prozent – und dabei besonders weibliche Befragte - leiden unter Social Distancing und vermissen Umarmungen sehr stark (20) oder stark (24), weitere 27 Prozent vermissen sie etwas. Insgesamt noch stärker, und zwar von insgesamt 45 Prozent sehr stark (19) oder stark (26), und überproportional bei den weiblichen Befragten, werden Essenseinladungen mit bzw. bei Freunden vermisst – und weitere 32 Prozent vermissen sie „etwas“. Die Zahlen derjenigen, die sehr stark oder stark klassische Events, wie Live-Konzerte (31 Prozent), Sportveranstaltungen mit Publikum (21 Prozent) oder Volksfeste bzw. Kirmesveranstaltungen (23 Prozent) vermissen, ist dagegen deutlich geringer. Die Möglichkeit, in Verein, Fitnessstudio oder ähnlichem Sport zu treiben, vermissen 11 Prozent sehr stark, 19 Prozent stark – allerdings ist die Quote unter den jüngeren Befragten deutlich höher.
Nur von relativ wenigen vermisst werden „Party / Clubbing“ – erstaunlich genug, wenn man die allgemeine Diskussion über Disziplinlosigkeiten in Großstädten vor Augen hat. Allerdings ist die Zahl derer, die hier etwas vermissen, unter den jüngeren Befragten und den Personen in Großstädten wesentlich höher. Und auch einige Möglichkeiten sozialer Interaktion werden nur in geringem Ausmaß vermisst: die Möglichkeit zum Dating insgesamt nur von 16 Prozent der Befragten (und dies ohne größere Unterschiede in den Altersgruppen) und die Flurgespräche mit KollegInnen nur von 22 Prozent. Aber vielleicht liegt das daran, dass sie trotz Corona ohnehin weiter durchgeführt werden?
Zu unserer Umfrage spielte auch Focus Online einen Artikel, diesen finden Sie hier.