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US-Wahlen
Biden rüstet sich zum Angriff

Joe Biden führt nach neusten Umfragen das Feld der demokratischen Bewerber an

Direkt nach seiner dreieinhalbminütigen Videobotschaft galt Biden als heißer Kandidat in einem überfüllten Feld der demokratischen Präsidentschaftsbewerber. Derzeit haben 20 weitere Trump-Herausforderer ihre Kandidatur bekannt gegeben – eine Rekordzahl.

In 34 nationalen Umfragen, die von Oktober 2018 bis Anfang April 2019 durchgeführt wurden, führt Joe Biden vor dem linksgerichteten Senator Bernie Sanders und der Senatorin Elizabeth Warren.

Doch die parteiinterne Konkurrenz ist groß und bis zur entscheidenden Phase des Rennens ist es noch lange hin. In dieser Zeit kann viel passieren. Die Frage ist allerdings, ob die Demokraten Biden als Moderaten und Mann der Mitte akzeptieren können. Denn alle Experten sehen in dem ehemaligen Vizepräsidenten derzeit die beste Chance, die wichtigen älteren weißen Wähler in den Rust Belt-Staaten (Michigan, Pennsylvania und Wisconsin), von denen viele 2016 Donald Trump gewählt haben, zurückzugewinnen.

Die Frage, die sich jetzt auch den demokratischen Parteianhängern stellt, ist, ob sie sich in den Vorwahlen im nächsten Jahr für die ideologische Reinheit des linken Parteiflügels entscheiden, oder eher den Pragmatismus des gemäßigten Flügels bevorzugen.

Reicht Bidens Erfahrung und Ansehen um die demokratische Nominierung zu erringen?

Das Kandidatenfeld ist linker und jünger als je zuvor. Im Vergleich gilt der gemäßigte Biden als Fossil der demokratischen Partei. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Demokraten gerade jetzt jemanden aus dem Establishment brauchen, um Trump im Herbst 2020 zu schlagen. Aus dem Weißen Haus hört man sogar, dass Biden der Kandidat ist, den Trump am meisten fürchtet.

In einem Feld von demokratischen Bewerbern, die die Partei scharf nach links ziehen, kann Biden, der einen Ruf als Demokrat der Mitte hat, sich gut unterscheiden, indem er eine weitaus zentristischere und auf die traditionelle demokratische Wählerschaft ausgerichtete Botschaft verbreitet. Biden wird von vielen Demokraten als derjenige gesehen, der möglicherweise in der Lage ist, die Politik der Regierung Obamas wiederherzustellen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das die demokratischen Wähler überhaupt wollen.

Mit beinahe 50 Jahren politischer Erfahrung kann Biden argumentieren, dass er besser auf das Regieren vorbereitet ist. Aber dieses Argument könnte auch als Schwäche ausgelegt werden. Biden ist kein frisches Gesicht. Viele der Positionen, die er früher vertreten hat, sind heute nicht mehr beliebt. 

Gelingt der dritte Versuch?

Zudem kandidierte Biden schon zweimal (1988 und 2008) erfolglos für die Nominierung der demokratischen Partei. Kann sein dritter Versuch gelingen? Eine weitere Angriffsfläche ist sein Alter. Die demokratische Basis im Land ist jung, multikulturell und zunehmend progressiv. Biden ist ein alter weißer Mann. Wenn er die Wahl gewinnen würde, wäre er bei Amtsantritt 78 Jahre alt. Der bisher älteste US-Präsident war Ronald Reagan, der zum Zeitpunkt seiner Wiederwahl fast 74 Jahre alt war.

Außerdem wurde Biden kurz vor der Verkündung seiner Kandidatur mit Vorwürfen mehrerer Frauen konfrontiert, die ihm übergriffiges Verhalten vorwerfen.

Eine weitere Herausforderung ist, dass Biden wohl von Anfang an negative Presseberichterstattung bekommen wird. Die „Mainstream-Medien“ halten ihn für eine langweilige Geschichte. Die linksliberalen Medien werden sein politisches Profil für nicht links genug halten. Dies erinnert ein wenig an die Medienberichterstattung über Hillary Clinton im US-Vorwahlkamp 2016.

Um auf Platz eins zu bleiben, muss Biden seine Schwächen positiv darstellen und zu jüngeren Wählerschichten und Minderheiten Vertrauen aufbauen. Aber vor allem muss er seine Überzeugungskraft einsetzen, um die demokratischen Wähler davon zu überzeugen, 2020 gegen einen allzu ideologischen Jungstar zu stimmen, der gegen Präsident Trump keine Chance hätte. Am Ende muss sich die Partei entscheiden zwischen ideologischer Reinheit oder Wahlsieg. Viele Beobachter vermuten, dass beides zusammen nicht möglich ist. 

 

Hanna Rudorf, Communications Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit