Südafrika
"Wie viele Mandelas muss es geben, um den Populismus zu stoppen?"
Nelson Mandela, neben Mahatma Gandhi und Martin Luther King, gilt als eine der großen inspirierenden Ikonen des 20. Jahrhunderts. Dabei wird oft vergessen, dass diese Männer, zu ihrer Zeit, als Kriminelle, Aufrührer und – im Falle von Nelson Mandela – als Terroristen angeprangert, verfolgt und eingesperrt wurden.
Die Werte, für die Nelson Mandela stand und die er so eloquent bei seinem Gerichtsprozess 1964 vortrug und verteidigte – Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit – stehen heute in Südafrika wieder unter Druck. Diese urliberalen Werte, für die Mandela international gefeiert wird, werden zunehmend von seinen politischen Erben infrage gestellt.
Die unmittelbare Geschichte Südafrikas und der Übergang von der Apartheid hin zur Demokratie sind Gegenstand vielfältiger Meinungen. Unzählige Bücher, Artikel, Filme und Aufzeichnungen aus unterschiedlichsten Perspektiven, von Mandela selbst bis hin zu Vertretern der Apartheidregierung, internationalen Diplomaten und diversen politischen Akteuren. Ein Beispiel für diese Meinungsvielfalt sind die von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mitorganisierten Konferenzen in Dakar und Leverkusen, bei denen sich Vertreter der weißen Minderheit mit ANC-Führern Ende der 80er Jahre trafen. Während einige afrikanische Nationalisten diese Treffen als unbedeutend bewerten, sehen liberale Kreise darin einen Schlüssel zum Ende der Apartheid.
Ein gemeinsames Ziel: Das Ende der Rassentrennung
„Der Dakar Prozess“, ein Buch, das leicht verständlich die wichtigsten Hintergründe, Abläufe und Folgen der Dakar Konferenz zusammenfasst. Der Beitrag der liberalen Kräfte zur Überwindung der Apartheid in Südafrika war in der Offiziellen Geschichtsschreibung bisher zu wenig gewürdigt worden. Das vorliegende Buch hilft, dieses Defizit zu überwinden, so Dr. Gabriele Reitmeier in ihrer Rezension des Werkes.
Diese verschiedenen Interpretationen der Geschichte haben auch konkrete Auswirkungen auf das Erbe Mandelas. Viele seiner liberalen Wertvorstellungen werden heute vor allem von der liberalen Oppositionspartei und dem Stiftungspartner Democratic Alliance (DA) in die öffentliche Diskussion eingebracht. Gleichzeitig machen extremistische Populisten wie die Economic Freedom Fighters (EFF) und uMkhonto weSizwe (MK) Mandela für die anhaltende Armut und Arbeitslosigkeit verantwortlich und werfen ihm vor, das Recht auf Privateigentum in der Verfassung verankert zu haben. Diese populistischen Ansichten blenden jedoch die Realität aus: Die anhaltende Armut und Arbeitslosigkeit sind vielmehr das Ergebnis der ausufernden Korruption und Inkompetenz des seither regierenden African National Congress (ANC).
Die jüngsten Wahlen haben die politische Landschaft Südafrikas grundlegend verändert. Der ANC hat seine Mehrheit verloren, und der DA gelang es, bei nahezu gleichem Wahlergebnis wie in den letzten Parlamentswahlen, als stärkste Oppositionspartei Koalitionspartner in der Regierung zu werden. Diese Veränderung eröffnet neue Chancen, die liberalen Prinzipien, die Mandela verkörperte, wieder stärker in den politischen Diskurs einzubringen. Die DA, nun ein bedeutender Teil der neuen Regierung, hat die Möglichkeit, diese Werte in Schlüsselpositionen umzusetzen und eine nachhaltige und gerechtere Gesellschaft zu fördern.
Doch die jüngste Wahl hat gezeigt, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der südafrikanischen Wählerschaft klar für Populismus gestimmt hat. Ein großer Teil der Stimmen, die dem ANC verloren gingen, ging an MK, die Partei von Jacob Zuma, sowie an die EFF unter der Führung von Julius Malema. Beide Parteien, die von ehemaligen ANC-Zöglingen geführt werden, stehen deutlich für populistische Politiken. Dies unterstreicht die zunehmende Verlockung populistischer Versprechungen in der südafrikanischen Politik und zeigt, dass Südafrika sich auf einem gefährlichen politischen Kurs befindet, der nun möglicherweise durch liberale Ansätze und Parteien der Mitte korrigiert werden könnte.
Einen authentischeren Eindruck von Mandela und seinem Vermächtnis als Ikone, Politiker und Mensch bieten die Interviews, die die Stiftung für die Freiheit mit drei führenden südafrikanischen Politikern anlässlich des 100. Geburtstag Mandelas geführt hat. In diesen Interviews wird deutlich, was das Vermächtnis Mandelas heute wirklich für Südafrika bedeutet.
Der Streit um die Deutung der südafrikanischen Zeitgeschichte wird noch viele Jahrzehnte andauern. Es bleibt zu hoffen, dass Mandela zu seinem 200. Geburtstag für seinen Beitrag zum Ende der Apartheid ohne irgendwelche negative Instrumentalisierung gefeiert wird. Neben seinem politischen Wirken sind vor allem auch seine menschlichen Qualitäten vorbildhaft. Mandela überzeugte durch seinen Mut, seine Menschlichkeit und seine kluge Selbsteinschätzung. Seine Worte sprechen für sich:
People tend to measure themselves by external accomplishments, but jail allows a person to focus on internal ones, such as honesty, sincerity, simplicity, humility, generosity and an absence of variety. You learn to look into yourself.
Mandela Day erinnert uns daran, dass der Kampf für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit weitergeht. Es liegt an uns, sein Vermächtnis zu ehren, indem wir diese Werte verteidigen und fördern – heute und in Zukunft.