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Durch das Treffen mit Trump macht sich Kim wieder für Peking interessant

Lars-André Richter, Büroleiter der Stiftung in Seoul, über den kommenden Gipfel in Singapur
USA oder China - Nordkoreas Marktwert steigt für beide.

USA oder China - Nordkoreas Marktwert steigt für beide.

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Dieser Artikel wurde am Mittwoch den 06.06.2018 auf Focus Online veröffentlicht und ist online auch hier zu finden.

Erstmals wird ein US-Präsident den nordkoreanischen Machthaber treffen. Kim Jong-un dürfte es dabei vor allem um eines gehen: Sich durch die scheinbare Annäherung wieder für China interessant zu machen.

Die Geschichte schlägt derzeit Kapriolen in Korea. Und fast keine davon lässt sich mit vertrauten politisch-diplomatischen Kategorien erklären. Das liegt vor allem an den beiden Hauptakteuren, an US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.

Am 12. Juni will man sich in Singapur treffen und einen Versuch wagen, zu reden statt wie bislang zu streiten. Die Weltöffentlichkeit hatte aufgeatmet, als Trump den Vorschlag Pjöngjangs annahm. Natürlich gab es auch Bedenken: Ein Gipfeltreffen dieser Tragweite bedürfe einer sorgfältigen, sich möglicherweise über Jahre hinziehenden Vorbereitung. Absurd waren solche Einwände nicht. Andererseits: Der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel sucht seinesgleichen. Nuklearwaffen sind im Spiel, ein hohes Maß an Unberechenbarkeit auf beiden Seiten, mit China außerdem ein weiterer Akteur, dito mit stattlichem Atom-Arsenal. Pekings Eintreten in einen etwaigen militärischen Konflikt könne, so die Sorge, in einen größeren Krieg münden. Da scheinen vielen politisch und diplomatisch eher unkonventionelle Methoden vertretbar.

Entsprechend groß sind die Hoffnungen, die auf dem Singapur-Treffen liegen, dem ersten zwischen einem amtierenden US-Präsidenten und einem nordkoreanischen Machthaber.

Was hat Nordkorea motiviert, einen Gipfel mit Trump überhaupt erst ins Spiel zu bringen? Was hat das Land motiviert, sich trotz der ersten Absage Trumps zu bemühen, dass der Gipfel doch noch stattfindet?

Die Sanktionen drücken. Der Norden ist international zunehmend isoliert. Aus dieser Lage muss er heraus. Zurückzugreifen scheint er dabei auf den Ansatz der Schaukelpolitik, erprobt in den Jahren des Kalten Krieges zwischen Peking und Moskau, nunmehr reaktiviert, um im Spannungsfeld zwischen Peking und Washington in eine stärkere Position zu kommen. Kim weiß natürlich um den Wettbewerb zwischen USA und China um die Vorherrschaft in Asien. Ein Deal mit Trump – Einstieg in einen Ausstieg aus dem Waffenprogramm gegen Lockerung der Sanktionen beispielsweise – dürfte Peking nervös machen. Und zu einer Verhaltensänderung gegenüber Pjöngjang bewegen.

Trump macht Nordkorea für China wieder wichtig

Dieses Kalkül ist aufgegangen. Kaum hatte Trump einem Treffen mit Kim zugestimmt, änderte sich Chinas Blick auf Nordkorea. China hatte den Nachbarn im Nordosten lange Zeit vor allem als Puffer und williges Objekt der Rohstoffausbeute begriffen. Nun trafen sich Kim und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jingping gleich zweimal innerhalb von sechs Wochen, nachdem in den sechs Jahren zuvor weitgehend Funkstille geherrscht hatte.

Dass Kim nach dem Singapur-Gipfel gleich ins Lager der USA wechselt, muss Xi zwar nicht befürchten. Dennoch ist Nordkoreas Marktwert gestiegen. In Sanktionsfragen etwa könnte Peking Pjöngjang gegenüber fortan wieder Nachsicht walten lassen, auch deshalb, weil sich die Konflikte mit Washington - Stichwort Handelskrieg und südchinesisches Meer - derzeit wieder zuspitzen.

Trump will den großen Auftritt

Nun blickt die Welt nach Singapur. Trump bleibt sich treu. Die Bedenken der Ministerialbürokratie, Teil des verachteten Washingtoner Establishments, wischte er beiseite. Die Rolle des staatsmännischen Statisten, der lediglich einen Vertrag signiert, den eine anonyme Heerschar von Sherpas in zahllosen Nachtsitzungen ausgehandelt hat, ist ihm zu klein. Er sucht das medial groß vermarktbare Zweiergespräch. Und will die Eckpunkte eines Deals persönlich definieren.

Sofort aufgeben wird der Norden seine Waffen und Raketen nicht. Andererseits will er die Lockerung der Sanktionen erwirken, möglichst zeitnah. Die Situation also bleibt äußerst vertrackt. Drei Vorgänger Trumps sind an der Aufgabe, den Knoten zu lösen, gescheitert. Er selbst will es besser machen, ebenfalls  zeitnah, in gut zwei Jahren nämlich beginnt der nächste Kampf ums Weiße Haus.

Lars-André Richter ist Leiter des Büros Korea der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Seoul, Südkorea.

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