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Nachruf
Gerhart Rudolf Baum – ein unbeugsamer Liberaler ist tot

Helmut Schmidt, Gerhart Baum und Hans-Dietrich Genscher

Helmut Schmidt, Gerhart Baum und Hans-Dietrich Genscher

© Archiv des Liberalismus

Mit Gerhart Baum verliert die Bundesrepublik Deutschland einen der bedeutendsten liberalen Politiker des 20. und 21. Jahrhunderts. Er ist einer der letzten Zeitzeugen, die an der Entstehung der Freiburger Thesen von 1971 mitgewirkt haben. Bis zu seinem Tod hat er für deren Verwirklichung gekämpft.

Gerhart Baum kam 1932 in Dresden zur Welt, floh im Februar 1945 mit seiner Mutter aus dem Inferno der brennenden Stadt an den Tegernsee nach Bayern, bevor er 1950 nach Köln umzog. 1954, im Jahr als er sein Abitur ablegte, trat er der Freien Demokratischen Partei (FDP) bei. Er engagierte sich als Vorsitzender der Liberalen Hochschulgruppe und trat sehr konsequent gegen rechtsradikale Tendenzen in der FDP der 50er Jahre ein. 1966 wurde er Bundesvorsitzender der Deutschen Jungdemokraten und wirkte bei der Erneuerung der FDP in den Folgejahren aktiv mit. Im Januar 1968 unterstützte er auf dem Freiburger Bundesparteitag die Wahl von Walter Scheel zum neuen Parteivorsitzenden und organisierte zugleich das legendäre Rededuell zwischen Ralf Dahrendorf und Rudi Dutschke. Als Mitglied des Bundesvorstandes der FDP diskutierte er die Freiburger Thesen, die im Oktober 1971 beschlossen wurden. Baum hatte sich in diesen Jahren des Aufstiegs bereits als einer der führenden Sozialliberalen profiliert, und so war es konsequent, dass er 1972 von Werner Maihofer als Parlamentarischer Staatssekretär ins Bundesinnenministerium berufen wurde. Nach dessen Rücktritt wurde Baum 1978 sein Nachfolger als Minister. Er führte in vielen Punkten der inneren Sicherheit und der Umweltpolitik dessen Linie fort, setzte aber auch eigene Akzente. Besonders prägend war für ihn der Kampf gegen den Terrorismus der Roten Armee Fraktion.

Als im September 1982 die sozialliberale Koalition unter Kanzler Helmut Schmidt beendet wurde, trat er gemeinsam mit den anderen FDP-Ministern von seinem Amt zurück. Im Bundestag und auf dem anschließenden Parteitag in Berlin machte Baum deutlich, dass er – wie einige andere Liberale – die „Wende“ der Parteiführung nicht nachvollziehen konnte. Er blieb aber dennoch in der Partei und wurde sogar zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Seit dieser Zeit war Baum eine der kritischen Stimmen innerhalb der FDP, der immer wieder an Kernthemen des Liberalismus wie Menschenrechte und Datenschutz erinnerte. 1991 legte er seine Parteiämter nieder und engagierte sich für die Menschenrechtsarbeit. So war er von 1992 bis 1998 Leiter der deutschen Delegation in der UNO-Menschenrechtskommission. Seit dieser Zeit arbeitete er eng mit Burkhard Hirsch zusammen, wenn es um Verfassungsbeschwerden wegen der Einschränkung von Bürgerrechten vor dem Bundesverfassungsgericht ging. Diese Arbeit als Anwalt prägte seine letzten Lebensjahrzehnte.

Doch auch die Kultur, vor allem die Musik, lag ihm sehr am Herzen. Lange Jahre war er Vorsitzender des Kulturrats Nordrhein-Westfalen und hat damit die Kulturszene nachdrücklich geprägt und gefördert.

Gerhart Baum war ein vielseitig interessierter Mensch, ein kluger Ratgeber, ein politisches Vorbild und bis zu seinem Tod ein leidenschaftlich engagierter Kämpfer für die Freiheit. Er war ein kritischer Mahner, ein politischer Überzeugungstäter und die soziale Seele des deutschen Liberalismus, der stets für Menschenrechte und Demokratie eintrat. Gerhart Baum, dessen Leben ein Spiegel der deutschen Nachkriegsgeschichte war, wird uns allen fehlen.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
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