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Kreditpaket für Argentinien
Einigung mit dem IWF – Wichtiger Meilenstein für die Wiederauferstehung Argentiniens

Argentiniens Präsident Milei mit der Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds Kristalina Georgieva

Argentiniens Präsident Milei mit der Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds Kristalina Georgieva

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andrew Medichini

Die vorösterliche Bescherung fand in Argentinien am 11. April statt. Nach monatelangen Verhandlungen mit der argentinischen Regierung gab der Internationale Währungsfonds grünes Licht für ein neues Kreditpaket in Höhe von 20 Mrd. Dollar. Auch die Weltbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank kündigten Unterstützungen in Höhe von 12 Mrd. bzw. 10 Mrd. Dollar an. Ein wichtiger Vertrauensbeweis der multilateralen Institutionen für den Reformkurs von Präsident Javier Milei. In einer Fernsehansprache am Abend an das argentinische Volk feierte Milei dann auch entsprechend die Einigung und sich selbst. Deregulierungsminister Federico Sturzenegger verglich auf X die Bedeutung der Einigung gar mit dem Fall der Berliner Mauer.

Kapitalverkehrskontrollen abgeschafft, Wechselkurs flexibilisiert

Erkauft hat sich Milei die angesichts leerer (Devisen-)Kassen dringend benötigten Finanzspritzen mit erheblichen Zugeständnissen bei der von ihm bis zuletzt, zumindest für dieses Jahr, vehement abgelehnten außenwirtschaftlichen Liberalisierung. Die seit 2019 zum Schutz des latent vom Kursverfall bedrohten argentinischen Pesos bestehenden Kapitalverkehrskontrollen wurden bereits ab vergangenem Montag weitgehend abgeschafft. Argentinische Privatpersonen können seitdem wieder unbegrenzt Pesos in Dollar tauschen statt der bisherigen Höchstgrenze von 200 Dollar pro Monat. Ausländische Unternehmen können ab diesem Geschäftsjahr wieder Gewinne an ihre Zentralen ins Ausland transferieren. Zudem wurde das Wechselkursregime am Montag flexibilisiert: Der Peso kann nun zum Dollar in einer Bandbreite von 1000-1400 Peso pro Dollar frei schwanken. Diese Bandbreite wird zudem künftig an beiden Rändern monatlich um jeweils 1% erweitert. Vor Bekanntgabe der Einigung mit dem IWF betrug der offizielle Wechselkurs am Freitag 1074 Peso, der inoffizielle „Dollar Blue“ 1365 Peso. Nach Marktöffnung am Montag stieg der offizielle Wechselkurs auf 1200 Peso, während der inoffizielle auf 1270 Peso zurückging. Die Abwertung des Pesos hielt sich damit in Grenzen, die neuen Bandbreiten wurden von den Märkten nicht ausgetestet, was als Vertrauensbeweis gewertet werden kann. Der argentinische Börsenindex Merval legte überdurchschnittlich um 5% zu, was für die positiven Erwartungen hinsichtlich des Wachstums für die argentinische Wirtschaft spricht.

Diese Liberalisierungsmaßnahmen hatte der sich ja eigentlich als Anarchokapitalist bezeichnende Milei bisher wie der Teufel das Weihwasser gemieden. Dies hatte allerdings weniger ökonomische als politische Gründe. Im Oktober finden in Argentinien Nachwahlen zum Kongress statt, bei der über rund die Hälfte der Sitze in beiden Kammern – Nationalversammlung und Senat – neu entschieden wird. Milei, der bisher mit seiner Partei „La Libertad Avanza“ („Die Freiheit schreitet voran“) in beiden Kammern jeweils nur über rund 10% der Sitze verfügt, hofft auf einen Wahlsieg und damit auf mehr Rückhalt im Kongress für weitere Reformen, von denen er nach eigenen Angaben 3000 im Köcher hat, insbesondere bei den überfälligen Strukturreformen, zum Beispiel bei Steuern, Rentensystem und Arbeitsrecht. Eine aufgrund außenwirtschaftlicher Liberalisierung abwertungsbedingt wahrscheinliche höhere Inflation wollte Milei in diesem Wahljahr unbedingt vermeiden aus Furcht, dass diese seine Glaubwürdigkeit und sein Ansehen bei den Wählern beeinträchtigen könnte.

Chance für mehr Investitionen, EU-Mercosur-Abkommen jetzt ratifizieren

Nun hat der IWF Milei zu seinem eigenen Glück gezwungen. Mit dem Wegfall der Kapitalverkehrskontrollen und der Flexibilisierung des Wechselkurses sind wichtige Hemmnisse für eine wirtschaftliche Erholung Argentiniens aus dem Weg geräumt. Trotz steuerlicher Anreize („RIGI“) hielten sich internationale Investoren bisher mit konkreten Engagements in Argentinien zurück, obwohl das Land attraktive Ressourcen im Energiebereich (Gas, Wasserstoff) und bei Rohstoffen (Lithium, Kupfer) aufweist. Große, und noch mehr mittelständische, Unternehmen fühlten sich von den außenwirtschaftlichen Beschränkungen abgeschreckt, trotz grundsätzlich gestiegenen Interesses an Argentinien seit dem Amtsantritt von Milei.

Umso wichtiger ist es nun, das EU-Mercosur-Abkommen schnellstmöglich zu ratifizieren, damit Argentinien und Deutschland (wie auch die anderen Staaten in beiden Regionen) die Chancen für Handel und Investitionen vollumfänglich nutzen können. Beiden Ländern kommt bei der Ratifizierung eine Schlüsselrolle zu. Argentinien, weil es erkennen sollte, dass das EU-Mercosur-Abkommen und das von Milei angestrebte Freihandelsabkommen mit den USA sich nicht wechselseitig ausschließen, sondern sinnvoll ergänzen können für mehr Wachstum und Investitionen in Argentinien. Deutschland, weil die neue Bundesregierung auf diplomatischem Wege versuchen sollte, Frankreich als den schärfsten Kritiker idealerweise zu einer Zustimmung bzw. zumindest Enthaltung zum Abkommen zu überzeugen, und falls dies nicht möglich sein sollte, mit den freihandelsorientierten Mitgliedstaaten eine qualifizierte Mehrheit für das Abkommen in der EU sicherzustellen. Gerade in geopolitisch und geoökonomisch unsicheren Zeiten benötigt Deutschland neue Freunde in der Welt und kann diese in Argentinien und den anderen Mercosur-Ländern finden.

Dollarschwäche könnte Inflationsanstieg bremsen

Bemerkenswerter Weise könnten ausgerechnet die jüngsten handelspolitischen Turbulenzen in Washington dazu beitragen, dass sich das von Milei so gefürchtete politische Risiko der Einigung mit dem IWF in Grenzen hält. So hat der Dollar in den letzten Tagen als Reaktion auf den von Donald Trump ausgelösten Handelskrieg stark an Vertrauen eingebüßt und damit auch an Bedeutung als Fluchtwährung, zum Beispiel im Vergleich zum Euro oder auch Gold. Der Appetit der Argentinier nach Abschaffung der Umtauschbeschränkungen unbegrenzt Dollar zu erwerben dürfte sich daher in Grenzen halten und damit auch die Gefahr eines deutlichen Anstiegs der Inflation. Zwar ist die Inflation im März im Vergleich zum Vormonat, primär aus saisonalen Gründen, wieder etwas angestiegen (3,7% gegenüber 2,4%), auf Jahresbasis entspricht dies aber immer noch einem Rückgang der Inflation auf 56% gegenüber 211%, die Milei 2023 von der peronistischen Vorgängerregierung geerbt hatte.

Die wichtigste Aufgabe Mileis in den nächsten Monaten bis zu den Wahlen im Oktober wird es nun sein, die Steilvorlage von IWF & Co so umzusetzen, dass die gegenüber der Rezession im Vorjahr begonnene wirtschaftliche Verbesserung die breite Mehrheit der Bevölkerung erreicht. Erste Zeichen stimmen hoffnungsvoll, so ging die Armutsquote zuletzt auf 38% zurück und liegt damit trotz „Schocktherapie“ unter dem von den Peronisten geerbten Niveau.

Weiterhin breite Unterstützung für den Wirtschaftskurs von Milei

Jüngste Umfragen von Analogiás Consultora (noch vor der IWF-Einigung) zeigen, dass trotz der harten Einsparungen und immer noch herausfordernden wirtschaftlichen Lage rund 40% der Bevölkerung hinter dem Kurs von Milei stehen und seine Partei „La Libertad Avanza“ in den Prognosen für die Kongresswahlen mit ca. 30% gleichauf mit der peronistischen Opposition liegt, also deutlich an Mandaten zulegen dürfte. Die Umfragen zeigen aber auch, dass Milei durch den überflüssigen „Libragate“-Kryptowährungsskandal im Februar, für den er sich nun in einem Untersuchungsausschuss im Kongress rechtfertigen muss, an Ansehen eingebüßt hat. So ist eine leichte Mehrheit von 52% der Bevölkerung der Auffassung, dass die Regierung unter Korruptionsproblemen leidet. Die Argentinier lehnen nach einer Umfrage von CEOP zudem mehrheitlich auch den „Kulturkampf“ Mileis im In- und Ausland ab, wie zuletzt wieder bei seinem Auftritt beim World Economic Forum im Januar in Davos vertreten.

Umso mehr Grund eigentlich für Milei, sich jetzt voll und ganz auf die drängendsten wirtschaftlichen Probleme für die Wiederauferstehung Argentiniens zu konzentrieren statt als Messias die Welt erklären zu wollen.

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