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50 Jahre BF
Liane Knüppel: „Ich versuche, mir immer vorzustellen, der andere könnte vielleicht auch recht haben“

Liane Knüppel

Die Begabtenförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit nahm im Herbst 1973 die ersten Stipendiaten auf, im September 1979 hatte Liane Knüppel ihr Auswahlgespräch in der Theodor-Heuss-Akademie.

„Es ist heute vieles noch wie damals“, Liane ist seit 2003 Mitglied im Auswahlausschuss und sucht regelmäßig zweimal im Jahr bei den Auswahltagungen in Gummersbach mit die nächsten Stipendiaten-Generationen aus. Liane hat seit Jahrzehnten in der Stiftung eine zweite Familie gefunden: Nach langjähriger Tätigkeit als Moderatorin und Seminarleiterin war sie VSA-Präsidentin von 2010 bis 2018, gleichzeitig stellv. Vorsitzende des Kuratoriums bis heute und auch Mitglied im Finanzausschuss und im Programmausschuss. Im Interview mit Hannah Hartmann gibt die Diplompädagogin spannende Einblicke in die Stiftungsfamilie.

Hannah Hartmann: Frau Knüppel, wie sind Sie damals auf die FNF aufmerksam geworden?

Liane Knüppel: In den 70er Jahren habe ich in Düsseldorf Mathematik und Physik fürs Lehramt studiert. Die Physik habe ich sehr geliebt, aber ich bin ehrlicherweise an der Mathematik gescheitert. Für die Naturwissenschaftler gab es damals noch keine eigenen Mathe-Vorlesungen. Wir saßen in den Vorlesungen für Mathematiker – also reine Lehre. Als ich bei den ersten Matheklausuren durchfiel, war ich nicht die Einzige, der es so erging: Fast 80 Prozent fielen durch, und das fand ich nicht in Ordnung! Über die Arbeit in der Fachschaft habe ich dann dafür gesorgt, dass die Naturwissenschaftler in Düsseldorf eigene Mathematikvorlesungen bekamen. Ich selbst hatte allerdings nichts mehr davon. Ich war von Düsseldorf nach Bonn gewechselt, nachdem ich mit anderen Studierenden eine unabhängige Hochschulgruppe aufgebaut hatte, die für einen neuen AStA kandidierte.

Dabei musste ich feststellen, dass man ohne feste Organisationsstrukturen und ohne ein Netzwerk mit anderen Gruppen nicht weit kommt. Zum Glück lernte ich schnell den parteiunabhängigen Sozialliberalen Hochschulverband (SLH) kennen. Bei meiner ersten Bundes-MV 1977 in Düsseldorf habe ich dann auch schon meinen Mann Hartmut getroffen, der Vorsitzender des SLH Karlsruhe war. Auf dieser Bundes-MV wurden wir beide zu Bundesvorsitzenden des SLH gewählt, ein Fulltime-Job für ein Jahr in Bonn. Durch viele politische Kontakte auf Bundesebene kamen wir mit den drei damals bestimmenden Parteien in Kontakt, und ziemlich schnell wurde mir klar, dass ich eine Liberale bin.

Im März 1978 wurde ich Mitglied der FDP.

Hannah Hartmann: Sie sind also als Liberale zur FNF gekommen und nicht erst durch die FNF zur Liberalen geworden?

Liane Knüppel: Ja, ich war ja schon FDP-Mitglied, gehörte aber nicht zu der damals aktiven Jugendorganisation, den Jungdemokraten, die auch tonangebend in der Stiftung waren. Ich bin vielleicht u. a. auch deshalb aufgenommen worden, weil ich anders war als die anderen: keine Jungdemokratin. Mit einer kleinen Gruppe von Gleichgesinnten bereiteten wir 1979 und 1980 die Gründung einer anderen Jugendorganisation vor, den Jungen Liberalen.

in der Stiftung fühlte ich mich anfangs wie der kleine Fisch, der in die Gegenrichtung schwimmt, denn ich war dort die erste JuLi.

Im November fand dann in Bonn der Gründungskongress der Jungen Liberalen statt, den ich organisatorisch vorbereitet hatte.

Heute kann ich mit Stolz sagen: Ja, ich bin eine Liberale! Die Idee des Liberalismus passt zu mir und das liberale Lebensgefühl entspricht meinem. Und ich fühle mich bis heute in der liberalen Familie wohl, auch wenn uns oft der Wind ins Gesicht bläst. Manchmal leide ich auch an und mit der Partei, aber das ist in allen Familien so.

Hannah Hartmann: Was hat die Stiftung in Ihrem Leben verändert? Was haben Sie durch die Stiftung gelernt, was Ihnen sonst vielleicht nicht möglich gewesen wäre?

Liane Knüppel: Es ist wie überall im Leben ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Ich habe der Stiftung auch viel zu verdanken. Nach der Kindererziehungsphase konnte ich Anfang der 90er Jahre noch einmal eine Ausbildung machen: Moderationstraining, Rhetoriktraining und Ausbildung zu Fachthemen. Danach habe ich fast 17 Jahre lang Seminare, Tages- und Abendveranstaltungen für die Stiftung, aber auch für andere Institutionen gegeben. Beispielsweise habe ich alle seniorenpolitischen Seminare in den 90er Jahren maßgeblich konzipiert und zum großen Teil auch durchgeführt und Anfang der 2000er Jahre vielen Senioren Theorie und Praxis des Internets nahegebracht.

2006 wurde ich in den VSA-Vorstand gewählt und 2010 zur Präsidentin. Das war mehr als nur ein Ehrenamt, oft sogar ein Fulltime-Job. 2010 berief man mich ins Kuratorium unserer Stiftung.

Hannah Hartmann: Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Aufgaben einer Stiftung wie der FNF?

Liane Knüppel: Sich um Themen wie Menschenrechte, Demokratie und Umwelt zu kümmern. Aber auch Grundsatzfragen zu klären und Themen vorausdenken. Die Stiftung kann für die Liberalen „Gedankenvorarbeit“ leisten, denn wir im Vorstand, im Kuratorium und vor allem im Programausschuss können uns die Zeit nehmen, über Themen nochmal anders und gründlicher nachzudenken. Das ist das eine. Das andere ist, junge Menschen für den Liberalismus zu begeistern, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich in der Stiftung auszuprobieren und sicherlich auch der liberalen Partei nahe zu bringen. Einige der Stipendiatinnen und Stipendiaten von heute werden die Wirtschaftslenker, Unternehmensgründer, aber auch die Parteivorsitzende und Minister von morgen sein. Sie haben mit ihrem Stipendium und der damit verbundenen ideellen Förderung ein besonderes Privileg: Die Chance, neben ihrem Studium Fähigkeiten zu entwickeln und zu trainieren, die sie zu Führungspersönlichkeiten machen.

Wir machen unsere Aufgabe als Stiftung  richtig, wenn wir auch die  jungen, begabten Leute, die dem Liberalismus vielleicht noch etwas ferner stehen, überzeugen und zu liberalen Persönlichkeiten machen.

Hannah Hartmann: Warum fühlen Sie sich der Stiftung noch heute so stark verbunden?

Liane Knüppel: Ich habe mein ganzes Leben lang immer Verantwortung übernommen. Und wenn ich etwas mache und Zeit investiere, dann will ich es auch richtig machen. Außerdem ist ja die Stiftung, wie schon gesagt, meine zweite Familie.

Hannah Hartmann: Und was möchten Sie den aktuellen Stipendiaten noch mitgeben?

Liane Knüppel: Erstens: Immer zuversichtlich bleiben! Es geht immer irgendwie weiter. Es gibt schlimme Phasen im Leben, es gibt furchtbare Täler, aber man kommt da auch wieder raus. Eine Tür geht zu, und eine andere geht auf.

Zweitens: Wenn ich auf meinen Lebensweg schaue, sehe ich eine Straße mit verschiedenen Abzweigungen vor mir. Hier musste ich mich entscheiden, oft auch unter großer Unsicherheit. Hin und wieder bin ich stehen geblieben, habe mich umgedreht und geschaut, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Man muss die Perspektive wechseln. Und wenn man so sein ganzes Leben lang verfährt und auch bereit ist, den Weg zu ändern oder umzukehren, bzw. sich neu zu justieren, dann ist das wunderbar.

Drittens: Glaubt nicht an absolute Wahrheiten. Jeder hat seine Sicht der Dinge, aber versucht immer davon auszugehen, dass Euer Gegenüber vielleicht auch recht haben könnte. Auch ich habe meine Wahrheiten oder meine Weltsicht, aber ich bin so wach und offen, dass ich immer damit rechnen muss, da kommt jemand mit einer neuen Information oder mit einem besseren überzeugenden Argument. Das lässt mich meine Sicht der Dinge immer wieder überprüfen. Das ist anstrengend, aber es hält auch geistig rege. 

 

Liane Knüppel (69)

Diplom-Pädagogin, Stipendiatin 1980 – 1983, VSA-Präsidentin 2010 – 2018, VSA-Ehrenmitglied, stellv. Vorsitzende des Kuratoriums und Mitglied im Finanz- und im Programmausschuss der FNF


Hannah Hartmann studiert Humanmedizin an der Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen und ist seit Oktober 2020 FNF-Stipendiatin. Sie ist Teilnehmerin der Profi Class der Liberale Medienakademie (LMA).