50 Jahre BF
Munkhmandakh Myagmar: „Alle Prinzipien und Werte, die ich heute in meinem Beruf verfolge, stammen aus der FNF-Zeit“
Frau Myagmar hat von 1989 bis 1992 Journalistik an der Universität Leipzig studiert und im Jahr 1998 an derselben Universität promoviert. Damals ist sie Promotionsstipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit geworden. Heute ist die ehemalige Stipendiatin in der Medienforschung, Ausbildung und Advocacy bei dem Presseinstitut der Mongolei als Exekutivdirektorin tätig.
Frau Myagmar, warum Journalismus? Was hat Ihr Interesse an den Bereichen geprägt?
Den Wunsch, Journalistin zu werden, bekam ich von meinem Vater, der als Journalist und Redakteur in einer überregionalen Tageszeitung arbeitete. Wie er wollte ich immer die Erste sein, die alles weiß und weitergibt. Manchmal war ich erlaubt, dabei zu sein, wenn er Interviews gemacht hat. Ich erinnere mich sehr deutlich an unsere Fahrts aufs Land irgendwann im Herbst, wo mein Vater auf einem Erntefeld vor einem Kombiner ein Interview gemacht hat. Ich war auch eine sehr aktive Schulzeitungsredakteurin. Ich nehme an, das war in mir von ziemlich früh an.
Und wie fühlt sich das für Sie heute an?
Als die Mongolei zur Demokratie überging, veränderten sich auch die Medien. Es war mir wichtiger, vielen Journalisten und Medienorganisationen zu helfen und ihnen den Weg zu ebnen, als meine persönliche Karriere als Journalistin zu verfolgen. Deshalb arbeite ich seit über 25 Jahren ununterbrochen in der Mongolei am Presseinstitut. Wir fördern die Pressefreiheit und ich liebe diesen Job.
Wie genau machen Sie das?
Projekte, Trainings, Workshops. Beispielsweise starten wir jetzt mit Earth Journalism Network von Internews ein Projekt zur Stärkung von Umweltjournalismus in der Mongolei. Das ist eine Reihe von Trainings für Umweltreporter, darunter Workshops zu Internetrecherche, Verifizierung und Faktenprüfung, Umweltdatenanalyse, Daten-Storytelling und Mobile Journalism.
Oder noch ein weiteres Beispiel. Zusammen mit der Vereinigung der Mongolischen Richter führen wir eine Reihe von Schulungen für Journalisten zur Verbesserung der Gerichtsberichterstattung durch. Ich leite und berate die tägliche Arbeit bei der Umsetzung dieser Projekte. Das Presseinstitut ist eine Nichtregierungsorganisation, also ich arbeite auch an Fundraising.
Was war das beeindruckendste Ereignis, das Sie in Ihrem Berufsleben hatten?
Vor einem Jahr haben wir das 25-jährige Jubiläum des Presseinstituts gefeiert. Anlässlich dieses Jubiläums haben meine Kollegen die Kellerwände unserer Organisation renoviert und eine Galerie des demokratischen Journalismus geschaffen. Es war eine Ausstellung, die mit Fotos und Archivmaterialien zeigte, wie sich die Medien entwickelt haben, seit sich die Mongolei für ein demokratisches System entschieden hat, und welche Rolle das Presseinstitut bei diesem Wandel gespielt hat. Ich war damals sehr stolz auf meine Kollegen und auf mich selbst.
Und während des Studiums?
Der Fall der Berliner Mauer und die Deutsche Wiedervereinigung. Ich dachte wirklich nicht, dass das alles so schnell passieren würde. Die berühmten Montagsdemonstrationen begannen doch auf dem Leipziger Karl-Marx-Platz. Die Unimensa befand sich direkt am Hauptplatz, so dass ich mit meinen Studienkommilitonen die Zurufe der Demonstranten hören und überhaupt die ganze Atmosphäre direkt miterleben konnte. Während in Deutschland die revolutionären Demonstrationen stattfanden, entstand auch in der Mongolei eine demokratische Bewegung, und die mongolische Studenten in Deutschland unterstützten den Demokratischen Bund, gaben eine Studentenzeitschrift heraus und verbreiteten Informationen über die demokratische Bewegung. Als die Berliner Mauer fiel, kehrten die nordkoreanischen Studierenden übernacht nach Hause zurück. Ich bin dankbar, dass die mongolischen Studierenden bleiben und das Studium fortsetzen durften.
Hat das irgendwelche Herausforderungen mitgebracht?
Unser Lernvorgang hat sich drastisch verändert. Vorher hatten wir einen vorgegebenen Lehrplan. Und dann kamen die Professoren aus dem Westen und wir mussten unseren Studienplan individuell erstellen. Das hat uns mehr Freiheit, aber auch mehr Verantwortung gegeben. Die Schwierigkeit bestand darin, dass wir nicht gelernt hatten, mit einer solchen Freiheit umzugehen. Viele mongolische Studierenden haben damals das Studium abgebrochen, weil uns allen die Fähigkeit fehlte, mit der Entscheidungsfreiheit klarzukommen.
Haben diese Ereignisse Ihre Vorstellung von Freiheit dann auch verändert?
Ich habe gelernt, dass es in der Freiheit nicht darum geht, sich selbst zu verwöhnen, sondern dass man sich bewusst gegen diese Versuchung entscheidet. Es ist die Fähigkeit, Verantwortung für eigene Entscheidungen zu übernehmen und sich für Disziplin zu entscheiden, auch wenn man das Gegenteil wählen könnte. Freiheit und Verantwortung gehen immer zusammen. Dasselbe gilt auch für die Medienfreiheit. Um die Medienfreiheit zu schützen, müssen Journalisten die Rechte anderer respektieren und ethische Standards beachten. In keinem Berufsfeld gibt es grenzenlose Freiheit.
Das Freihat-Konzept fanden Sie aber seitdem motivierend, um sich bei der Stiftung zu bewerben. Welches war Ihr persönliches Highlight während der FNF-Zeit?
Bundestagspraktikantenprogram. Es handelte sich um ein achtmonatiges Programm, das jungen Führungskräften aus vielen Ländern der Welt dabei helfen sollte, das deutsche politische System und die politischen Entscheidungsprozessezu verstehen. Wie hatten die Möglichkeit, nach eigenem Wunsch die Lehrveranstaltungen an der Universität Bonn zu besuchen, die programmatischen Konzepte der politischen Parteien Deutschlands kennenzulernen und als Assistenten der Bundestagsmitglieder die Arbeit des deutschen Parlaments hautnah zu beobachten. Ich hatte damals eine der glücklichsten Zeiten meines Lebens, in der ich lernte und Spaß hatte.
Sie haben erwähnt, dass Menschen aus vielen Ländern dabei waren. Wie sehen Sie die Rolle der Stiftung bei der Unterstützung von ausländischen Studierenden?
Ich habe an vielen Veranstaltungen and Workshops teilgenommen, wo ausländische Promotionsstudierenden dabei waren. Dass zeigt deutlich, dass trotz der großen Unterschiede in Herkunft, Kultur oder Religion, wir alle teilen viele gemeinsame Werte wie Menschlichkeit, Ehrlichkeit, Freundlichket and das Streben nach Wissen. Auch die grundlegende Bedeutung der Medienfreiheit für den Schutz der Menschenrechte. Alle Prinzipien und Werte, die ich heute in meinem Beruf verfolge, stammen aus dieser Zeit.
Fühlen Sie sich der Stiftung auch nach der Förderungszeit noch verbunden?
Natürlich. Wenn ich mich der Stiftung nicht verbunden fühlte, hätte ich doch keine Zeit gefunden für ein solch langes Interview. Ich scherze. Die Stiftung hat mir die wertvollste Zeit gegeben, deshalb bin ich immer dankbar und versuche hilfsbereit zu sein wenn auch immer.
Stehen Sie noch in Kontakt mit anderen Altstipendiaten? Vielleicht sind aus einigen Bekanntschaften Freundschaften geworden?
Durch die Teilnahme am Bundestagspraktikantenprogramm habe ich viele gute Freunde gefunden. Darunter sind Sandra aus Lettland und Ela aus Polen, mit denen ich jahrelang im Briefwechsel war. Leider habe ich den Kontakt mit den beiden verloren. Es wäre wirklich schön, wenn ich die wiederfinden könnte.
Ein Tipp für aktuelle StipendiatInnen?
Enjoy to the fullest.
Daria Koronenko studiert MA Medienwissenschaft an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ist seit März 2020 FNF-Stipendiatin. Sie ist Teilnehmerin der Profi Class der Liberale Medienakademie (LMA).