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Europa
„Renew Europe“: Dacian Cioloș führt die Liberalen an

Dacian Cioloș wurde zum neuen Fraktionsvorsitzenden der Liberalen im Europäischen Parlament gewählt
Dacian Cioloş

Dacian Cioloş der neue Vorsitzende der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament

© picture alliance / dpa

Der ehemalige rumänische Premierminister und EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Cioloș wurde in Brüssel zum Fraktionsvorsitzenden der neu gegründeten liberalen Fraktion „Renew Europe“ gewählt. Er setzte sich mit einer knappen Mehrheit gegen Sophie in 't Veldvon der niederländischen D66 durch. Es ist der höchste politische Posten, den ein Rumäne seit dem EU-Betritt Rumäniens im Jahr 2007 auf europäischer Ebene besetzt.

Mit einer vergleichsweise knappen Mehrheit von 65 der 106 abgegebenen Stimmen setzte sich Dacian Cioloș gegen Sophie in 't Veld durch, nachdem Frederic Federley von der schwedischen Centerpartiet seine Kandidatur kurzfristig zurückgezogen hatte. Der ehemalige rumänische Premierminister Cioloș galt als Favorit des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und pflegt enge Kontakte zu Macrons Partei „En Marche“. Offene Unterstützung erhielt er ebenfalls von den spanischen Ciudadanos und der niederländischen VVD.

Nach der Mandatsübernahme von seinem Vorgänger Guy Verhofstadt sagte Cioloș: "Renew Europe ist mehr als die drittgrößte Gruppe des Europäischen Parlaments, sondern auch eine neue Hoffnung für Europa und für alle Europäer.“ Als Vorsitzender werde er all seine Energie einsetzen, um Renew Europe für alle Bürger greifbar zu machen, damit die Gruppe reibungslos und effektiv funktioniere und konkrete Lösungen für diejenigen biete, die Hoffnung in sie lege, erklärte Cioloș weiter. „Unser Schwerpunkt wird darauf liegen, unseren Bürgern näher zu kommen und ihre legitimen Erwartungen am besten gerecht werden zu können, vom Sozialschutz und Unternehmertum über Klima und Energie bis hin zu Migration, Wettbewerbsfähigkeit und digitaler Transformation." 

In den vergangenen Wochen hatten sich die Hinweise auf Cioloș möglichen Wahlsieg gemehrt, denn die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorangetriebene Reform der EU fand in Cioloș einen der größten Befürworter. Im September vergangen Jahres sorgte ein gemeinsamer Brief mit dem Aufruf zu „Europas Erwachen“ („Reveillons Europe“, den französischen Artikel finden sie hier) für internationales Aufsehen. Er wurde von vielen europäischen Politikern unterzeichnet – unter anderem auch von Dacian Cioloș, Albert Rivera von den „Ciudadanos“ und dem bisherigen ALDE-Fraktionsvorsitzenden Guy Verhofstadt. Der damals ausgesprochene Wunsch fand im kürzlich gegründeten Bündnis „Renew Europe“ – einem Zusammenschluss der ehemaligen Allianz der Liberalen und Demokraten Europas (ALDE), der französischen Renaissance und dem rumänischen Bündnis USR-Plus – sein Endergebnis.

Große Stimmengewinne bei den Europawahlen

Cioloș begann seine politische Karriere in den neunziger Jahren in Brüssel als Experte für Landwirtschaft und wurde 2007 unter dem ehemaligen Premierminister Calin Popescu-Tariceanu zum rumänischen Landwirtschaftsminister ernannt. Zwischen 2010 und 2014 war er EU-Landwirtschaftskommissar. Sein rasanter Aufstieg in der rumänischen Innenpolitik begann im November 2015, als er nach dem Rücktritt des Sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Victor Ponta von Präsidenten Klaus Johannis zum Übergangspremierminister ernannt wurde – ein Amt, das er bis 2017 innehatte. 

Während des Wahlkampfes für die rumänischen Parlamentswahlen 2016 warb sowohl die konservative Nationalliberale Partei (PNL) als auch die neu gegründete bürgerlich-liberale Union zur Rettung Rumäniens (USR) mit ihm als künftigen Premierministerkandidaten. Sein Zögern, während des Wahlkampfes für das eine klare Position zu beziehen, sowie der damals haushohe Sieg der Sozialdemokraten, führten zu großen Unstimmigkeiten. Letztendlich gründete Cioloș im Januar dieses Jahres mit der Hälfte seines ehemaligen Kabinetts die „Partei für Freiheit, Einheit und Solidarität“ (PLUS). Die andere Hälfte seiner ehemaligen Minister war Teil der USR. Die beiden Parteien formten vor den Europawahlen die Allianz 2020 und konnten sich gemeinsam 22,4 Prozent der Stimmen und damit acht der insgesamt 33 Sitze im Europaparlament sichern. Sie lagen nur 0,1 Prozent hinter den Sozialdemokraten mit 22,5 Prozent der Stimmen, die PNL erzielte 27 Prozent. 

Ideologisch ließ Cioloș sich und seine Partei in den letzten Monaten schwer einordnen. Von manchen als zu „links“ und zu „bürokratisch“ kritisiert, spricht sich Cioloș für einen „ethischen Liberalismus“ aus. Obwohl dieses Thema kaum noch behandelt wurde, nahm er jüngst in einem Presseinterview den Gedanken als Option erneut auf.

Kehrt Cioloș doch nach Rumänien zurück?

Seit dem Erfolg von PLUS bei den EU-Wahlen im Mai gilt Dacian Cioloș als chancenreichster Kandidat für die anstehenden rumänischen Präsidentschaftswahlen gegen den amtierenden konservativen Präsidenten Klaus Johannis. Diese Chancen haben sich mit seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden von „Renew Europe“ verbessert. Auch seine Wahlkampagne war als Versprechen so ausgerichtet, dass er sein Mandat in Rumänien wahrnehmen würde. Die Allianz aus USR und PLUS verkündete schon vor Wochen, dass entweder Cioloș oder der USR-Vorsitzende Dan Barna bei der Präsidentschaftswahl antreten werde, doch gäbe es in dieser Frage noch keinen finalen Beschluss. Derzeit berät ein Verhandlungsausschuss beider Parteien über die Kandidatur, aber auch darüber, wie die weitere Zusammenarbeit der Allianz für die kommenden Kommunal- und Parlamentswahlen 2020 aussehen soll.  

Im Inland wurde die Wahl von Cioloș als großer Sieg gefeiert, zumal es der höchste politische Posten ist, den ein Rumäne nach dem EU-Betritt im Jahr 2007 auf europäischer Ebene besetzt. Cioloș selber schrieb in den Sozialen Medien: „Die Präsidentschaft der Renew Europe-Gruppe ist nur ein erster Schritt in dem politischen Projekt, an dem ich in den vergangenen zwei Jahren gearbeitet habe. Es ist ein wichtiger Schritt, aber erst der Anfang. (…).“ Als nächstes komme der interne politischen Aufbau, um den rumänischen Bürgern eine Zukunft zu geben, wie sie sie verdienen, so Cioloș weiter. Ob diese Worte doch noch auf eine Präsidentschaftskandidatur hinweisen, weiß außer ihm zurzeit wohl keiner so genau.

 

Raimar Wagner ist designierter Projektberater für Rumänien und die Republik Moldau