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Das Neue Österreich erneuert Österreich: Warum die Liberalen in der österreichischen Bundesregierung erfolgreich sein werden

Neue Regierung in Österreich

Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen mit Andreas Babler (SPÖ), Christian Stocker (ÖVP) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) in Wien

© Max Slovencik/AFP

Schon vor der Nationalrats-Wahl am 29 September 2024 war klar, was die entscheidende Frage am Tag danach sein wird: Welche Koalition überhaupt noch möglich ist, angesichts des zu erwartenden Mandats-Zuwachs für die Rechtspopulisten?

Die Antwort war ebenso klar: Zwei Altparteien (Christ-und Sozialdemokraten, mit minimalem Mandats-Überhang) und NEOS, die erst 2012 gegründeten Liberalen. Allerdings wurden NEOS nur nach einer wochenlangen Vorverhandlungsphase der Altparteien zu den Verhandlungen geladen, die auch in Folge wenig Interesse an einer reformorientierten Vereinbarung zeigten. Anfang Januar stiegen die Liberalen dann mit einer ebenso kurzen wie klaren Begründung der Parteichefin Beate Meinl-Reisinger genau wegen dieses mangelnden Reformwillens der anderen Parteien aus den Verhandlungen aus. Das war inhaltlich genauso folgerichtig wie politisch hochriskant.

In Folge musste der Bundespräsident Koalitionsverhandlungen zwischen Christdemokraten (ÖVP) und der mandatsstärksten Partei, den Rechtspopulisten (FPÖ) zulassen, etwas das er entgegen der üblichen Vorgangsweise ursprünglich vermeiden wollte. Obwohl als Morgengabe der christdemokratische Kanzler zurücktrat, scheiterten die Verhandlungen bald an den überzogenen Forderungen und dem aggressiven Stil der Rechtspopulisten, insbesondere ihres (An-)Führers Herbert Kickl.

In der Zwischenzeit war die Welt nicht stillgestanden: Trumps Richtungswechsel in der Ukraine wurde auch auf der ‚Insel der Seligen‘ registriert. Und so kam es, dass der neue christdemokratische Parteichef sein liberales Gegenstück anrief und eine Beteiligung an den wiederaufgenommenen Gesprächen der Altparteien anbot: inklusive Ministerium aber ohne inhaltliche Mitsprache bei den Verhandlungen. Das Angebot wurde rundherum abgelehnt um dann innerhalb Stundenfrist wesentlich verbessert erneut vorgelegt zu werden: Zwei Ministerien, ein Staatssekretariat und volle inhaltliche Einbindung. Zwei Wochen später gab es ein Übereinkommen, das auf über 200 Seiten Ziele formuliert, die noch vor kurzem unvorstellbar waren: Bekenntnis zu einem verteidigungsfähigen Europa, Reformen im Bildungs-und Integrationsbereich und Entlastungen für die Wirtschaft um Kosten und Bürokratie zu reduzieren.

Warum sollte diese Regierung mit NEOS als liberaler Beteiligung ein Erfolg werden?

Anders als in Deutschland ist NEOS nicht das dritte Rad am Wagen, sondern steht politisch genau im Zentrum der Koalition. Das heißt, NEOS ist als Ausgleich und als Zünglein an der Waage gebraucht, eine grundsätzliche andere Aufgabe als die undankbare Rolle der FDP. Das bietet NEOS die Möglichkeit, Ideen und Vorschläge für tragfähige Kompromisse einzubringen. Und an Ideen mangelt es Liberalen ja nie;

Dank NEOS ist das Regierungsübereinkommen ein echter Blick nach vorne, es gibt tatsächlich so etwas wie eine Aufbruchsstimmung, die auch von den handelnden Personen vertreten wird. Entsprechend einer alten österreichischen Tradition, dass Veränderung nur von außen kommt, ist das drohende EU-Defizitverfahren dabei ein wichtiger Antreiber Damit so ein Papier im politischen Alltag nicht an Relevanz verliert, ist umso wichtiger welche Personen mit welchen Kompetenzen für die Umsetzung stehen: Beate Meinl-Reisinger als Außenministerin, Christoph Wiederkehr Unterrichtsminister, Sepp Schellhorn Staatssekretär Deregulierung.

NEOS als junge Partei hat eine dünne Personaldecke. Umso verblüffender ist es, dass für die drei Regierungsposten die geradezu perfekten Kandidaten bereitstanden: Beate Meinl-Reisinger ist als begeisterte Europäerin sehr gut eingeführt in der liberalen Familie bis zur EU Außenbeauftragten Kaja Kallas; Christoph Wiederkehr hat als aktueller Bildungsstadtrat von Wien Erfahrung mit dem zentralen Problem des österreichischen Bildungswesens, der Kompetenzaufteilung zwischen Land und Bund; Sepp Schellhorn, der einzige Prominente in der Regierung mit einem starken Social Media Profil, ist als erfolgreicher Gastronom und langjähriger Bürokratie-Kritiker überhaupt die Idealbesetzung. Gerade in seinem Dossier wird er eine starke europapolitische Komponente einbringen, aufbauend auf die von der europäischen Kommission gestarteten Deregulierungs-Initiativen in vielen Politikbereichen.

Es wird sicher nicht leicht, ohne nationale Regierungserfahrung in einem so komplexen politischen Unterfangen wie der ersten Dreier-Koalition des Landes zu reüssieren, aber wenn NEOS wie bisher seine Linie wahrt und die drei Proponenten ihre unbestreitbare Kompetenz ausspielen, dann steht einer erfolgreichen Regierungsbeteiligung nichts im Wege. 

 

Autor: Felix Mittermayer ist Agrar-Ökonom und Experte für europäische Agrarpolitik. Nach seinem Studium der Agrar-Ökonomik in Wien (1992) und einem Master in European Public Administration in Leuven (2003) sammelte er Forschungserfahrung an der TUM Weihenstephan und war im Rahmen des Gedenkdienstes in Auschwitz-Birkenau tätig. Seit 1996 lebt und arbeitet er in Brüssel, unter anderem für die Europäische Kommission, wo er in den Bereichen Agrarpolitik, Lebensmittelsicherheit und Better Regulation tätig war. Zudem war er Mitglied der Task Force Greece (2014). Seit 2017 ist er im Europäischen Parlament im Direktorat für Agrar-, Regional- und Fischereipolitik tätig. Politisch engagiert er sich seit 1999 für das Liberale Forum (LiF) und war von 2019 bis 2024 NEOS International Officer. Seit 2014 ist er aktives Mitglied von NEOS@BXL.

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