liberale Demokratie
Der Zustand liberaler Demokratie in Griechenland und Deutschland
Die Europäische Union steht seit ihrer Gründung für Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Minderheitenrechte. Man sollte also davon ausgehen können, dass eine liberale Demokratie in allen Staaten der EU der mehr oder weniger selbstverständliche Ausgangspunkt für jede Regierung ist. Leider wird diese Vorstellung mehr und mehr zu einer Utopie, die in manchen Mitgliedstaaten sehr weit entfernt scheint.
Als liberale Demokratie werden in der Politikwissenschaft Staaten bezeichnet, deren politische Systeme nach liberalen und demokratischen Grundsätzen gestaltet sind. Sie steht für freie Wahlen, Gewaltentrennung, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, Menschen- und Bürgerrechte, sowie bürgerliche und politische Freiheitsrechte. Werte, von denen man meinen sollte, sie seien innerhalb der EU bedinungslos gewährleistet.
Wenn es um liberale Werte geht, ist Europa kein homogener Raum. Immer wieder kommt es zu Einschränkungen der Rede- und Pressefreiheit, sowie des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit. Obwohl sowohl Griechenland als auch Deutschland als liberale Demokratien gelten, steht jedes Land bei der Aufrechterhaltung und Stärkung seiner demokratischen Institutionen vor einzigartigen Herausforderungen und Chancen.
Griechenland: Ein Kampf für Medienfreiheit und Korruptionsbekämpfung
In Griechenland wurde der Zustand der liberalen Demokratie in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von Faktoren in Frage gestellt, darunter Medienfreiheit und Korruption. In weltweiten Rankings zu Bürger- und Freiheitsrechten schneidet Griechenland immer wieder eher mittelmäßig ab, Tendenz sinkend. In 2022 landete Griechenland auf Platz 108 von insgesamt 180 untersuchten Ländern in Bezug auf die Gewährleistung der Pressefreiheit. In einer vom deutschen statistischen Bundesamt durchgeführten Untersuchung belegt Griechenland den letzten Platz unter allen europäischen Ländern, was die Pressefreiheit betrifft. Es handelt sich um eine Momentaufnahme der Lage der Medienfreiheit, die auf einer Bewertung des Pluralismus, der Unabhängigkeit der Medien, der Qualität des rechtlichen Rahmens und der Sicherheit von Journalisten in jedem Land und jeder Region beruht. Die Meinungsfreiheit wurde auf Platz 84 von 180 Ländern eingeordnet und bei der Sicherung des Rechtsstaatlichkeitsprinzip belegt Griechenland Platz 51 von 180.
Auch die griechische Bevölkerung bemerkt die Defizite in ihrem Land. Schon in einer Umfrage der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit im Oktober 2020 sind die große Mehrheit der Befragten pessimistisch und unzufriden gegenüber des politischen Geschehens in Griechenland gestimmt. Ebenso wird die Fähigkeit der griechischen Regierung Missstände zu beheben als mangelhaft eingeordnet. Zusätzlich gibt die Mehrheit der Befragten an, dass sie der Meinung sind, die Presse werde von der Regierung überwacht und kontrolliert. Dieses Bild hat sich auch in den letzten jahren nicht verändert. Laut des Winter Eurobarometers 2022-23 sehen 88 von 100 Befragten die ökonomische Situation Griechenlands im Moment als „total schlecht“ an. Ebenso geben über 60 aus 100 Befragten an, dass sie eher kein Vertrauen in das nationale Parlament und die Regierung haben.
Die EU Kommission hat in 2022 ihren jährlichen Bericht veröffentlicht, eine Bestandsaufnahme über Medienplualität, Rechtsstaatlichkeit, freie Marktwirtschaft und politische Unabhängigkeit. Zum ersten Mal hat der Medienpluralismus-Monitor eine Gesamtwertung der Mitgliedstaaten eingeführt, die in fünf Risikostufen eingeteilt ist, wobei Bulgarien, Griechenland, Ungarn, Malta, Polen, Rumänien und Slowenien als Hochrisikoländer gelten.
Die Verletzung von Freiheits- und Bürgerrechten in Griechenland häuft sich. Seien es Studenten einer liberalen Studentenbewegung, die bei einer von ihnen organisierten Veranstaltung von Maskierten angegriffen und verletzt werden, Investigativjournalisten, die auf offener Straße erschossen werden oder die Regierung, die politische Gegner und kritische Journalisten überwacht und ausspioniert. Die mangelnde Gewährleistung der Rechte, die in einer liberalen Deomkratie selbstverständlich sein sollten, ist erschreckend.
Deutschland: Politisch motivierte rechte Gewalt und Sicherstellung der Pressefreiheit
Auch in Deutschland kommt es zu Missständen, wenn es um die Sicherung einer liberalen Demokratie geht, auch wenn diese nicht so offensichtlich zum Vorschein kommen, wie in Griechenland.
Deutschland gilt im Allgemeinen als Land mit einer starken und unabhängigen Presse, in dem Medienpluralismus herrscht. In den letzten Jahren wurden jedoch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen der Medienkonzentration und des Rückgangs der Printmedien auf die Vielfalt und Qualität des deutschen Journalismus laut. Immer wieder gibt es zudem Gesetzesinitiativen, die den Informanten- und Quellenschutz bedrohen. Laut der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ fällt Deutschland drei Plätze auf der Rangliste zur Gewährleistung der Pressefreiheit im Vergleich zum Vorjahr zurück und liegt nun hinter Litauen, Jamaika und den Seychellen.
Laut einer Befragung des statistischen Bundesamts in 2021 sind sich die Hälfte der Befragten nicht sicher oder eher dazu geneigt, der Berichterstattung über politisches Geschehen nicht zu vertrauen. 24 Prozent der Befragten sind sogar davon überzeugt, dass die Bevölkerung systematisch von den Medien über politische Geschehnisse belogen wird.
Mit 80 Fällen von Gewalt gegen Journalisten wurde ein neuer Rekord seit 2013 erreicht. Besonders gewalttätig war das Jahr 2020, als Demonstranten, die gegen Coronavirus-Beschränkungen protestierten, wiederholt Journalisten angriffen.
Die Zahl politisch motivieter Kriminalität und Gewalttaten steigt stätig. Die Zahl erreicht einen Höchststand in 2021, wo sie um mehr als 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ansteigt. Rechtsextremismus gilt als die größte extremistische Bedrohung für die Demokratie und die Menschen in Deutschland. 41 Prozent aller Opfer politisch motivierter Gewalttaten wurden rechtsextremisten attackiert. Zudem steigt die Zahl antisemitischer Straftaten weiter an. Die rechtspopulistische und rechtsextreme Partei „Alternative für Deutschland“ propagiert immer wieder Anti-Positionen in der Asyl- und Zuwanderungspolitik, äußert sich abfällig und rassistisch gegenüber Ausländern, in der Familien- und Gesellschaftspolitik werden strak konservative Positionen vertreten. Obwohl die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird, erzielt sie in den Bundestagswahlen 2021 starke Ergebnisse. In jedem Bundesland knackt sie die 5 Prozent Hürde, in Sachen wird sie sogar stärkste Kraft.
Maßnahmen der EU zur Gewährleistung liberaler Demokratie
In der jährlichen Bestandsaufnahme der EU Kommission in 2022 über die Gewährleistung verschiedener Rechte, werden Maßnahmen und Entwicklungen jedes Mitgliedsstaates beschrieben und Empfehlungen für weiteres Handeln gemacht.
Für Griechenland wird unter anderem eine Verstärkung der Bemühngen um eine solide Erfolgsbilanz bei der Strafverfolgung und bei den rechtskräftigen Urteilen in Korruptionsfällen empfohlen. Ebenfalls soll die Einführung gesetzlicher und sonstiger Schutzmaßnahmen zur Verbesserung der physischen Sicherheit und des Arbeitsumfeldes von Journalisten zu mehr Pressefreiheit und Pluralität der Medien beitragen.
In Bezug auf Deutschland empfiehlt die EU Kommission die Fortführung der Pläne zur Einführung eines „legislativen Fußabdrucks“, um die Überwachung und Rückverfolgung aller Interessensvertreter zu ermöglichen, die versuchen, Einfluss auf bestimmte Gesetzestexte zu nehmen. Außerdem soll der Plan zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für ein Informationsrecht der Presse gegenüber Bundesbehörden unter Berücksichtigung der europäischen Standards für den Zugang zu Dokumenten vorangetrieben werden.
Fazit
Eine liberale Demokratie sollte von Freiheit geprägt sein. Die Freiheit der Bürger, ihre Meinung zu äußern, politisch zu antizipieren, zu protestieren und für ihre Werte einzutreten. Aber mit der Freiheit kommt auch eine Verantwortung. Die Verantwortung eines jeden Landes, das sich als liberale Demokratie versteht, die grundlegenden Voraussetzungen und Rechte seiner Bürger für die Freiheit in seinem Land zu garantieren.
Insgesamt stehen zwar sowohl Griechenland als auch Deutschland vor Herausforderungen, wenn es um den Schutz und die Förderung der liberalen Demokratie geht, die beiden Lände sind mit völlig unterschiedlichen Problemen konfrontiert und befinden sich an unterschiedliche Ausgangspunkte zur Erreichung ihrer Ziele. Während Griechenland mit Korruption und Bedenken hinsichtlich der Medienfreiheit zu kämpfen hat, kämpft Deutschland mit dem Erstärken populistischer Kräfte auf die Aufrechterhaltung der Pressefreiheit. Letztendlich werden beide Länder proaktive Schritte unternehmen müssen, um diese Herausforderungen anzugehen und sicherzustellen, dass die liberale Demokratie in den kommenden Jahren weiter gedeiht.
Unsere Praktikantin Frowine Meinel verbrachte 2 Monate im FNF Griechenland und Zypern Büro in Athen. Während dieser Zeit hatte sie Gelegenheit, sich über die politischen Entwicklungen und die neuesten Nachrichten, die Teil der öffentlichen Debatte sind, zu informieren. In diesem Zusammenhang arbeitete sie an diesem Artikel, in dem sie ihre Ansichten zur Lage der liberalen Demokratie in Griechenland und Deutschland darlegte.