Wahlen
Parlamentswahlen in Aserbaidschan: Brennende Gartenzäune und gehackte Facebook-Seiten
Am kommenden Sonntag finden im autokratisch regierten Aserbaidschan vorgezogene Parlamentswahlen statt. Ein Sieg der Regierungspartei „Neues Aserbaidschan“ gilt jedoch als sicher, denn der Präsident Ilham Alijew hat seine Machtbefugnisse in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut, die Rolle des Parlaments beschränkt und regiert das Land mit harter Hand. Mit einem Kurswechsel ist also nicht zu rechnen. Dennoch schaffte es das Land am Kaspischen Meer dieser Tage in die Berichterstattung vieler deutscher Medien. Nicht aber aufgrund der bevorstehenden Wahlen – vielmehr ging es um das mutmaßlich bezahlte „pro-aserbaidschanische Verhalten“ einer deutschen Politikerin.
Vorgezogene Parlamentswahlen und feststehendes Wahlergebnis
Am kommenden Sonntag bewerben sich 19 Parteien und zahlreiche „unabhängige“ Kandidaten bei den ursprünglich für Herbst geplanten Parlamentswahlen um 125 Direktmandate. Rund 5,2 Millionen Aserbaidschaner sind wahlberechtigt. Doch auch wenn Aserbaidschan mit viel Geld für Lobby-Arbeit und der Austragung internationaler Großveranstaltungen versucht, das Image des Landes zu verbessern – die Wahlen werden aller Voraussicht nach nicht anders verlaufen als vorhergehende: undemokratisch. Schon bei den Präsidentschaftswahl 2013 verkündete die App der Zentralen Wahlkommission beispielsweise den Sieg von Amtsinhaber Ilham Alijew bereits einen Tag zuvor, fünf Jahre später stellten die OSZE-Wahlbeobachter bei der Präsidentenwahl schwerwiegende Unregelmäßigkeiten fest und die Pressekonferenz musste nach lautstarken Protesten regierungstreuer Journalisten unterbrochen werden.
Die Regierungspartei wird auch bei dieser Wahl wieder die Mehrheit erzielen, einige der Regierungspartei nahestehende „unabhängige“ Kandidaten werden als pseudo-demokratisches Feigenblatt ins Parlament einziehen. Es hat keinen freien und fairen Wahlkampf gegeben, Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind nicht vorhanden, einige Oppositionsparteien boykottieren die Wahl aufgrund des restriktiven Umfelds gänzlich. Präsident Alijew hatte die vorgezogenen Wahlen nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Nowruz Mammadow im Oktober 2019 angesetzt. Regierungsvertreter bezeichnen ein vorzeitig erneuertes Parlament als notwendig, um eine umfangreiche „Reformagenda“ umzusetzen. Wie diese politischen und wirtschaftlichen Reformen aussehen sollen, ist gänzlich unklar. Eindeutig ist jedoch, dass es sich wohl kaum um liberale und demokratische Reformen handeln wird. Auch spielt das Parlament nur eine begrenzte Rolle im politischen System des Landes, da die meisten Befugnisse in den Händen des Staatspräsidenten Alijew liegen. Westliche Beobachter vermuten hinter der Neuaufstellung des Parlaments eine geplante Machtverschiebung hin zu Personen, die Mehriban Alijewa – der Ehefrau des Präsidenten und die erste Vizepräsidentin – nahestehen. Dieses Kalkül würde in das System der weiteren Stärkung der Familiendynastie Alijew passen. Ilham Alijew regiert das Land seit 2003, nachdem er das das Amt von seinem Vater übernahm, der zuvor zehn Jahre an der Macht war. Seine Ehefrau fungiert seit 2017 als seine Stellvertreterin. Nach mehreren Verfassungsänderungen wurde die Amtszeit von fünf auf sieben Jahre verlängert und die Begrenzung auf eine bestimmte Anzahl von Wahlperioden aufgehoben.
Brennende Gartenzäune und gehackte Facebook-Seiten
Die Partnerpartei der Stiftung für die Freiheit – Musavat – nimmt mit 60 registrierten Kandidaten an der vorgezogenen Parlamentswahl teil. In einigen Bezirken wurde ihnen die Registrierung jedoch verweigert. Dahinter wird der Versuch vermutet, die Zahl der Kandidaten zu begrenzen, um der Partei den Zugang zum öffentlichen Fernsehen, und damit zur Medienberichterstattung, zu verwehren. Zusätzlich sieht sich Musavat mit absurden Schikanen und Vorfällen konfrontiert. Zäune von Musavat-Unterstützern sollen von Regierungsanhängern in Brand gesetzt worden sein und der Musavat-Parteichef Arif Hajili, der in der Hauptstadt Baku kandidiert, berichtete nach Wahlkampfreisen, dass Anhänger und Interessierte daran gehindert wurden, an Versammlungen teilzunehmen, diese unter ständiger Beobachtung gestanden hätten und Restaurants und Cafés, in denen die Versammlungen stattfinden sollten aus unerklärlichen Gründen zu machen mussten. Die Facebook-Seiten der Partei seien gehackt und geschlossen worden, Wahlplakate der Partei wurden beschädigt oder abgerissen.
Internationale Wahlbeobachter vor Ort
Auf offizielle Einladung der Regierung der Republik Aserbaidschan hat das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für die vorgezogenen Parlamentswahlen eine Wahlbeobachtungsmission mit 30 Langzeitbeobachtern und 350 Kurzzeitbeobachtern entsandt. Wenn die Wahlbeobachter am 10. Februar ihre vorläufigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen verkünden werden, stellt sich eigentlich nur die Frage, ob es im Vergleich zu früheren Wahlen irgendwelche Verbesserungen gegeben hat und ob Empfehlungen umgesetzt wird. Es ist davon auszugehen, dass sie zu folgenden Ergebnissen kommen werden: zahlreiche Unregelmäßigkeiten, keine Meinungsvielfalt, kein echter Wettbewerb, Manipulationen, Mangel an Transparenz – also eine Wahl unter einem repressiven System und Gesetzen, die elementare Rechte und Freiheiten einschränken. Und sicher wird auch die Opposition wieder von Wahlbetrug sprechen – und trauriger Weise wird all das niemanden wirklich überraschen.
Korruptionsvorwürfe gegen Bundestagsabgeordnete
Vielmehr als die bevorstehenden Wahlen, stand in den vergangenen Tagen allerdings das Verhalten der CDU-Abgeordneten Karin Strenz und ihre Beziehungen nach Aserbaidschan im Fokus der deutschen Medienberichterstattung.
Am 30. Januar hob der Bundestag die Immunität der Politikerin auf, kurz darauf durchsuchten BKA-Beamte ihre Wohnung und ihr Büro im Bundestag. Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wegen Bestechlichkeit. Schon lange wunderte man sich im Südkaukasus über das – gelinde gesagt – äußerst unkritische Verhalten von Karin Strenz, ehemalige Vorsitzende der Südkaukasischen Parlamentariergruppe im Bundestag – gegenüber den Verhältnissen in Aserbaidschan und ihrer Nähe zum autokratischen Präsidenten Ilham Alijew. So bezeichnete sie als Wahlbeobachterin Wahlen in Aserbaidschan als korrekt – im starken Gegensatz zu den Einschätzungen anderer internationaler Wahlbeobachter. Auch als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), der sie bis 2017 angehörte, stimmte sie regelmäßig zugunsten der aserbaidschanischen Regierung ab. So war sie beispielsweise die einzige deutsche Abgeordnete, die gegen eine Resolution zur Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan stimmte. Laut Menschenrechtsorganisationen gibt es in Aserbaidschan rund 130 politische Gefangene und erst Ende Januar machte PACE auf die Situation in dem Land aufmerksam: „Es besteht kein Zweifel mehr, dass Aserbaidschan im Zusammenhang mit politischen Gefangenen ein Problem hat und dass dieses auf strukturelle und systemische Ursachen zurückzuführen ist“, heißt es in einer Mitteilung der Parlamentarische Versammlung des Europarates. Die Behörden müssten dringend gewährleisten, dass eine unparteiische Stelle mutmaßliche Fälle untersuche, und „grundlegende Reformen“ umsetze, um die Verpflichtungen des Landes gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention zu erfüllen. Der PACE-Geschäftsordnungsausschuss hatte 2018 wegen schwerwiegender Verletzungen der Verhaltensregeln ein lebenslanges Hausverbot für den Europarat und die Parlamentarische Versammlung gegen Karin Strenz verhängt. Als Kaviar-Diplomatie werden die Versuche bezeichnet, mit denen Aserbaidschan kritische Berichte über die Menschenrechtslage und Wahlen – teilweise erfolgreich – zu verhindern versuchte.
Peter-Andreas Bochmann ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Südkaukasus mit Sitz in Tbilisi.