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River Conference
"Blut und Wasser fließen nicht gleichzeitig": Südasiens Flüsse bergen politischen Sprengstoff

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© FNF South Asia

Das Wasserabkommen zwischen Indien und Pakistan hat bereits viele Konflikte überstanden: Seit mehr als sechs Jahrzehnten regelt das Indus-Abkommen die Nutzung des Indus und seiner Nebenflüsse zwischen den beiden Ländern – ungeachtet der regelmäßigen Grenzstreitigkeiten und militärischen Krisen, die auf den Beziehungen der zwei Atommächte lasten. Nun aber steckt der Vertrag in einer tiefen Krise: Indiens Regierung beklagte Anfang des Jahres in einer offiziellen Mitteilung an Pakistan eine "wesentliche Vertragsverletzung" – und forderte die Regierung in Islamabad zu Verhandlungen über eine Neufassung des Abkommens auf.

Beobachter halten es für höchst unwahrscheinlich, dass sich Pakistan auf Indiens Wünsche einlässt – und sehen das Wasserabkommen in ernster Gefahr. Ein Scheitern des Vertrages,

der lange als einer der wenigen funktionierenden Bestandteile des angespannten Verhältnisses beider Staaten galt, könnte Auseinandersetzungen um Wasserressourcen zum weiteren Konfliktherd in der Region machen. Bereits 2016 hatte Indiens Regierungschef Narendra Modi als Reaktion auf einen Anschlag damit gedroht, Pakistans Zugang zu beschneiden: "Blut und Wasser können nicht gleichzeitig fließen", sagte er damals[1].

Die Auswirkungen von Wasserkonflikten und Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf Südasiens politische Stabilität stehen im Zentrum der Konferenz "Rivers as Lifeline for South Asia", die das Südasien-Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung am 15. und 16. März in Nepals Hauptstadt Kathmandu ausrichtet. Thema der Veranstaltung werden zudem die wirtschaftliche Bedeutung der Flüsse für Hunderte Millionen Einwohner sein sowie die Folgen des Klimawandels für die Lebensadern der Region.

Mit Blick auf die Debatte um das Indus-Abkommen ist das Thema hochaktuell. Hintergrund des Gezerres um den 1960 abgeschlossenen Vertrag sind Konflikte zwischen Indien und Pakistan über Wasserkraftprojekte – und Uneinigkeit in der Frage, welche Konfliktlösungsmechanismen in der Frage greifen sollten. Die potenziellen Folgen sind gravierend: Ein Zusammenbruch der Hydrodiplomatie zwischen Indien und Pakistan könnte "zu einer weiteren Verschlechterung der bilateralen Beziehungen führen und möglicherweise den hart erkämpften Waffenstillstand in Kaschmir gefährden", kommentiert Daniel Haines, der an der University of Bristol zur Umweltgeschichte Südasiens forscht[2].

Bei der FNF-Flüssekonferenz in Nepal diskutieren unter anderem der Wasserkonfliktexperte Srinivas Chokkakula vom indischen Centre for Policy Research und der aus Pakistan stammende Politologe Hassan Abbas über das Thema. Ziel der Konferenz ist es, einen Beitrag zur Förderung der regionalen Diplomatie und der multilateralen Zusammenarbeit zu leisten, um künftig mögliche Konflikte um Wasserressourcen zu vermeiden.

Weshalb grenzüberschreitende Kooperationen bei der gemeinsamen Wassernutzung von zunehmender Bedeutung sind und wie sich Meinungsverschiedenheiten friedlich lösen lassen, ist in Südasien nicht nur für das indisch-pakistanische Verhältnis eine drängende Frage: Für politischen Sprengstoff sorgen auch chinesische Wasserkraftpläne, die in Südasien Sorgen vor einer Verschlechterung der Wasserversorgung wecken.

Vor zwei Jahren präsentierte die Regierung in Peking einen Plan, der besonders große Verunsicherung auslöste: In der Himalaja-Region Tibet will sie das größte Wasserkraftprojekt der Welt errichten, das künftig eine Rekordleistung von 60 Gigawatt liefern soll. Das Projekt am Fluss Yarlung Tsangpo, der in Indien Brahmaputra genannt wird, soll China dabei helfen, bis zum Jahr 2060 klimaneutral zu werden. Doch befürchtet werden negative Folgen für die Bewohner flussabwärts in Indien und Bangladesch. Indiens Regierung betonte nach Bekanntwerden der chinesischen Pläne, dass jeder Versuch, Wasser aus dem Fluss abzuleiten, als Verletzung von Indiens Rechten gewertet werde.

Der Brahmaputra verbindet den Himalaja mit dem Golf von Bengalen und ist einer der wasserreichsten Flüsse der Welt. An seinen Ufern leben mehr als 100 Millionen Menschen, die den Brahmaputra als Transportweg und zur Bewässerung ihrer Felder benötigen. Die ökonomische Bedeutung von Südasiens Flüssen und ihre nachhaltige Nutzung diskutieren bei der FNF-Veranstaltung in Kathmandu unter anderem Divas Bahadur Basnyat vom Nepal Development Research Institute und der indische Entwicklungsökonom Mahendra P. Lama.

Ein Fokus der Paneldiskussion liegt zudem auf dem Klimawandel, über den die pakistanische Wasserexpertin Simi Kamal mit dem von den Malediven stammenden Geologen Mohmood Riyaz und der aus Tibet stammenden Forscherin Lobsang Yangtso sprechen wird. Den Ländern der Region droht langfristig zunehmende Wasserknappheit. Schmelzende Gletscher im Himalaja verändern bereits jetzt die Wassertemperaturen und beeinflussen so die Ökosysteme rund um Südasiens Flüsse. Katastrophale Auswirkungen bekam im vergangenen Jahr insbesondere Pakistan zu spüren: Das Schmelzen der Gletscher verstärkte dort im vergangenen Jahr die Jahrhundertflut, bei der mehr als 1.700 Menschen getötet wurden und massive Schäden an der Infrastruktur des Landes entstanden sind.

 

Die Konferenz findet statt im Rahmen der Veranstaltungsserie South Asian Perspectives und wird unterstützt von der deutschen Botschaft in Katmandu, von der Deutsch-Nepalischen Gesellschaft sowie vom nepalesischen Think Tank und Partner der Naumann-Stiftung Samriddhi Foundation.

 

[1] https://timesofindia.indiatimes.com/india/blood-and-water-cant-flow-tog…

[2] https://www.usip.org/publications/2023/02/india-and-pakistan-are-playin…