US-Außenpolitik
„Fighting Starts When Talking Stops": Der Konflikt um das Südchinesische Meer im Licht einer neuen US-Außenpolitik

US-Marine-Flugzeugträger führen 2022 Übung im Südchinesischen Meer durch.
© picture alliance / abaca | ABACADonald Trumps zweite Amtszeit sorgt für Unruhe im Pazifik. Viele Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres befürchten eine abnehmende Unterstützung der USA - und dass China nun noch offensiver auftreten könnte. Wird Trumps Isolationismus auch den Indopazifik betreffen und damit China „freie Fahrt“ verschaffen?
Diese Frage diskutierte der Council of Asian Liberals and Democrats (CALD) mit Unterstützung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit am 3. April in Manila bei einer Regionalkonferenz zum Thema „South China Sea Disputes Under Trump 2.0: Finding a Common Ground Among Claimant States“. An der Konferenz nahmen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Journalismus sowie diplomatische Vertreter der Anrainerstaaten Indonesien, Philippinen, Taiwan und Malaysia teil. Auch Fachleute aus der Europäischen Union und Südkorea waren vor Ort. Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Analyse der komplexen geopolitischen Spannungen im Südchinesischen Meer vor dem Hintergrund einer sich wandelnden neuen US-Außenpolitik.
Weitere Partner der Konferenz waren das Center for Liberalism and Democracy (CLD), die Fakultät für Internationale Studien des Miriam College und die Philippine International Studies Organization (PHISO).
Ein Meer und zahlreiche Ansprüche: Der Konflikt im Südchinesischen Meer
China beansprucht rund 90 Prozent des Südchinesischen Meeres für sich - ein Gebiet, das in den Philippinen als " Westphilippinisches Meer" und in Vietnam als "Ostmeer" bezeichnet wird. Gleichzeitig erheben auch die Philippinen, Taiwan, Vietnam, Malaysia und Brunei Ansprüche auf Teile dieses strategisch und wirtschaftlich wichtigen Seegebietes. Besonders umstritten sind jene Gebiete, die von China beansprucht werden und in die Hoheitsgewässer und ausschließlichen Wirtschaftszonen anderer Länder, wie z.B. der Philippinen, fallen.
Der Ständige Schiedshof in Den Haag gab den Philippinen im Jahr 2016 recht und erkannte Chinas Ansprüche, die mit historischen Karten belegt werden sollten, nicht an. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass China kein historisches Recht auf die beanspruchten Gebiete besitzt und die sogenannte "Neun-Striche-Linie", auf die sich China bei seinen Territorialansprüchen bezieht, keine völkerrechtliche Grundlage hat. China akzeptiert das Urteil bis heute nicht und setzt seine aggressive Expansionspolitik im Südchinesischen Meer fort.
Nichts ist gewiss
Die außenpolitischen Unsicherheiten der zweiten Amtszeit von Donald Trump sowie das zunehmend nationalistische Auftreten Pekings könnten erhebliche Auswirkungen auf die Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer haben. Dieses unbeständige Umfeld macht die Region zu einem der explosivsten globalen Krisenherde. Dies wurde auf der 61. Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025 deutlich sichtbar, als sich Vertreter der Philippinen und Chinas einen hitzigen Schlagabtausch über den Streit im Südchinesischen Meer lieferten.
Von größter Bedeutung ist die Frage, wie sich die USA in diesem Konflikt bzw. gegenüber ihren Partnern in der Region verhalten werden. Hier scheint es keine eindeutige Antwort zu geben. Dies wurde besonders deutlich, als der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth am 28. März bei einem Besuch in den Philippinen das Verteidigungsbündnis der beiden Länder als "eisern" bezeichnete und versicherte, dass die USA der Region Priorität einräumen würden. Am 3. April belegte Trump dann wiederum alle Anrainerstaaten, nicht nur China, mit erheblichen Zöllen von 17% für die Philippinen bis zu 46% für Vietnam. Nur um die Zölle dann ein paar Tage später mit Ausnahme Chinas wieder auszusetzen. Auf Trumps Zollpräsentation wurde Taiwan übrigens als Land bezeichnet, was wiederum China verärgerte.
Die Situation im Südchinesischen Meer und die Außenpolitik der Trump-Administration: Experten teilen ihre Einschätzungen
Dr. I-Chung Lai, Präsident der Prospect Foundation in Taiwan, betrachtet den Konflikt im Südchinesischen Meer aus einer breiteren Perspektive. Die aggressive Haltung der Volksrepublik Chinas ziele demnach nicht primär auf territoriale oder historische Ansprüche ab, sondern auf strategische Dominanz in der gesamten Asien-Pazifik Region und auf die Verdrängung der USA aus der Region. Laut Lai stehen die anderen Anrainerstaaten gemeinsam China gegenüber. Er stellte klar, dass Taiwan eine von China unabhängige Position in dem Konflikt vertrete und die von China im Südchinesischen Meer festgelegte territoriale Grenze nicht als feste nationale Grenze betrachtet werden dürfe. Auch respektiere Taiwan im Gegensatz zu China das UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS).
Dr. Renato C. De Castro von der De La Salle Universität in Manila sieht ein starkes US-Interesse, Chinas Dominanz im Indo-Pazifik einzudämmen. Er verwies auf ein aktuelles Dokument aus dem US-Verteidigungsministerium, in dem der Indo-Pazifik Region eine klare Priorität in der US-Außenpolitik vor Europa eingeräumt wird. Dies interpretiert er als Bestätigung, dass die USA ihre asiatischen Partner nicht wie die Ukraine “wie eine heiße Kartoffel" fallenlassen werden.
Edcel Ibarra, Assistenzprofessor an der Universität der Philippinen, teilt diese Einschätzung grundsätzlich, gab jedoch zu bedenken, dass es auf eine rein militärische Partnerschaft zwischen den USA und den Philippinen hinauslaufen könnte. Eine verschärfte US-China-Rivalität könne die Anrainerstaaten weiter spalten - analysiert er. Eine Veränderung der US-Außenpolitik in der Region erwartet er nur, falls Trump einen Deal mit China eingehen sollte.
Der indonesische Botschafter in den Philippinen, Agus Widjojo, stellte klar, dass sein Land keine territorialen Ansprüche im Südchinesischen Meer erhebt. Gleichzeitig lehnt Indonesien Chinas Neun-Strich-Linie entschieden ab, da sie ohne rechtliche Grundlage ist und dem UN-Seerechtsübereinkommen widerspricht. Widjojo bekräftigte Indonesiens Engagement für eine friedliche Konfliktlösung und betonte die zentrale Rolle der Vereinigung südostasiatischer Staaten (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) in dieser regionalen Frage.
Leila de Lima, Sprecherin der Liberalen Partei der Philippinen und ehemalige Justizministerin des Landes, betonte die globale Bedeutung des Konflikts über die Grenzen Asiens hinaus: "Es geht um Werte wie die internationale Ordnung und Prinzipien des internationalen Rechts. Weil China genau diese Prinzipien untergräbt, ist auch die globale Ordnung betroffen."
Keine Lösung in Sicht
Die Konferenzteilnehmenden, insbesondere der regionalen Partner der USA, zeigten sich eher optimistisch, dass die USA ihre militärische Unterstützung fortsetzen werden. Dieser Optimismus entspringt auch einem Mangel an Alternativen bzw. der Dramatik, die ein Rückzug der USA aus der Region mit sich bringen würde.Professor De Castro verdeutlichte dies anhand eines Vergleichs mit Europa, indem er darauf hinwies, dass die NATO auch ohne die Beteiligung der USA über einen Sicherheitsmechanismus verfüge. Das System bilateraler Bündnisse in Asien biete diese Sicherheit nicht. In einer unberechenbaren geopolitischen Situation fehle der Region ein vergleichbares Sicherheitsnetz völlig.
Eine stärkere Einbindung Taiwans in die Konfliktlösung wurde während der Konferenz mehrfach gefordert. Vom südostasiatischen Staatenbund ASEAN erwarten die Fachleute hingegen wenig Impulse. Wiederholt wurde auf die enttäuschende Bilanz des Bündnisses in diesem Konflikt verwiesen: In fast 40 Jahren hat das auf Konsensentscheidungen basierende Bündnis lediglich zwei nicht-bindende Erklärungen verabschiedet. Eine Chance könnte sich hier im Jahr 2026 auftun, wenn die Philippinen den ASEAN-Vorsitz übernehmen. Diese könnten das Thema wieder stärker in den Fokus der südostasiatischen Länder rücken. Gerry Bulatao, Vorsitzender des Center for Liberalism and Democracy, brachte es auf den Punkt: "It’s always better to talk rather than fight. And fighting starts when talking stops”.
Thekla Ebbert koordiniert in Südost- und Ostasien die regionalen Projekte der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.