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Fachkräftemigration
Migration: Deutschlands Werben um indische Fachkräfte zeigt erste Erfolge

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Handshake on India and Germany flag background.

© By Igor Vershinsky from Getty Images via Canva Pro

Deutschlands Werben um indische Fachkräfte zeigt an der G.D.-Goenka-Schule in Delhi bereits Wirkung. Die 15-jährige Naziya lernt hier seit zwei Jahren Deutsch – und spricht die Sprache inzwischen fließend. Deutschland sei ein spannendes Land, sagt die Schülerin. Erste Erfahrungen hat sie bereits gesammelt: Ein Stipendium ermöglichte ihr eine Reise nach München. In Deutschland zu leben und zu arbeiten, sieht sie nun als ihr Ziel: "Am liebsten würde ich dort eine Pilotenausbildung machen", sagt sie.

Die öffentliche Schule, die sie in Indiens Hauptstadtregion besucht, ist für die Karriere in Deutschland ein guter Start. Sie bietet nicht nur Deutschunterricht, sondern ist seit diesem Jahr Teil einer neuen Ausbildungspartnerschaft zwischen der Bundesrepublik und Indien. Im Rahmen des Projekts können sich Schülerinnen und Schüler auf eine Berufsausbildung in Deutschland vorbereiten. Ziel ist es, dass die ersten 30 bis 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sobald sie volljährig sind, im Herbst 2025 ihre Lehre in Deutschland beginnen können.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil besuchte Ende Oktober die G.D.-Goenka-Schule, um Fragen von interessierten Schülern und ihren Eltern zu beantworten. Eine Mutter will bei dem Termin wissen, wer auf ihre Tochter in der Ferne aufpassen wird. "Wir geben unser Bestes, dass alles sicher ist", verspricht Heil. "Wir sehen diejenigen, die nach Deutschland ziehen, nicht nur als Arbeitskräfte", fügt er hinzu, "sondern als Menschen, die es verdient haben, ehrlich und respektvoll behandelt zu werden".

Die Fachkräftezusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien beschreibt der Minister als eine Win-win-win-Situation: ein Gewinn für Deutschland, das dringend benötigten Nachwuchs bekommt; ein Gewinn für Indien, das seinen Bürgern angesichts der Schwäche des heimischen Arbeitsmarktes neue Perspektiven aufzeigen kann; und ein Gewinn für die Inderinnen und Inder, die in Deutschland auf einen beruflichen Aufstieg hoffen können.

Um den Zuzug von indischen Staatsbürgern nach Deutschland zu vereinfachen und die Rückführung von Personen ohne Aufenthaltserlaubnis zu erleichtern, schloss die Bundesregierung bereits vor zwei Jahren ein Migrationsabkommen mit Indien ab. Die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Menschen aus dem mehr als 1,4 Milliarden Einwohner großen Land will die Bundesregierung nun weiter intensivieren. Sie stellte dafür im Oktober ihre "Fachkräftestrategie Indien" vor.

Das 40 Seiten umfassende Dokument beschreibt die Ausgangslage als vielversprechend für eine Kooperation: Während in Deutschland Fachkräfteengpässe zur Bremse für Wachstum und Fortschritt zu werden drohten, träfen in Indien zum Teil sehr gut ausgebildete, geburtenstarke Jahrgänge auf einen Arbeitsmarkt, "der nur begrenzt in der Lage ist, diese Jahrgänge aufzunehmen". Dies mache Indien beim Thema Fachkräfteeinwanderung zu einem besonders wichtigen Partner, heißt es.

Erfolge gibt es bereits: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Inderinnen und Inder hat in Deutschland in den vergangenen Jahren rasant zugenommen. 2015 lag sie nach Regierungsangaben erst bei 23.000. Bis 2021 verdreifachte sich die Zahl auf 70.000. Anfang dieses Jahres zählten die Behörden dann bereits 137.000 indische Arbeitskräfte in Deutschland – davon 44.000 Frauen. Als Gruppe gehören die Inderinnen und Inder zu den Überfliegern am deutschen Arbeitsmarkt: Ihre Arbeitslosenquote liegt nur halb so hoch wie im bundesweiten Durchschnitt. Der Medianwert ihres Bruttoverdiensts ist mit 5400 Euro im Monat deutlich höher als der Vergleichswert in der Gesamtbevölkerung, der bei knapp 3800 Euro liegt.

Trotzdem geht der Zuzug indischer Fachkräfte aus Sicht der Bundesregierung noch nicht schnell genug. Sie listet deshalb in ihrer Fachkräftestrategie 30 Maßnahmen auf, die die Migration vereinfachen sollen. Einer der wichtigsten Punkte ist die geplante Beschleunigung der Visumsverfahren. Diese sollen bis zum Jahresende in Indien digitalisiert werden. Ziel ist es unter anderem, dass die Wartezeiten auf einen Termin bei der Botschaft erheblich reduziert werden.

Zudem will die Bundesregierung die Willkommenskultur in Deutschland stärken: "Indische Fachkräfte, Auszubildende und Studierende sollen sich rasch in Deutschland respektiert und heimisch fühlen", heißt es in dem Strategiepapier. Positive Erfahrungen und verlässliche Rahmenbedingungen in Deutschland seien "die beste Werbung für eine nachhaltige und zufriedenstellende Erwerbsmigration".

Beobachter warnen jedoch vor zu großen Erwartungen: Deutschland solle sich etwa mit Blick auf die am besten ausgebildeten IT-Fachkräfte aus Indien keine Illusionen machen, schreibt David Kipp, Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen der Stiftung Wissenschaft und Politik in einer im Oktober veröffentlichten Analyse. Diese würden aus seiner Sicht vermutlich auch weiterhin nicht nach Deutschland gehen, weil die Verdienstmöglichkeiten nicht attraktiv genug seien. Bei der Rekrutierung von Pflegekräften sieht er größere Erfolgschancen.

In Delhi betont auch Bundesarbeitsminister Heil, dass die Fachkräftezusammenarbeit zwischen Indien und Deutschland kein Selbstläufer ist: "Deutschland ist ein starkes Land, aber auch bei uns ist nicht alles perfekt", sagt er den Schülerinnen und Schülern bei seinem Besuch. Er wolle deshalb nicht den Himmel auf Erden versprechen, fügt der Minister hinzu, sondern die Einladung zu einem gemeinsamen Leben in Deutschland aussprechen.

Die Frage, inwiefern die Erwartungen indischer Fachkräfte an einen Umzug nach Deutschland mit den realen Verhältnissen übereinstimmen und welche Faktoren bei der Fachkräftemigration zum Erfolg führen, ist Thema der Onlineveranstaltung "India-Germany Labor Market & Migration Dynamics" der Friedrich-Naumann-Stiftung am 13. Dezember um 13 Uhr MEZ. Thema dabei ist auch, welche Rolle Migrantinnen und Migranten nach ihrer Rückkehr aus Deutschland für die indische Wirtschaft spielen können. Hier für die Veranstaltung registerieren: https://fnfsouthasia.typeform.com/to/oJvATkNo