Künstliche Intelligenz
Datentransparenz und Informationsfluss im sozialistischen Vietnam
Regierungen auf der ganzen Welt erkennen die Bedeutung von offenen Daten in Kombination mit Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und die Verbesserung der Regierungsführung. Dies gilt auch für Vietnam, dessen stellvertretender Minister für Information und Kommunikation, Nguyen Huy Dung, die Bedeutung von offenen Daten und KI für den aktuellen Entwicklungstrend des Landes hervorhob. Es ist jedoch wichtig, dass Vietnam in seinem Streben nach Innovation, der Förderung der öffentlich-privaten Zusammenarbeit und dem Vorantreiben der sozio-ökonomischen Entwicklung eine fortschrittliche Technologie allein nicht ausreicht. Eine entscheidende Grundlage für diese transformative Reise ist vielmehr die Sicherstellung eines umfassenden Zugangs zu und die Bereitstellung von Daten sowohl durch die Regierung als auch durch Unternehmen. Doch wie sieht der aktuelle Zugang zu öffentlichen Daten in Vietnam aus? Wo gibt es noch Defizite? Und welche Hebel kann Vietnam nutzen, um langfristig von offenen und transparenten Daten für die digitale Transformation zu profitieren? Der folgende Artikel soll einen Überblick über den Status quo in Vietnam verschaffen und insbesondere Handlungsfelder aufzeigen, die Vietnam zukünftig angehen könnte.
Die Bedeutung von offenen und qualitativ hochwertigen Daten
Offene Daten bieten viele Chancen. Wie die Weltbank bereits 2015 betonte, sind Daten das Fundament zur Förderung von Innovation, Transparenz und wirtschaftlicher Entwicklung in einer Volkswirtschaft. Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten fördern das Wirtschaftswachstum, indem sie fundierte Entscheidungen ermöglichen und für mehr Durchsichtigkeit auf allen Märkten sorgt. Insbesondere im Bereich der Kapitalmärkte sind transparente Daten wesentlich, um Risiken für alle Marktteilnehmer besser abzuschätzen. Darüber hinaus stärken sie außerdem die Gesundheitssysteme im Falle von Katastrophen oder Pandemien und unterstützen die Regierungsführung bei alltäglichen Entscheidungsprozessen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist ebenfalls die Eindämmung der Korruption und die Stärkung des Vertrauens in eine Regierung. Denn Transparenz und Offenheit sind Grundpfeiler jeder Gesellschaft, um ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Daneben können die Daten helfen, die Markteffizienz zu erhöhen und beispielsweise die ökologische Nachhaltigkeit fördern.
Allerdings gibt es auch nicht zu vernachlässigende Herausforderungen, die beachtet werden sollten. Rechtsverstöße, Verletzung der Privatsphäre und Gefährdung der Sicherheit von Infrastruktur sind einige Beispiele für Risiken, die mit offenen Daten einhergehen können. Hinzu kommt, dass ungenaue Daten und solche, die falsch interpretiert werden, zu Fehlinformationen führen können, wodurch das Vertrauen in die Daten erheblich geschwächt wird (Stichwort: Fake News). Dementsprechend hängt der Erfolg von Open Data davon ab, wie gut es gelingt, diese Herausforderungen zu bewältigen und gleichzeitig das große Potenzial für positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und Volkswirtschaft zu nutzen.
Indikator für Offenheit: Open Data Inventory von Open Data Watch
Die Messung der Datenoffenheit eines Landes kann auf verschiedenen Weisen erfolgen, wobei das Open Data Inventory (ODIN) von Open Data Watch (ODW) ein wertvolles Instrument darstellt. Open Data Watch (ODW) ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich auf die Verbesserung von Datensystemen und die Zugänglichkeit von Daten weltweit konzentriert. Sie unterstützt nationale Pläne und die SDGs in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und setzt sich für effiziente Datensysteme ein, die die Privatsphäre schützen. Die Flaggschiff-Initiative von ODW, das Open Data Inventory (ODIN), bewertet Datenstrategien in 187 Ländern und fördert Verbesserungen und bewährte Verfahren. Als eine von den Vereinten Nationen akkreditierte NGO arbeitet ODW in der Beratergruppe des Generalsekretärs mit. Mit Sitz in Washington, DC, ist ODIN eine gemeinnützige Organisation, die von der Hewlett Foundation finanziert wird und mit Data2x, PARIS21 und IDRC zusammenarbeitet, um die Wirkung offener Daten zu fördern.
ODIN Status Quo Vietnam
Die Analyse der Overall ODIN-Werte Vietnams im Vergleich zu den ASEAN Nachbarstaaten von 2015 bis 2022/2023 zeigt minimale Schwankungen der Gesamtpunktzahl, die von 48 im Jahr 2015 auf 54 im Jahr 2022/2023 gestiegen ist, trotz erheblicher Rückgänge in den Jahren 2017 und 2018. Insgesamt zeigt Vietnam eine positive Entwicklung, liegt jedoch hinter einigen ASEAN Staaten wie Singapur, Indonesia oder die Philippinen.
Das Gesamtergebnis für Vietnam (und die anderen Länder) basiert im Wesentlichen auf zwei Kriterien: Die Erfassung und die Zugänglichkeit der Daten. Darüber hinaus werden die Daten eines Landes in drei Kategorien eingeteilt: Social, Economic und Environmental Statistiken. Folgendes Bild ergibt sich bei einer detaillierten Betrachtung für Vietnam im Jahr 2022:
Im Bereich der Social Statistics liegen die Werte für die Datenabdeckung zwischen 0 und 60, was darauf hindeutet, dass die Daten in dieser Kategorie die ODIN-Erfassungskriterien teilweise erfüllen, aber noch erhebliche Lücken aufweisen. Die Werte für den Datenzugang sind etwas positiver und liegen zwischen 40 und 70, was darauf hindeutet, dass die Daten in dieser Kategorie im Allgemeinen die meisten Kriterien gut erfüllen. Insbesondere das Fehlen von und der Zugang zu staatlichen Daten über Kriminalität und Justiz ist ein wichtiger Punkt, der in beiden Kategorien zu einem niedrigen Wert führt. Insgesamt stellt ODIN fest, dass die Social Statistik in Vietnam erhebliche Erfassungslücken aufweist, aber einen relativ guten Datenzugang hat.
Bei den Economic Statistics zeigt sich ein besseres Bild als im Vergleich zu den der Social Statistics. Die Datenabdeckung liegt zwischen 38 und 100, was darauf hindeutet, dass einige ODIN-Erfassungskriterien erfüllt sind, aber noch Lücken bestehen. Die Werte für Offenheit liegen auch hier höher, zwischen 50 und 70, was darauf hindeutet, dass die vietnamesischen Wirtschaftsdaten im Allgemeinen die meisten ODIN-Kriterien für Offenheit erfüllen. Insgesamt liegt die Gesamtpunktzahl für die Economic Statistik bei 63, was laut ODIN auf Lücken im Erfassungsbereich, aber auf ein angemessenes Maß an Offenheit hinweist. Es ist wichtig anzumerken, dass Vietnam im Vergleich zum Jahr 2020 diesen Bereich insgesamt von 45 auf 63 verbessert hat. Dies ist insbesondere auf den Bereich „Balance of payments“ zurückzuführen.
In der letzten Kategorie, den Environmental Statistics, liegen die Werte für die Abdeckung zwischen 38 und 88, was zeigt, dass einige der ODIN-Abdeckungskriterien erfüllt sind, aber noch Lücken bestehen. Die Werte für Offenheit reichen von 40 bis 70, was darauf hindeutet, dass die Umweltdaten in Vietnam im Allgemeinen die meisten ODIN-Offenheitskriterien erfüllen. Mit einer Gesamtpunktzahl von 55 weist die Kategorie Umwelt eine Mischung aus Erfassungslücken und relativ guter Offenheit auf. Defizite bestehen jedoch noch im Bausektor und bei der Erfassung der Umweltverschmutzung, wo sowohl der Datenzugang als auch die Datenverfügbarkeit noch einiges an Verbesserungspotential hat.
Vorhandenen Lücken schließen
Bei der Betrachtung aller Kategorien zeigt sich, dass es in Vietnam Lücken in der Datenerhebung und im Datenzugang gibt. Positiv hervorzuheben ist die Wirtschaftsstatistik, die sich im Vergleich zur Vorperiode verbessert hat. Besonders negativ fallen die Daten zur Justiz auf. Hier gibt es weder einen Zugang noch eine Veröffentlichung von Daten, die im Hinblick auf die Freiheitsrechte der Bürger kritisch zu sehen sind. Dieses Bild spiegelt sich auch in der Meinungs- und Pressefreiheit in Vietnam wider. Diese werden zwar nicht im ODIN-Score nicht direkt berücksichtigt, aber der Zugang zu einer unabhängigen Presse ist ebenfalls ein entscheidender Faktor, bei dem Vietnam zurzeit auf Platz 178 von 180 rangiert.
Abschließend ist festzuhalten, dass in Anlehnung an die in der Einleitung erwähnte Initiative des stellvertretenden vietnamesischen Ministers für Information und Kommunikation, Nguyen Huy Dung, das Ziel sein sollte, vor dem Einsatz innovativer Instrumente zur Datennutzung die Erhebung und den Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten zu ermöglichen. Solange das Fundament nicht gefestigt ist, können auch die eingesetzten Technologien nicht ihr volles Potenzial entfalten. Die Übernahme von Best Practices wie beispielsweise in Singapur kann dazu beitragen, den datenpolitischen Rahmen in Vietnam zu verbessern, die Dateninfrastruktur zu stärken, die Offenheit von Daten zu fördern und eine datengetriebene Innovationskultur zu unterstützen. Diese Maßnahmen könnten Vietnam in die Lage versetzen, das Potenzial von Daten für eine nachhaltige Entwicklung zu nutzen, öffentliche Dienstleistungen zu verbessern und zur digitalen Transformation des Landes beizutragen – allerdings sollten die Grundsätze des „Privacy by Design“ stets beachten werden, um sicherzustellen, dass der Datenschutz für alle Bürgerinnen und Bürger von Anfang an gewährleistet ist.
Dieser Bericht basiert auf dem Policy Paper Unlocking Growth and Resilience: The Crucial Role of Open and Transparent Data in Socialist Vietnam von dem FNF Vietnam Büro.