Vietnam's Economy

Wird die Mehrwertsteuersenkung in Vietnam ihr Ziel erreichen? Eine kritisch-optimistische Analyse

Es ist fast zwei Monate her, dass Vietnam mit dem Erlass Nr. 15/2022/ND-CP eine Mehrwertsteuersenkung von 10 % auf 8 % eingeführt hat - zusammen mit den CIT-Abzügen für Unternehmen. Es handelt sich um eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer, die vom 1.2. bis zum 31.12.2022 gilt. Ziel ist es, die Erholung der Wirtschaft in der Zeit nach dem Covid19 voranzutreiben. Für jeden einzelnen Auftrag mag die Ermäßigung gering sein, aber sie hat eine große Wirkung, wenn es darum geht, die Kaufnachfrage zu stimulieren.

Die Mehrwertsteuersenkungen betrafen Waren aus den Bereichen Import, Herstellung, Verarbeitung und Handel. Andere Bereiche wie Bank- und Telekommunikationsdienstleistungen, Metalle, Immobilien und IT-Dienstleistungen waren von der Senkung ausgenommen. Insgesamt wird diese Maßnahme den Staatshaushalt rund 49,4 Billionen VND (ca. 2,2 Mrd. USD) kosten, was einem Drittel der von Deutschland bei der überraschenden Mehrwertsteuersenkung Ende 2020 verzeichneten Verluste entspricht. Dies ist das zweite Mal, dass Vietnam nach der globalen Finanzkrise im Jahr 2009 zu dieser Maßnahme gegriffen hat. Die Verbraucher werden diese Mehrwertsteuersenkung in ihrem Alltag spüren, insbesondere an den Supermarktkassen und beim Einkauf in größeren Geschäften. Auf den traditionellen Märkten und in den Straßenläden, wo oft keine Rechnungen über die Mehrwertsteuer ausgestellt werden, wird sie sich jedoch weniger stark auswirken.

Es zeigt sich, dass die Politik zunächst positive Auswirkungen gezeigt hat. Es ist jedoch wichtig, nach Gefahren Ausschau zu halten. Die Regierung sollte weiterhin vorsichtig sein und die Erfahrungen der Länder berücksichtigen, die diese Maßnahme angewendet haben, damit die Politik ihre Ziele erreichen kann.

Lehren aus Deutschland

In Deutschland wurde im Zuge der Corona-Krise die Mehrwertsteuer für die meisten Waren ab dem 1.7.2020 von 19% auf 16% gesenkt. Dies sollte dem Konsum und damit der Wirtschaft einen neuen Schub geben. Doch als diese befristete Maßnahme am 31.12.2020 auslief, war die Bilanz ernüchternd. Der Grund: Die sehr radikale Abschottungspolitik Deutschlands hatte viele Unternehmen in Bedrängnis gebracht und nicht alle hatten die Mehrwertsteuersenkung an ihre Kunden weitergegeben. So blieb in einigen Fällen der Bruttopreis gleich. Darüber hinaus kam es auch zu einem Anstieg der Inflation, die im März 2022 bei 7,3 % lag.

Auswirkungen durch psychologische Effekte auf die Menschen

Bei einer Rechnung von 1 Million VND beim Einkauf im Supermarkt beträgt die Ermäßigung nur 20.000 VND. Auf den ersten Blick mag dies vernachlässigbar erscheinen. Aber durch die psychologischen Effekte kann in Vietnam eine starke Wirkung erzielt werden. Insbesondere bedürftige Bürger, aber auch alle anderen, bekommen das Gefühl, dass ihre Anliegen von der Regierung ernst genommen werden. Die Verbraucher können die Einsparungen direkt auf ihren Rechnungen sehen. Diese menschlich-psychologische Dimension sollte auf keinen Fall vernachlässigt werden. Sie kann die Verbraucher dazu ermutigen, mehr zu kaufen, so dass die Unternehmen nicht unter der erhöhten Nachfrage leiden müssen.

Insgesamt wurde die Mehrwertsteuersenkung in Deutschland nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben, aber nach Angaben des Think-Tanks IFO waren es immerhin etwa 2/3 der Senkung. Viel schwerwiegender war jedoch die Tatsache, dass die Ersparnisse für die Verbraucher - wenn auch in geringerem Umfang - nicht in einen höheren Verbrauch umgewandelt wurden. Nach einem Bericht in der ZEIT vom 4.1.2021 und anderen Zeitungen hat die Mehrwertsteuersenkung ihr Ziel schlicht verfehlt. Die Verbraucher hielten sich zu sehr zurück und sahen zum Teil unsichere Zukunftsaussichten.

Für Vietnam stellt sich die Situation jedoch anders dar, auch wenn die Regierung vorsichtig sein und die Erfahrungen anderer Länder berücksichtigen sollte. Der Bouncing-Effekt der Mehrwertsteuersenkung könnte gleich nach dem Ende der Präferenz auslösen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mehrwertsteuersenkung ein wichtiger Schritt für Vietnam war. Sie muss jedoch mit einer echten Erholung der Wirtschaft einhergehen. Dazu gehört die Beendigung aller koronabedingten Beschränkungen, einschließlich der unumkehrbaren Öffnung des Landes. Glücklicherweise ist die Bedrohung durch das Virus durch die Politik des Landes beherrschbar geworden. Jetzt geht es darum, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. In diesem Zusammenhang kann man optimistisch sein: Die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen waren bisher umsichtig und haben die Handlungsfähigkeit der SBV und der Regierung nicht geschmälert. Es ist zu hoffen, dass Vietnam nicht zu einer exzessiven Schuldenpolitik übergeht (Moderne Geldtheorie). Die liberale Wirtschaftspolitik Vietnams, die sich in vielen Freihandelsabkommen und einer investorenfreundlichen Politik manifestiert, wird dem Land helfen, sich neu zu positionieren.

Der Artikel ist auf Vietnamesisch in der Vietnam Financial Times veröffentlicht, unter:

https://thoibaotaichinhvietnam.vn/giam-thue-gia-tri-gia-tang-2-co-the-n…

Die Mehrwertsteuersenkung war ein wichtiger Schritt für Vietnam. Sie muss jedoch mit einer echten Erholung der Wirtschaft einhergehen. Dazu gehört ein Ende aller koronabedingten Beschränkungen, einschließlich der unumkehrbaren Öffnung des Landes [...] Die liberale Wirtschaftspolitik Vietnams, die sich in zahlreichen Freihandelsabkommen und einer investorenfreundlichen Politik manifestiert, wird dem Land helfen, sich neu zu positionieren.