VOLKSAUFSTAND
Vor 69 Jahren: Sowjetische Panzer gegen ostdeutsche Arbeiter
Es darf nie vergessen werden. Am 17. Juni 1953 wurde im Osten Deutschlands ein Aufstand von Arbeitern gegen die Erhöhung von Arbeitsnormen durch sowjetische Panzer niedergeschossen. Es gab mindestens 55 Todesopfer, 15.000 Festnahmen und 1.800 politische Urteile. Eine grausame Bilanz! Und es gab bis zum Mauerbau am 13. August 1961 eine große Welle der Abwanderung von jungen Menschen, die in dieser sozialistischen Welt nicht mehr leben wollten. Den Ereignissen vom 17. Juni 1953 ist mehrfach auf der Website der Friedrich-Naumann-Stiftung gedacht worden. Sie gehören zur deutschen Erinnerungskultur, auch wenn der 17. Juni leider nicht mehr wie zur Zeit der deutschen Teilung in Westdeutschland und Westberlin als Feiertag begangen wird.
Im 69. Jahr der Erinnerung an den 17. Juni 1953 hat der Tag eine besondere Bedeutung gewonnen. Bisher war die Niederschlagung des Aufstands von 1953 das erste Ereignis in einer Reihe des nationalen Aufbegehrens gegen die sowjetische Fremdherrschaft. Es folgten Budapest mit Imre Nagy 1956, der Prager Frühling des Alexander Dubcek 1968 und das polnische Kriegsrecht 1981 gegen die Solidarnosc-Bewegung von Lech Walesa. Die chronologische Liste las sich: DDR 1953, Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968 und Polen 1981. Dann brach Anfang der neunziger Jahre die Macht der Sowjetunion zusammen, und vor allem wir im Westen dachten, die Bedrohung der westlichen Nachbarn der Russischen Föderation sei nun endgültig vorbei. Weit gefehlt! Russland, der Rechtsnachfolger der Sowjetunion, hat am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen, und die Ukrainer kämpfen in einem verzweifelten Verteidigungskrieg gegen eine Invasionsarmee, die ihre Freiheit auf Dauer zerstören will.
Klar ist: Es geht heute in der Ukraine nicht um eine ideologische Frontstellung zweier Wirtschaftssysteme. Aber es geht um den genauso harten Antagonismus zwischen der imperialistischen Autokratie des Wladimir Putin und einer westlich orientierten Demokratie, wie sie sich mit freien Wahlen sowie Presse- und Meinungsfreiheit in der Ukraine durchgesetzt hat. Nicht Arbeiterinnen und Arbeiter gehen auf die Straße gegen oktroyierte Normen, sondern Soldatinnen und Soldaten kämpfen um die Freiheit ihres Landes und dessen nationale Selbstbestimmung. Das Ausmaß der physischen Zerstörung ist dabei noch weit schlimmer, als es bei den Niederschlagungen der Aufstände zu Zeiten des Sozialismus jemals war. Und der Preis durch die Flucht von Frauen und Kindern vor der Gewalt für die Ukraine ist noch überhaupt nicht abschätzbar.
Gleichwohl ordnet sich der Ukraine-Krieg der Russen nahtlos ein in die Reihe imperialistischer Versuche Moskaus, eigene Wege der westlichen Nachbarländer zu verhindern, seien sie nun Abweichungen vom „wahren Weg“ des Sowjetsozialismus wie bis zum Fall des Eisernen Vorhangs, seien sie Orientierungen nach Westen in Richtung Freiheit und Demokratie sowie Rechtsstaat und Marktwirtschaft westlichen Vorbilds. Ein Grund mehr, sich mit nachdenklicher Trauer der Ereignisse vom 17. Juni 1953 zu erinnern, mit denen die lange Blutspur der russischen Unterdrückung in Mittel- und Osteuropa erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ihren erschreckenden Ausdruck fand.
Die Schande des Systems
Vor 70 Jahren wurde ein Aufstand der Arbeiter gegen das DDR-Regime blutig niedergeschlagen. Unmittelbarer Anlass war die Erhöhung der Arbeitsnormen, tiefere Ursache die Entbehrungen der Planwirtschaft. Während in Westdeutschland das „Wirtschaftswunder“ seinen Lauf nahm, herrschte im Osten Knappheit, Mangel und zum Teil Elend. Für eine ganze Generation westdeutscher Jugendlicher lieferte der 17. Juni lange Zeit den einzigen Merkposten im Kalender, der an die deutsche Teilung erinnerte.
17. Juni 1953 – „Wir wollen freie Menschen sein!“
Der 17. Juni gehört zur europäischen Tradition des Ringens um Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung. Fast eine Million Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung gingen am 17. Juni 1953 spontan auf die Straße. Sie forderten die Ablösung der SED-Herrschaft, freie Wahlen und die Einheit. Die Erinnerung an diesen Tag und die Aufklärung über die SED-Diktatur sind heute wichtiger denn je.