Foto 
  Karl-Heinz
 
  Paqué
Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Bankenpleite
Die Bären tanzen – auf dem Eis!

In Deutschland und in der EU hat man offenbar die Lehren aus den großen Finanzkrisen verdrängt. Die Insolvenz der Silicon Valley Bank sollte daran erinnern.
svb
© picture alliance / NurPhoto | Ronchini

Man staunt: In Deutschland erweist sich die Rückkehr zur Schuldenbremse für Bundesfinanzminister Christian Lindner als eine Herkulesaufgabe, die Kolleginnen und Kollegen im Kabinett mauern. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne Belastung der Kapitalmärkte, das erscheint so manchem als Relikt aus einer anderen Epoche: Zeitgleich werden in der EU Lockerungen der Kriterien für den Stabilitäts- und Wachstumspakt geplant. Der Zweck: mehr Flexibilität – natürlich vor allem im Umgang mit jenen Nationen, die Schwierigkeiten haben, diese Kriterien zu erfüllen. Es geht also im Kern um eine Aufweichung des Pakts.

Mitten in beide Diskussionen – die innerdeutsche und die innereuropäische – platzte kürzlich eine dramatische Meldung aus den USA: Die Silicon Valley Bank (SVB) ist pleite, die amerikanische Einlagensicherungsbehörde FDIC hat am Freitag die Kontrolle übernommen. Der ökonomische Grund: Steigende Zinsen und eine schlechte Anlagestrategie.

Der Mechanismus ist simpel: Im Kampf gegen das steigende Preisniveau hat die amerikanische Zentralbank (Fed) die Zinsen scharf erhöht, was u. a. zu einem Kursverfall bei hypothekengesicherten Wertpapieren (mortgage backed securities) geführt hat. Eben davon hat die SVB riesige Bestände im Portfolio. Von denen mussten wegen einer sich länger abzeichnenden Schwäche im Start-up-Kreditgeschäft, der Spezialität der Bank, Papiere im Wert von 21 Mrd. US-Dollar verkauft werden, mit einem Verlust von rund 1,8 Milliarden US-Dollar. Als sich dies herumsprach, entstand in der Start-up-Szene ein Lauffeuer: Es kam zu einem massiven Abzug von Einlagen, der klassische Fall eines Bank Runs, und die Insolvenz war da. Nun geht die Angst um: Da die Einlagensicherung nur bis zu 250.000 US-Dollar greift, sind 161 Mrd. US-Dollar bei der SVB nicht gesichert – immerhin geht es um die sechzehntgrößte Bank der USA. Die unmittelbare Folge: Der SVB-Aktienkurs brach um 75 Prozent ein, und weltweit gingen Schockwellen durch die Bankenwelt – die Aktie der Deutschen Bank verlor zwischenzeitlich 15 Prozent ihres Werts, der Kurs der bereits angeschlagenen Schweizer Bank Credit fiel zeitweise sogar um 31 Prozent auf ein Allzeittief.

Ein Wetterleuchten! Droht etwa wie 2008 bei Lehman Brothers ein Flächenbrand an den Finanzmärkten? Die Lage ist offenbar so ernst, dass die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen ankündigte, dass Geld- und Finanzpolitik in den USA bereitstünden, um die nötige Liquidität im Markt sicherzustellen. Ähnlich ist die Lage in Teilen Europas. Die Schweizerische Nationalbank musste am Mittwoch bereits 50 Milliarden Schweizer Franken zur Rettung der Credit Suisse bereitstellen. Der politische Preis dafür ist hoch, vor allem in Zeiten der Inflation. Wieder einmal müssen Zentralbanken und Staaten als Gläubiger der letzten Instanz herhalten, um privat eingegangene Risiken abzufangen. Eigentlich in einer Marktwirtschaft ein schwerer ordnungspolitischer Sündenfall, aber in der akuten Krise unvermeidlich.

Dies zeigt: Man muss in der neuen Welt der Inflationsbekämpfung durch höhere Zinsen auf Gefährliches gefasst sein. Niemals in den letzten 10 bis 15 Jahren war es wichtiger, alle Geschäftsmodelle mit finanzieller Vorsicht und Umsicht zu gestalten – und zwar bei den Banken genauso wie beim Staat. Übermäßige Verschuldung kann brandgefährlich werden. Es wird deshalb Zeit, dass wir in Deutschland und Europa zur finanzpolitischen Vernunft zurückkehren. Dafür braucht es ein klares, unmissverständliches politisches Signal, und das heißt: Übermäßige Verschuldung ist der Kern des Problems, nicht der Lösung. Die Party ist vorbei. Die Bären müssen runter vom Eis.

Verpassen Sie keine Neuigkeiten mehr

Melden Sie sich jeztzt für unseren Newsletter an

CAPTCHA