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Ukraine
Hoffnungsträger oder Filmfigur?

Komiker Selenskyj gewinnt erste Runde der Präsidentschaftswahl in der Ukraine
Der Komiker Wolodymyr Selenskyj nach seinem Sieg der ersten Runde der Präsidentschaftswahl

Der Komiker Wolodymyr Selenskyj nach seinem Sieg der ersten Runde der Präsidentschaftswahl

© picture alliance/ZUMA Press

Aus der ersten Runde der ukrainischen Präsidentschaftswahlen am 31. März 2019 ging nicht völlig überraschend der Komiker Wolodymyr Selenskyj als Sieger hervor. Zweiter wurde höchstwahrscheinlich der amtierende Präsident Petro Poroschenko. Ein grundlegender positiver Wandel ist von beiden nicht zu erwarten. Der zweite Wahlgang findet am 21. April statt.

Die Ukraine hat gewählt. Laut vorläufigem Ergebnis der Auszählungen erzielten der Schauspieler und Komiker Wolodymyr Selenskyj 30,42 Prozent und der amtierende Präsident Petro Poroschenko 16,26 Prozent. Die beiden werden in der Stichwahl am 21. April aufeinandertreffen. Ausgeschieden sind demnach die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko mit 13,11 Prozent, der prorussische Kandidat Juryj Boiko mit 11,59 Prozent sowie der liberal-konservative Anatolyj Hryzenko mit 7,05 Prozent. Der ehemalige Geheimdienstchef Ihor Smeschko erhielt 5,94 und der populistische Kandidat Oleh Liaschko 5,15 Prozent. Chancenlos mit unter 5 Prozent waren weitere 32 Bewerber in dieser kandidatenreichsten Präsidentschaftswahl der unabhängigen Ukraine.

Wenngleich sich die Kandidaten ein spannendes Rennen mit ungewissem Ausgang lieferten, kam zumindest der klare Sieg Selenskyjs nicht völlig überraschend. Der Schauspieler, der in seiner Serie „Diener des Volkes“ einen quasi unfreiwillig ins Präsidentenamt geratenen Geschichtslehrer spielt, hatte bereits im Jahr 2018 bei Umfragen zweistellige Zustimmungswerte erzielt. Nachdem er am Jahresende seine Kandidatur verkündet hatte, zog er unaufhaltsam an den Mitbewerbern vorbei. Sein hohes Ergebnis überstieg allerdings noch die durch Umfragen geweckten Erwartungen. Spannend war das Rennen um Platz zwei. Nachdem Julia Tymoschenko monatelang die Umfragen anführte, musste sie sich nun mit mehreren Prozentpunkten Abstand gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko geschlagen geben. Erwartbar zweifelte sie das Wahlergebnis sofort an, ihr Team veröffentlichte noch in der Wahlnacht eigene „Exit Polls“, die erheblich von denen der renommierten Umfrageinstitute abweichen und sie an zweiter Stelle sehen. Die noch vor Schließung der Wahllokale vor dem Gebäude der Zentralen Wahlkommission aufziehenden Demonstranten, offenbar bezahlte Provokateure („Tituschki“), sind vermutlich aus dem Lager Tymoschenkos mobilisiert worden. Ein breit angelegter und von der Bevölkerung getragener Protest ist nicht zu erwarten.

Die Wahlbeteiligung überstieg mit 62,8 Prozent den Wert von 2014, der mit nur 60,2 Prozent den Tiefpunkt in der unabhängigen Ukraine darstellte. Besonders erfreulich ist, dass auch in den ukrainisch kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk erheblich mehr Menschen wählen gingen als noch 2014 (um 15:00 Uhr am Wahltag waren es bereits ca. 44  Prozent gegenüber 11 bzw. 17 Prozent zur selben Zeit im Jahr 2014). Eine ausgesprochen niedrige Wahlbeteiligung wies mit 47 Prozent lediglich die Region Transkarpatien auf, in der vor allem die ungarische Minderheit sich von keinem der aussichtsreichen Kandidaten angesprochen fühlte und in der die Wahlbeteiligung traditionell niedriger ist.

Fest der Demokratie oder Demokratie mit Defiziten?

Die zahlreichen in- und ausländischen, unter anderem von der OSZE entsandten Beobachter, bescheinigen der Wahl einen weitgehend korrekten Ablauf. Im Laufe des Tages gingen 2.199 Beschwerden über Unregelmäßigkeiten bei der Polizei ein, 39 Untersuchungsverfahren wurden noch am Wahltag eröffnet. Überwiegend handelte es sich um technische Unzulänglichkeiten. So waren etliche Personen nicht im Wahlregister aufzufinden, etwa da behördenintern Umregistrierungen des Wohnortes nicht ordnungsgemäß weitergeleitet wurden. Ein prominenter Fall ist die renommierte Journalistin und Ehefrau des Präsidentschaftskandidaten Hryzenko, Julia Mostowa, die solcherart an der Wahl gehindert wurde und rechtliche Schritte eingeleitet hat. Ein Teil der gemeldeten Unregelmäßigkeiten betrifft den ländlichen Bereich, wo Personen auch ohne Vorlage eines Personaldokuments der Wahlschein ausgehändigt wurde, weil man sich schlicht gegenseitig kennt. Ein viel diskutiertes Thema war das Verbot, zusammen mit dem ausgefüllten Wahlzettel ein „Selfie“ in der Wahlkabine zu machen. Dies kann inzwischen Haftstrafen von bis zu drei Jahren nach sich ziehen. Hintergrund des Verbots ist weniger die Angst, dass in sozialen Medien verbreitete Fotos noch Einfluss auf das Wahlverhalten nehmen könnten. Vielmehr soll die Praxis eingedämmt werden, Stimmen zu kaufen und ein solches Foto als Nachweis zu verlangen, dass das Kreuz an der „richtigen“ Stelle sitzt. Unbestätigten Angaben zufolge lagen die Tarife je nach Kandidat bei 700 bis 1.500 Hrywnia (ca. 22 bis 48 EURO pro Stimme), und mindestens zugunsten Poroschenkos und Tymoschenkos sei versucht worden, auf diese Weise Stimmen zu kaufen.

Trotz aller Unzulänglichkeiten bescheinigten die Wahlbeobachter der Ukraine eine im Wesentlichen nach demokratischen Standards und korrekt abgelaufene Wahl, systematische Fälschungen wurden nicht festgestellt. Dass dies gelang und der Ausgang der Wahl bis zuletzt nicht vorhersagbar war, kann man in einem postsowjetischen Land mit Fug und Recht als Fest der Demokratie bezeichnen. Ein Grund zum Ausruhen ist es jedoch nicht, denn die wahren Defizite zeigten sich im Wahlkampf. Die mit harten Bandagen geführten Kampagnen gingen teils weit über das hinaus, was aus demokratischer Perspektive im politischen Wettbewerb zulässig erscheint. Dazu gehörte die Beeinflussung von Staatsbediensteten und Armeeangehörigen durch ihre Vorgesetzten im Sinne der „richtigen“ Wahl, Telefonanrufe zur Beeinflussung des Wahlverhaltens noch am Wahltag selbst oder die Durchführung vermeintlicher Haustür-Umfragen, die in Wirklichkeit der Überzeugung für einen bestimmten Kandidaten dienten. Dazu gehörte auch die Nichteinhaltung des kampagnenfreien „Tages der Stille“ direkt vor der Wahl, in dem sich etwa Poroschenko medienwirksam beim Besuch eines Gottesdienstes zeigte. Ein besonderes Phänomen ist der Einsatz „technischer“ Kandidaten, die nur antreten, um jemand anderem Stimmen abzujagen und ihrem Auftraggeber – einem der aussichtsreichen Bewerber – mehr Plätze in den lokalen Wahlkommissionen zu verschaffen. Besonders augenfällig war hier der Kandidat Juryj W. Tymoschenko, der ganz offenbar der auf dem alphabetisch geordneten Wahlzettel über ihm stehenden Julia W. Tymoschenko Stimmen abziehen sollte, was ihm bei mehr als 0,6 Prozent der Wähler auch gelungen ist.

Besondere Erwähnung verdient die Kampagne Selenskyjs, der von seiner hohen Prominenz als Komiker profitiert und der in seiner Show „Kwartal 95“ kein Blatt vor den Mund nimmt: Zum einen, weil sie auf erfrischende Weise die Bürger über die sozialen Medien ansprach und sie in die Erstellung des Wahlprogramms einbezog; zum anderen jedoch durch die Rolle, die die Serie „Diener des Volkes“ vor allem mit Ausstrahlung der neuen Staffel in den letzten Tagen spielte. Mehr als 6 Millionen Menschen sahen am 27. und 28. März im Sender 1+1, wie sich der volksnahe Präsident Goloborodko gegen das alte korrupte System durchsetzt, wie seine politischen Gegner (unverkennbare Parodien unter anderem auf Poroschenko und Tymoschenko) den Staat zum persönlichen Vorteil ausbeuten, welche Gefahr ein übersteigerter Nationalismus für die multiethnische Ukraine bedeutet und in welchem Land der Träume die Ukrainer unter Goloborodko schließlich leben werden. Mag die Serie auch noch so offensichtlich ein Mittel des Wahlkampfes sein, die Figur des vom System nicht korrumpierten, sympathischen Präsidenten bedient die Sehnsucht vieler Ukrainer nach einem neuen Gesicht, nach einem „sauberen“ Politiker, nach einer Überwindung des alten oligarchischen Systems. Dass Selenskyj sich im Wahlkampf Interviews oder gar Debatten fast vollständig entzogen hat, mag nicht nur an seiner politischen Unerfahrenheit oder – wie manche Beobachter vermuten – seinen mangelnden Ukrainischkenntnissen liegen, sondern auch am Bemühen, das positive Bild des Präsidenten Goloborodko nicht zu entzaubern. Insofern hat die ukrainische Politik mit seinem Wahlsieg einen bemerkenswerten Beitrag zum postfaktischen Zeitalter geleistet.

Trotz aller Kennzeichen schmutziger Kampagnen und verletzter Spielregeln lag das wesentliche Defizit des vergangenen Wahlkampfes in der Abwesenheit jeglicher ideologischer oder programmatischer Auseinandersetzungen. Während sich die drei aussichtsreichsten Kandidaten Selenskyj, Poroschenko und Tymoschenko in der Europaausrichtung ihrer Politik nicht wesentlich unterschieden, gingen konkrete Politikvorschläge über populistische Versprechen oder Zielbeschreibungen kaum hinaus. Die Präsidentschaftswahl war eine Wahl zwischen Personen, nicht zwischen politischen Ideen.

Komiker oder „Schokoladenkönig“ – Was ist vom Gewinner zu erwarten?

Im zweiten Wahlgang am 21. April wird sich erweisen, ob Wolodymyr Selenskyj seinen Erfolg verteidigen oder der Amtsinhaber aufholen kann. Welche Option für die demokratische Entwicklung der Ukraine die bessere ist, ist nicht einfach zu bestimmen. Dies liegt vor allem daran, dass der vor allem bei jungen Menschen sowie im eher russischsprachigen Osten und Süden der Ukraine beliebte Selenskyj politisch ein völlig unbeschriebenes Blatt ist. Seine Nähe zum Oligarchen Ihor Kolomojskyj legt nahe, dass er politisch nicht unabhängig agieren könnte. Wenngleich er beteuert, keine Marionette, sondern lediglich Geschäftspartner Kolomojskyjs zu sein, wird er doch durch dessen Fernsehsender 1+1 sichtbar protegiert, bis dahin, dass am Abend vor der Wahl trotz Kampagnenverbot seine Comedy-Show „Kwartal 95“ ausgestrahlt wurde. Da Selenskyj im Wahlkampf politische Aussagen geschickt vermied, gibt es nur wenige Anhaltspunkte für seine programmatische Ausrichtung. In Bezug auf die von Russland annektierte Krim und den andauernden Krieg im Osten der Ukraine ließ er etwa verlauten, eine Lösung in direkten Verhandlungen mit Putin finden zu wollen. Bei manchen Beobachtern ließen diese Töne die Alarmglocken klingen und territoriale Zugeständnisse an Russland befürchten. Die Formulierung kann aber sehr wohl seiner Unerfahrenheit geschuldet sein. Dem inzwischen verfassungsmäßig verankerten Anstreben eines EU- und NATO-Beitritts steht Selenskyj grundsätzlich positiv gegenüber, wobei er über eine NATO-Mitgliedschaft die Bevölkerung per Referendum entscheiden lassen würde. Seine Forderungen zur Bekämpfung der Korruption oder zur Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen adressieren brennende Probleme der Ukraine, wirken jedoch eher wie Floskeln, als dass sie einem durchdachten Konzept folgen. Eine erhebliche Unsicherheit im Falle einer Präsidentschaft Selenskyjs besteht darin, dass er bisher kein politisch erfahrenes Team um sich hat. Immerhin unterstützen ihn inzwischen der Ex-Finanzminister Oleksandr Danyliuk, der Ex-Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius und der Abgeordnete Serhij Leschtschenko als Berater. Die Erwartungen seiner Wähler an den Außenseiter und Polit-Neuling Selenskyj sind hoch. Das Risiko, dass er keine Reinkarnation seiner Filmfigur Goloborodko wird, sondern oligarchische Interessen vertritt oder schlicht am Politikbetrieb scheitert, ist es ebenso.

Aus Sicht westlicher Partner würde eine zweite Präsidentschaft des vor allem durch sein Schokoladenimperium erfolgreichen Geschäftsmannes Petro Poroschenkos zumindest mehr Erwartungssicherheit bedeuten. Poroschenko, der eine solide Unterstützerbasis vor allem im Westen und im Zentrum der Ukraine hat, baute in seinem Wahlkampf auf den Slogan „Armee! Sprache! Glaube!“. Er verwies damit auf Errungenschaften seiner Amtszeit wie die Modernisierung und Stärkung der ukrainischen Armee, die Förderung der ukrainischen Sprache im öffentlichen Raum und die Anfang des Jahres vollzogene Anerkennung der Ukrainisch-orthodoxen Kirche durch das ökumenische Patriarchat in Istanbul. Ein starker Fokus seines Wahlkampfes war die EU- und NATO-Ausrichtung des Landes – mit dem Versprechen, im Verlauf einer zweiten Amtszeit einen Membership Action Plan mit der NATO zu erreichen. Von den drei stärksten Kandidaten hatte er zudem die entschiedenste Position gegen die russische Aggression, bis dahin, dass er die Wahl zu einer Abstimmung zwischen sich selbst und Putin stilisierte. In der Tat kann Poroschenko auf einige Reformerfolge in den letzten Jahren verweisen, an die er bei einem Wahlsieg anknüpfen könnte. Dazu gehören die Visafreiheit in die EU, die Dezentralisierung oder die Reform des Bankenwesens. Die Reformen jedoch, die für eine positive vor allem sozioökonomische Entwicklung der Ukraine am entscheidendsten sind – Justizreform und wirksame Korruptionsbekämpfung – hat der Präsident durchgehend und in zunehmendem Maße zu blockieren versucht. Alle erreichten Schritte auf diesem Gebiet sind Ergebnis eines erheblichen Drucks ausländischer Partner und ukrainischer zivilgesellschaftlicher Organisationen, nicht des politischen Willens der Entscheidungsträger. Insofern wäre von einem wiedergewählten Präsidenten Poroschenko zwar Professionalität und eine klare Westausrichtung des Landes zu erwarten, nicht aber frischer Wind und Schwung für weitere Reformen.

Wäre ein liberaler Wechsel möglich gewesen?

Dem liberalen, reformorientierten Lager konnte man nach der Registrierung der Kandidaten zunächst Ex-Verteidigungsminister Anatolij Hryzenko, den Lemberger Bürgermeister Andrij Sadowy und den ehemaligen Investigativ-Journalisten Dmytro Gnap zurechnen. Nur Hryzenko, Vorsitzender der liberal-konservativen Partei „Bürgerposition“, hatte zumindest zeitweise eine realistische Chance. Im Jahr 2018 lag er monatelang in den Umfragen auf dem zweiten Platz hinter Julija Tymoschenko. In den vergangenen Monaten versuchte er, kleinere politische Akteure um sich zu sammeln und als Unterstützer zu gewinnen, so die „Europäische Partei“ von Mykola Kateryntschuk, „Hwylia“ von Wiktor Tschumak, „Narodnyj Kontrol“ von Dmytro Dobrodomow und „Ridna Krajina“ von Mykola Tomenko. Jehor Firsows „Alternative“ war bereits 2018 in der „Bürgerposition“ aufgegangen. Zuletzt hatten auch die prominenten Vertreter der interfraktionellen Parlamentsgruppe der „Euro-Optimisten“ Switlana Salischtschuk und Mustafa Najjem Hryzenko unterstützt und im Wahlkampf begleitet. Erst am 1. März entschied sich Andrij Sadowy, seine Kandidatur zurück zu ziehen und sich Hryzenko anzuschließen. Daraufhin nahm auch Dmitro Gnap von einer eigenen Kandidatur Abstand und sicherte Hryzenko seine Unterstützung zu. Gnap war ursprünglich in parteiinternen Vorwahlen zum Kandidaten der Partei „Kraft der Menschen“ bestimmt worden, die mehr als 80.000 USD für seine Registrierung in einer Crowd-Funding-Kampagne sammelte. Aufgrund von Unstimmigkeiten im Umgang mit einem Preisgeld hatte er die Unterstützung der Partei aber wieder verloren.

Wiewohl sich also verschiedenste Kräfte mit demokratischer und reformorientierter Ausrichtung um einen Kandidaten scharten, kam dieser letztlich nur auf enttäuschende 7,05 Prozent. Die Gründe werden zu analysieren sein, insbesondere, um freiheitlich gesinnten Parteien in der Parlamentswahl im Oktober zu größerem Erfolg zu verhelfen. Die Ausgangsbedingungen sind für Kandidaten ohne oligarchische Finanzierung und damit verbunden ohne Zugang zu den populärsten Fernsehkanälen bekanntermaßen extrem unfair. Die Vertreter dieses Lagers müssen sich dennoch fragen lassen, ob eine frühere Vereinigung und eine mutigere, weniger konservative Wahlkampagne nicht zu viel höherer Zustimmung hätte führen können. Der Wunsch nach einer sauberen und vernünftigen Politik, nach einer Überwindung des oligarchischen und korrupten Systems sowie nach einer Verbesserung der Lebensbedingungen ist im Land erheblich. Genau dieser Schatz wurde aber in erster Linie von Wolodymyr Selenskyj gehoben.

Wie geht es weiter?

Die Spannung im ukrainischen Präsidentschaftswahlkampf wird die nächsten drei Wochen anhalten. Zwar ist der Abstand zwischen den beiden Konkurrenten mit über 14 Prozentpunkten erheblich. Jedoch ist schwer vorherzusagen, wie sich die Stimmen der weiteren Kandidaten in der Stichwahl verteilen werden. Poroschenko wird absehbar alle – auch administrativen, das heißt ihm durch sein Amt zur Verfügung stehenden – Ressourcen mobilisieren, um den Abstand zu verringern. Inhaltlich ist zu erwarten, dass er vor einer Präsidentschaft Selenskyjs Angst schüren wird, Angst insbesondere vor einem politisch unerfahrenen Mann, der die Ukraine im Falle weiterer russischer Aggression nicht in der Lage ist zu verteidigen. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass er den Sieger des ersten Wahlganges noch überholt. Für Selenskyj selbst wird es Zeit, Farbe zu bekennen und sich inhaltlichen Debatten zu stellen. Ihm könnte zugutekommen, dass Poroschenko stark polarisiert und neben einer großen Anhängerschaft auch ein erhebliches Anti-Rating besitzt.

Wie auch immer die Präsidentschaftswahl ausgeht, ist von ihr weder eine radikale Kursänderung der europäisch orientierten und in Reformprozessen begriffenen Ukraine noch eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu erwarten. Sie ist nur der Auftakt im ukrainischen Superwahljahr 2019 – und die wirklichen Weichen werden im Oktober bei der Parlamentswahl gestellt.

 

Beate Apelt ist Projektleiterin der Stiftung für die Freiheit für die Ukraine und Belarus.

Lennart Jürgensen ist Praktikant im Projektbüro Kiew.

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