EN

Freihandel
"Soft Brexit" sorgt für Ungewissheit in Washington

May und Trump treffen in London aufeinander
2017 besuchte Theresa May Donald Trump in Washington. Nun stattet Trump London einen Besuch ab.
2017 besuchte Theresa May Donald Trump in Washington. Nun stattet Trump London einen Besuch ab. © CC BY-SA 2.0/Flickr/The White House

Dem Multilateralismus hat die Trump-Administration öffentlich abgesagt. Bilaterale Abkommen zwischen zwei Staaten erklärte Präsident Trump hingegen als besten „Deal“ für amerikanische Arbeiter und die Interessen der USA. So soll eigentlich auch ein bilaterales Abkommen mit dem Vereinigten Königreich für die post-Brexit Ära ausgehandelt werden. Es sollte eines der wichtigen Themen bei Trumps Besuch in London sein. Doch nach den überrraschenden Rücktritten in der britischen Regierung und klareren Plänen für einen "Soft Brexit" stellt Trump dieses bereits wieder in Frage. 

USA und Großbritannien - die beiden Nationen sind wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Die Vereinigten Staaten sind gleich nach der Europäischen Union (EU) der zweitgrößte Exportmarkt des Vereinigten Königreichs, knapp zwanzig Prozent aller UK-Exporte landen in den USA. Umgekehrt zählt auch das Vereinigte Königreich zu den zehn wichtigsten Handelspartnern der USA. Beiden Seiten ist deshalb daran gelegen, ihre wirtschaftlichen Beziehungen für die Zukunft zu regeln. Gelingt es den Parteien nicht, ein Abkommen abzuschließen, würden nach dem Brexit die Regeln der Welthandelsorganisation greifen.

Um dieses Szenario zu vermeiden wurde im Sommer 2017 eine Arbeitsgruppe „UK-US Trade and Investment“ eingerichtet, die bisher drei Mal tagte, um die Zukunft der Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den Ländern zu skizzieren. Ein endgültiges Abkommen darf allerdings erst abgeschlossen werden, wenn das Vereinigte Königreich die EU offiziell verlassen hat. Im Vorfeld des vierten Treffens der Arbeitsgruppe, das in diesem Sommer stattfinden soll, trafen sich Anfang des Monats US-Handelsminister Wilbur Ross und der britische Minister für internationalen Handel Liam Fox in London. Dabei diskutierten die Handelsminister über die Bedeutung „langfristiger, stabiler und gegenseitiger wirtschaftlicher Investitionen als Grundlage für Stabilität.“ Gleich zu Beginn der Beratungen hatten Beobachter gewarnt, dass sich die USA zurückhalten würden, solange nicht klar sei, wie der Brexit letztlich aussähe.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Ganz und gar nicht zurückhaltend waren dann jedoch die Töne des US-Botschafters in London, Woody Johnson. Präsident Trump wolle so schnell wie möglich ein bilaterales „Post-Brexit-Abkommen“ mit dem Vereinigten Königreich abschließen, so Johnson. „Ihm liegt wirklich viel daran, ein solches bilaterales Abkommen abzuschließen und er ist bereit, die nötigen Schritte zu unternehmen, sobald wir offiziell einen Vertrag unterschreiben können“. Dies habe oberste Priorität für Präsident Trump. Dieser wolle eine schnelle Einigung, um der „special relationship“ zwischen den Nationen auch nach dem Brexit Rechnung zu tragen. Nach dem Motto „Alles ist möglich!“ sei Donald Trump sogar bereit, über ein Null-Zollsatz-Abkommen zu verhandeln. „Dies wäre ein gewagter Schritt, würde aber unsere besondere Beziehung zum Vereinigten Königreich weiter festigen“, betonte Johnson.

Mit seinen euphorischen Worten meldete sich der US-Botschafter genau einen Tag nachdem das britische Kabinett den weichen Brexit-Plan von Theresa May gebilligt hatte in einem Interview mit dem „Daily Express“ zu Wort. Mays Plan sieht vor, dass nach dem Brexit am 29. März 2019 und der Übergangsfrist, die Ende 2020 ausläuft, ein Freihandelsabkommen für Güter und landwirtschaftliche Produkte zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU unterzeichnet werden soll. Brexit-Befürworter befürchten, dass der Plan die Flexibilität des Vereinigten Königreichs, bilaterale Handelsabkommen mit anderen Staaten abzuschließen, einschränken wird. Nach den Rücktritten von Außenminister Boris Johnson, Brexit-Minister David Davis und Staatssekretär Steve Baker schlug dann der Ton des amerikanischen Botschafters um. So verkündete er am Montag, dass ein „Post-Brexit-Abkommen“ nach diesen Ereignissen völlig ungewiss sei. Er sei zwar nach wie vor davon überzeugt, dass ein Abkommen ausgehandelt werden könne, doch Mays Plan eines weichen Brexit sorge für Ungewissheit in Washington. Das „gemeinsame Regelbuch“ des Vereinigten Königreichs mit der EU sieht eine Freihandelszone für Industriegüter und Agrarprodukte vor, in der die Regeln und Standards der EU gelten. Kritiker von Mays weichem Brexit befürchten, dass sich Washington weder auf ein Abkommen einlassen werde, in dem das Vereinigte Königreich weiterhin den Regeln und Standards der EU unterliege, noch würden sich die Vereinigten Staaten mit einem Abkommen zufriedengeben, das den Industrie- und/oder Agrarsektor ausklammert. Schon im vergangenen Jahr machte US-Handelsminister Wilbur Ross bei seinem Besuch in London deutlich, dass sich die Verhandlungen schwierig gestalten könnten. Ob ein erfolgreiches Abkommen zustande käme, sei davon abhängig, ob die Briten bereit seien, von Brüssel auferlegte Vorschriften und Standards über Bord zu werfen. Als Bedingung nannte er beispielsweise, dass das Vereinigte Königreich EU-Vorschriften bezüglich sogenannter „Chlorhühnchen“ oder Gen-Nahrung aufheben müsse. Ein Abkommen zwischen Brüssel und London, das diese Vorschriften aufrechterhalte, würde die Bemühungen um ein Freihandelsabkommen zwischen Washington und London behindern. Ziel sei es, der wichtigste Handelspartner des Vereinigten Königreichs zu werden, betonte Ross. Die Beseitigung von Zöllen und anderer Handelsbarrieren sei unabdingbar. Noch vor einigen Tagen antwortete Trumps Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders auf die Frage, wie sich die jüngsten Ereignisse in Großbritannien auf den anstehenden Besuch auswirken würden, nichtssagend: „Der Präsident freut sich nach wie vor auf sein Treffen mit der Premierministerin und darauf, die besonderen Beziehungen zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich zu stärken.“

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Nun hat sich Präsident Trump nach seiner Ankunft in London selbst zu Wort gemeldet. In einem Exklusiv-Interview mit der britischen Zeitung The Sun warf er May nicht nur vor den Brexit "verbockt" zu haben, sondern stellte zudem mit Blick auf einen "Soft Brexit" noch einmal klar: "Wenn sie so einen Deal machen, würden wir mit der Europäischen Union einen Deal machen anstatt mit dem Vereinigten Königreich." 

Die Diskussionen über die zukünftige Zusammenarbeit beider wirtschaftlich eng miteinander verflochtenen Nationen gehen also weiter. 

Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer im Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.