Ein nasser Hund
Wilder Wedding
Die Premiere im Alhambra, Ecke Seestraße/Müllerstraße mitten im Wedding, wurde zum Triumph: ein johlendes Publikum, glückliche Hauptdarsteller, ein stolzer Regisseur und zufriedene Produzenten. So musste es kommen bei einem Streifen, dem es gelingt, die Straßenkämpfe des Wedding in eine durchaus romantische Geschichte einzubetten.
Aber der Reihe nach: 2010 veröffentlichte Arye Sharuz Shalicar seine Autobiographie „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“. Kern des Buches: die Geschichte eines iranischen Juden, der im Wedding der neunziger Jahre aufwächst und sich einer muslimischen Jugendgang anschließt, und zwar inkognito, also als Jude nicht erkenntlich. Der Film von Damir Lukacevic greift auf diese Vorlage mit der üblichen künstlerischen Freiheit zurück und setzt die Story in Szene – wohlgemerkt: in der aktuellen Zeit und nicht in den neunziger Jahren, in der Shalicars Roman spielt.
Heraus kommt nicht nur eine Hommage an den „Wilden Wedding“, sondern auch ein stets packender Handlungsstrang, der alles enthält, was die raue Seite Berlins zu bieten hat: Schlägereien zwischen Straßengangs in Wedding und Kreuzberg, eine rustikale Freundschaft zwischen Soheil, dem jungen Juden, und Husseyn, dem Anführer der Weddinger Gang, und eine berührende Liebesgeschichte zwischen Soheil und Selma, einer jungen Muslimin. Charakteristisch für den Film ist dabei der rasche, gedrängte Wechsel zwischen Kampf- und Dialogszenen sowie die Dynamik der rastlosen Bewegung mit wenigen, aber klug eingewobenen Momenten der Stille. Dank der brillanten Kameraführung von Sten Mende übertragen sich Hektik und Spannung mühelos ins Kino, die Zuschauer werden in die Handlung hineingesogen und erholen sich bei den – allerdings nur kurzen – romantischen Ruhepausen. Ausstattung und Musik tun ein Übriges. Besser geht es nicht.
Die Botschaft des Films ist eindeutig: Es zählt der Mensch, wie er ist, und nicht die ethnische oder religiöse Gruppe, in die er hineingeboren wurde. Diese macht das Leben schwer, schafft Missverständnisse und Vorurteile, deren Abbau eine der großen gesellschaftlichen Ziele sein muss. Gleichwohl sind diese Vorurteile Wirklichkeit, genauso wie die Gewalt, zu der sie führen. Am Ende des Films geht der Jude Soheil nach Israel und lässt die schwangere Selma zurück, die Soheils muslimischen Freund Husseyn heiratet. Das gemeinsame Leben der Muslimin und des Juden bleibt ein Traum, die Helden des Films finden sich damit ab.
Damir Lukacevic ist ein wunderbares Werk gelungen. Auch die gelegentlich allzu einfache Struktur des Stoffes und der Story kann daran nichts ändern. Das liegt auch an den phantastischen Darstellern. Die vier wichtigsten Rollen sind hervorragend besetzt. Man spürt die authentische Ausstrahlung der vier Schauspieler Doguhan Kabadayi (als Soheil), Mohammend Eliraqui (als Husseyn), Derya Dilber (als Selma) und Kida Khodr Ramadan (als Vater von Soheil), die in ihrer Berliner Biografie gründet. Die jugendlichen Darsteller wurden im Übrigen auf der Straße gecastet (und nicht in der Schauspielschule!). All dies war auch bei der Premiere spürbar: So viel gemeinsame Begeisterung für das Projekt steckt alle an, auch das Publikum.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser Film eine weite Verbreitung findet – und zwar nicht nur in Kinos, sondern auch in Schulen. Er liefert neben dramatischer Action und Gewalt auch Wärme und Zärtlichkeit. Er kämpft gegen Hass und Antisemitismus, aber ohne den in Deutschland oft üblichen erhobenen Zeigefinger.