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Indien & USA
Freundschaft mit Hindernissen: Indiens Balanceakt mit den USA unter Donald Trump

US-Präsident Donald Trump (L) und der indische Premierminister Narendra Modi schreiten am Dienstag, 25. Februar 2020, über einen roten Teppich im Hyderabad House in Neu-Delhi, Indien.

US-Präsident Donald Trump und der indische Premierminister Narendra Modi im Februar 2020.

© picture alliance / newscom | RAJ PATEL

Interesse an Indien demonstriert die neue US-Regierung bereits an ihrem ersten vollen Arbeitstag. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar war am Tag nach der Vereidigung von Donald Trump zum 47. US-Präsidenten der erste ausländische Gesandte, den Trumps Topdiplomat Marco Rubio zu einem bilateralen Treffen zu sich lud. Beide bekräftigten hinterher ihr Engagement für eine "weitere Stärkung der Partnerschaft" zwischen den beiden Ländern. Er sei "hocherfreut" über das Treffen, teilte Jaishankar mit.

Die freundlichen Worte sind mehr als nur politische Show: Mit Rubio hat Jaishankar einen Amtskollegen in Washington, der nicht nur zu den schärfsten Kritikern von Indiens Rivalen China zählt, sondern sich in der Vergangenheit vehement für ein engeres Verhältnis mit der Regierung in Neu-Delhi ausgesprochen hat. Doch ob es tatsächlich dazu kommt, wird von der Kompromissbereitschaft beider Seiten abhängen. Denn in einer Reihe von Politikfeldern zeichnen sich Spannungen ab, die eine weitere Annäherung auch ausbremsen könnten.

Irreguläre Migration als wunder Punkt

Einer der wunden Punkte im indisch-amerikanischen Verhältnis ist die irreguläre Migration in die USA, der Trump den Kampf angesagt hat – eines der Themen, das Rubio im Austausch mit Jaishankar ansprach. Studien zufolge stellen Inder die drittgrößte Gruppe von Einwanderern, die sich ohne Aufenthaltserlaubnis in den Vereinigten Staaten aufhalten – hinter Menschen aus Mexiko und El Salvador. Ihre Zahl wurde 2022 in einer Untersuchung des Pew Research Center auf 725.000 geschätzt.

Ob ihre Abschiebung nach Indien möglich ist, macht Jaishankar davon abhängig, dass seine Regierung davon überzeugt ist, dass es sich tatsächlich um indische Staatsbürger handelt – ein Nachweis dürfte in vielen Fällen schwierig zu erbringen sein. Zumindest mit Blick auf eine begrenzte Personenzahl will man in Neu-Delhi aber offenbar guten Willen demonstrieren: Medienberichten zufolge haben die Behörden beider Länder 18.000 Personen in den USA identifiziert, die nun nach Indien abgeschoben werden sollen.

Doch auch die legale Zuwanderung bietet Konfliktstoff: Teile von Trumps Verbündeten bei den Republikanern wollen die Vergabe sogenannter H-1B-Visa an ausländische Fachkräfte einschränken. In den vergangenen Jahren profitierten von dem Programm vor allem Inderinnen und Inder, die unter anderem für Jobs in der IT-Industrie nach Amerika zogen. Ein Ende der Visumsvergabe würde die Karrierepläne Hunderttausender gut ausgebildeter junger Menschen aus Indien untergraben und auch die Arbeit indischer Konzerne in den USA erschweren.

Auch Trumps – vorerst von einem Gericht gestoppter – Plan, die Vergabe der US-Staatsbürgerschaft bei Geburt in den USA zu beenden, droht die Migrationszusammenarbeit mit Indien zu beeinträchtigen: Indische Zuwanderer fürchten dadurch zunehmende Probleme bei der Familiengründung in Amerika. Außenminister Jaishankar machte in Washington klar, dass er Hürden für indische Fachkräfte kritisch sieht: "Als Regierung unterstützen wir natürlich die legale Mobilität sehr", sagte er zu Journalisten. "Wir wollen, dass indische Talente auf globaler Ebene maximale Chancen haben."

USA verschärfen Handelskonflikt mit Indien durch Strafzoll-Drohungen

Erhebliche Differenzen gibt es auch in der Wirtschafts- und Handelspolitik. Trump hatte in der Vergangenheit wiederholt die Höhe indischer Zölle auf US-Produkte kritisiert. Indische Exporteure sorgen sich davor, dass die USA nun mit Strafzöllen auf indische Güter reagieren könnten. Befeuert wurden die Befürchtungen durch Trumps erneute Drohung, Zölle in Höhe von 100 Prozent auf Produkte aus den BRICS-Staaten – zu denen Indien gehört – zu erheben, sollten sich diese im internationalen Zahlungsverkehr vom Dollar abwenden.

Die Regierung von Premierminister Narendra Modi dementiert jegliche Pläne, sich vom US-Dollar lösen zu wollen – und sieht das Problem damit vom Tisch. Anderen Streitpunkten kann sie aber deutlich weniger leicht aus dem Weg gehen. Einer davon ist Indiens erheblicher Handelsbilanzüberschuss im Verhältnis zu den USA. Der Wert von Indiens Exporten in das Land überstieg zuletzt das Importvolumen um 32 Milliarden Dollar. Solche Ungleichgewichte stoßen bei Trump auf Widerstand.

Modi ist offenbar bereit, auf den Republikaner zuzugehen. Medienberichten zufolge erwägt seine Regierung derzeit mehrere Optionen – von einer Ausweitung der Importe aus den USA, über niedrigere Zölle auf US-Produkte bis zu einem vollständigen Handelsabkommen. Die Hürden dafür sind aber groß. In der ersten Amtszeit Trumps scheiterte der Versuch, ein solches Abkommen zu schließen – auch nachdem Trump dem Land "einen unglaublichen Handelsdeal" in Aussicht gestellt hatte.

In Neu-Delhi gibt es jedoch die Hoffnung, dass der realpolitische, transaktionale Stil Trumps eine Einigung eher begünstigt – im Gegensatz zur Vorgängerregierung in Washington, die auch die Menschenrechtslage in Indien in den Blick nahm und unter anderem mangelnde Religionsfreiheit beklagte. Mögliche Fortschritte hängen nun auch an der Frage, ob Trump und Modi an ihr gutes persönliches Verhältnis anknüpfen können. Die beiden Politiker hatten füreinander 2019 und 2020 wechselseitig Großevents organisiert – Trump empfing Modi in einem Football-Stadion in Texas vor Zehntausenden Zuschauern, Modi lud Trump anschließend in ein Cricket-Stadion in seinem Heimatbundesstaat Gujarat.

Strategische Partnerschaft gegen Chinas Einfluss.

Internationale Medien berichten nun, dass das nächste persönliche Treffen zwischen den beiden bereits in wenigen Wochen stattfinden könnte. Demnach gilt eine Modi-Reise nach Washington noch im Februar für möglich. Im Lauf des Jahres könnte Trump dann auch nach Indien reisen, wenn Modi das Gipfeltreffen der sogenannten Quad-Staaten, ein informeller Sicherheitsdialog, zu dem neben den USA und Indien auch Japan und Australien gehören, ausrichtet.

Die Kooperation in der Quad-Gruppe, die vielfach als Gegengewicht zu China verstanden wird, verdeutlicht, dass eine Zusammenarbeit zwischen Washington und Neu-Delhi strategisch im Interesse beider Länder ist: Sowohl die USA als auch Indien sorgen sich vor dem wachsenden Einfluss der Volksrepublik – und sehen einander bei der Abwehr von Pekings Vormachtstreben als unverzichtbare Partner. Eine vertiefte Verteidigungszusammenarbeit und der gemeinsame Einsatz für einen "freien und offenen Indopazifik" standen folglich auch auf der Agenda des Rubio-Jaishankar-Treffens.

In seinen Glückwünschen zum indischen Tag der Republik am vergangenen Sonntag nannte Rubio das USA-Indien-Verhältnis "eine der wichtigsten Beziehungen des 21. Jahrhunderts", die "immer neue Höhepunkte" erreiche. Angesichts der Herausforderungen, vor denen die Länder stehen, muss sich erst noch zeigen, ob dieser Optimismus gerechtfertigt ist. Rubios zuversichtliche Töne unterstreichen aber, dass der Willen der Amerikaner sich in Indien zu engagieren, auch in der zweiten Amtszeit Trumps nicht verschwunden ist.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
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