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Wirtschaft und Menschenrechte
Gemeinsam Wirtschaft und Menschenrechte stärken

Vertreter des indonesischen Ministeriums für Recht und Menschenrechte (Kemenkumham) erkundigen sich in Berlin nach den deutschen Erfahrungen zum Lieferkettengesetz.

Vertreter des indonesischen Ministeriums für Recht und Menschenrechte (Kemenkumham) erkundigen sich in Berlin nach den deutschen Erfahrungen zum Lieferkettengesetz.

© FNF Indonesia

Indonesien ist einer der Vorreiter in Südostasien

In einer arbeitsteiligen, globalisierten Wirtschaft ist der Schutz der Menschenrechte entlang globaler Lieferketten nicht einfach zu gewährleisten, aber notwendig. Deutschland und Europa haben jüngst – nach teils kontroversen Debatten – neue Gesetze auf den Weg gebracht, die einen besseren Schutz gewährleisten sollen. Den normativen Rahmen für nationale Gesetzgebungen bilden die im Jahr 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, deren Prinzipien im Drei-Säulen-Modell „Schutz, Achtung und Abhilfe“ zusammengefasst werden. Wenige wissen, dass auch Indonesien als einer der Vorreiter in Südostasien konkrete Schritte hin zu einer Umsetzung dieser Leitprinzipien unternimmt. Während eines einwöchigen Besuchs in Berlin im August 2024 informierte sich eine Delegation des indonesischen Ministeriums für Recht und Menschenrechte nach dem aktuellen Stand rund um das neue Lieferkettengesetz in Deutschland. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in den politischen Prozess in Indonesien einfließen.

Es ist bemerkenswert, dass Indonesien – mit seinen knapp 280 Millionen Einwohnern ein Schwergewicht in Südostasien – sich dazu bekennt, das Thema Wirtschaft und Menschenrechte auf höchster Ebene anzugehen. Am 26. September 2023 erließ Präsident Joko Widodo eine Präsidialverordnung, welche die Umsetzung einer Nationalen Strategie für Wirtschaft und Menschenrechte verpflichtend macht. Für Deutschland und Europa sind dies auf lange Sicht positive Entwicklungen. Denn es ist offensichtlich, dass Menschenrechte entlang globaler Lieferketten dann am besten geschützt werden können, wenn möglichst viele Akteure sich aktiv daran beteiligen. Die indonesischen Anstrengungen haben das Potential, zukünftig Prüfprozesse zu vereinfachen. Beispielsweise ist es für ein mittelständisches Unternehmen in Deutschland eine Herausforderung, verästelte Lieferketten bis ins ländliche Indonesien genau nachzuvollziehen. Da ein effektiver Menschenrechtsschutz möglichst unbürokratisch und einfach umsetzbar sein muss, ist es daher hilfreich, wenn Regierungen weltweit vergleichbare Standards etablieren.

Chancen für mehr wirtschaftlichen Austausch

Indonesien wird als Absatzmarkt und aufgrund der globalen Nachfrage nach seinen begehrten Rohstoffen und Gütern sowie zunehmend wegen seiner geopolitischen Lage ein immer wichtigerer weltwirtschaftlicher Akteur. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Indonesien sind allerdings in den letzten Jahren wenig harmonisch gewesen. Vor diesem Hintergrund sind gute Nachrichten willkommen. Für Deutschland und Europa bietet sich die Perspektive, auf Basis vergleichbarer Standards beim Menschenrechtsschutz den Handel anzukurbeln und wirtschaftliche Verbindungen zu stärken. Letzteres entspricht dem strategischen Ziel Deutschlands, die wirtschaftlichen Kooperationen in Asien zu diversifizieren.

Doch zunächst steht das indonesische Ministerium für Recht und Menschenrechte (Kemenkumham) vor einer Herkulesaufgabe: Im Zeitraum von 2023-2025 muss es die Nationalen Strategie für Wirtschaft und Menschenrechte mit Leben füllen und deren Implementation überwachen. Dies macht eine enge Zusammenarbeit mit anderen indonesischen Ministerien, zivilgesellschaftlichen Institutionen und regionalen Regierungen notwendig. Auf Ebene der Ministerien und der lokalen Regierungen müssen umfassende Abläufe erdacht, Konsens hergestellt und Zuständigkeiten geklärt werden. Und letztlich muss all dies in einem Land realisiert werden, in dem die einheitliche Durchsetzung staatlicher Normen bisweilen eine Herausforderung darstellt und das sich über einen weitläufigen Archipel mit ca. 7000 bewohnten Inseln erstreckt. Bei dieser Pionierarbeit kommt der Austausch mit Gesprächspartnern in Deutschland zur rechten Zeit.

Kooperation mit der Menschenrechtsabteilung des Ministeriums

Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) in Indonesien sieht im Schutz der Menschenrechte eine wichtige Voraussetzung für freien Handel und mehr Austausch zwischen Europa und Indonesien. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Etablierung menschenrechtlicher Normen von indonesischen Institutionen eigenverantwortlich ausformuliert und verantwortet wird. Von außen oktroyierte Normen, die womöglich noch auf bevormundende Art und Weise artikuliert werden, sind kontraproduktiv. Diesen Prozess der eigenständigen indonesischen Definition und Implementation von Regeln an der Schnittstelle von Wirtschaft und Menschenrechten begleitet die FNS seit 2021. Der Prozess ist naturgemäß langwierig; allerdings konnte das Ministerium in den letzten Monaten konkrete Fortschritte erreichen. Die Etablierung nationaler und regionaler Task Forces und die zunehmende Verbreiterung des Kreises der mit der Umsetzung der Nationalen Strategie befassten Entscheidungsträger stimmt optimistisch.

Die achtköpfige indonesische Delegation, die im Rahmen des IAF-Besuchsprogramms Berlin besuchte, hat die Gelegenheit genutzt, von den Erfahrungen vor und nach Einführung des deutschen Lieferkettengesetzes zu lernen. Dabei erfuhren sie auch, dass in Deutschland nicht alle Betroffenen glücklich mit dem neuen Regelwerk sind: Zwar eint alle Akteure der Wille, Menschenrechte schützen zu wollen, doch die neuen Pflichten sorgen bei einigen Unternehmen, die bereits unter der Last einer Vielzahl anderer gesetzlicher und bürokratischer Vorschriften stöhnen, für wenig Begeisterung. Dazu kommt, dass sie sich in naher Zukunft auf ein neues Regelwerk einstimmen müssen – denn auf europäischer Ebene ist die noch einmal strengere Richtlinie „Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD“ bereits beschlossene Sache. Insofern boten die Gespräche in Berlin Anschauungsmaterial für die indonesische Delegation, wie man einige Prozesse möglicherweise auch einfacher und unbürokratischer – und damit langfristig erfolgreich – gestalten kann.

Der Geist des Pragmatismus überwog während des einwöchigen Besuchs, der Treffen im Bundesjustizministerium, im Deutschen Bundestag und mit menschenrechtlichen Nichtregierungsorganisationen ebenso umfasste wie Gespräche mit Fachexperten aus Aufsichtsbehörden, Vertretern von Wirtschaftsverbänden und Diplomaten. Die Delegationsleiterin Harniati, Direktorin für Menschenrechtskooperationen im indonesischen Ministerium resümiert: „Für uns bot diese Woche die einmalige Chance, Schlüsse aus den deutschen Erfahrungen zu ziehen und neue Zusammenhänge zu erkennen. Dies hilft uns bei der Umsetzung der Nationalen Strategie für Wirtschaft und Menschenrechte zuhause in Indonesien“. Die FNS in Indonesien wird sie dabei unterstützen.