Industriestrompreis
Spirale der Subventionen
Wäre das Thema nicht so ernst, würde es sich für eine beißende Satire eignen. Die deutsche Energiepolitik hat über Jahre dafür gesorgt, dass der Strom hierzulande teurer ist als in anderen Industrienationen. Zentrale Gründe für den hohen Strompreis sind dabei harte staatliche Interventionen: der forcierte Ausstieg aus der Kernenergie sowie die massive subventionsgetriebene Förderung der Erneuerbaren Energien – und zuletzt natürlich der Umstieg der Gaslieferungen von Russland auf andere Quellen, der sich im Ausland weniger dramatisch auswirkte als hierzulande. Jetzt ist der Strom entsprechend teuer – auf lange Zeit. Der Wirtschaftsstandort Deutschland leidet darunter. Das ist die marktwirtschaftliche Konsequenz und war im Wesentlichen vorauszusehen.
Einige politische Akteure wollen jetzt – für eine mittelfristige Übergangszeit – einen massiv subventionierten Strompreis für jene Industriebranchen, die besonders energieintensiv produzieren. Damit sollen diese Industrien überzeugt werden, nicht aus Deutschland abzuwandern. Dies ist ein groteskes Beispiel für die Interventionsspirale, wie sie schon 1929 von Ludwig von Mises beschrieben wurde: Der Staat greift an einer Stelle ein, dies hat unerwünschte Nebenwirkungen, die er dann durch eine Intervention an anderer Stelle zu korrigieren sucht, wahrscheinlich mit neuen Nebenwirkungen und in der Folge neuen Interventionen usw., usw. Ergebnis ist schließlich ein Zustand einer allgemeinen Überforderung der Staatsfinanzen und des Steuerzahlers, als Endpunkt der Subventions-Spirale. Daneben kommt es dann auch noch zu einer zusätzlichen Welle der Bürokratie, denn klar: Ob ein Unternehmen energieintensiv produziert, und in welchen Betrieben, und ob es dabei die geplanten Nebenbedingungen erfüllt, die die Befürworter der Maßnahme wohl verlangen würden, also klimapolitische Transformationspläne vorweist sowie Standort- und Tariftreue zusichert und einhält, das muss alles behördlich überprüft werden. Indes ist überhaupt nicht gewährleistet, ob eine solche Maßnahme überhaupt in Brüssel Bestand haben könnte. Die EU-Beihilferegelungen schließen marktverzerrende Förderungen explizit aus – daher ist davon auszugehen, dass unsere europäischen Partner berechtigte Einwände gegen das Vorhaben äußern würden. Was für ein ordnungspolitischer Irrweg!
Natürlich erhält der Vorschlag von all denen Zustimmung, die Profiteure der Subventionen sind, vor allem von der Großindustrie und den Industriegewerkschaften, die dort ihre Hochburgen der Mitgliedschaft haben. Massiver Protest kommt vom gewerblichen Mittelstand, der ausgeschlossen bleibt, obwohl er natürlich auch eine Entlastung bei den Energiekosten dringend braucht. Will man eine Entlastung gewähren, wäre der ordnungspolitisch richtige Weg, die Stromsteuer zu senken, wie es der Finanzminister als denkbaren Ausweg vorschlägt. Um Standortverlagerungen ins Ausland zu vermeiden, bedarf es dagegen eines umfassenderen Entlastungspakets, wie es ja auch von der Bundesregierung jedenfalls durch das Wachstumschancen-, das Zukunftsfinanzierungs- und das Bürokratieentlastungsgesetz geplant ist.
Auch dies wird noch nicht reichen, um Deutschland wieder zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort zu machen. Mehr muss folgen: ein forcierter Ausbau der Energiequellen in allen Bereichen – vom Strom zur Wärme, eine grundlegende Reform unseres Sozialstaats in Richtung seiner nachhaltigen Finanzierbarkeit, und eine Steuerreform, die Investitionen und Innovationen steuerlich entlastet und fördert. Ein Mammutprogramm! Aber unvermeidlich, denn nur so wird Deutschland, laut dem britischen Wirtschaftsmagazin THE ECONOMIST der “kranke Mann Europas”, mittel- und langfristig wieder gesunden. Und eine grundlegende Weichenstellung in diese Richtung, wenn sie denn als glaubwürdig und nachhaltig wahrgenommen wird, kann auch kurzfristig helfen, die Standorttreue von Unternehmen zu befördern. Selektive Stromsubventionen, die in politischer Panik eingeführt werden, leisten dies dagegen nicht.