Foto 
  Karl-Heinz
 
  Paqué
Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Kolumne
Kunst des Unmöglichen

Das Europäische Parlament hat das Aus des Verbrenners bis 2035 beschlossen. Es wird nicht kommen. Und es ist ordnungspolitischer Unsinn.
Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit © Thomas Imo/photothek.net

Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

© Thomas Imo/photothek.net

Von Bismarck stammt der Satz: „Die Politik ist die Kunst des Möglichen.“ Darin steckt viel Weisheit. Das Europäische Parlament hat in dieser Woche mit seinem Beschluss zum Verbrenner-Aus diese Weisheit komplett ignoriert - u. a. gegen das Votum der FDP und CDU-Delegierten aus Deutschland.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Der Beschluss ist absurd, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Es wird für eine ganze Reihe von Ländern in der Europäischen Union völlig unmöglich sein, innerhalb von nur 12 Jahren, die von 2023 bis 2035 verbleiben, die nötige Lade-Infrastruktur aufzubauen. Selbst für Deutschland, einem der wohlhabendsten Nationen der EU, ist das ein Projekt der Unmöglichkeit - fängt das Land in dieser Hinsicht doch bei fast null an. Aber für die viel ärmeren mittel- und osteuropäischen Mitgliedsländer ist das Vorhaben geradezu abenteuerlich: Bulgarien und Rumänien, Kroatien und Ungarn, die Slowakei und Slowenien, das großflächige, ländlich geprägte Polen: In all diesen Nationen, in denen das Pro-Kopf-Einkommen gerade mal bei der Hälfte Deutschlands liegt, soll in 12 Jahren die nötige Infrastruktur stehen - trotz akuten Engpässen bei der Energieversorgung, trotz klammer öffentlicher Kassen, trotz weit verbreiteter Armut der Bevölkerung, trotz völlig veraltetem Fuhrpark und trotz grassierendem politischen Populismus.

Man fragt sich: Wo ist in Brüssel der Sinn für die Realitäten geblieben? All dies wäre vielleicht gesellschaftlich harmlos, wenn nicht die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel stünde. Man wird wohl nur ein paar Jahre warten müssen, bis dieser Beschluss rückgängig gemacht oder ab 2035 mindestens in Teilen der EU einfach ignoriert wird. Das wird natürlich dem Verdruss über die Politik der EU nochmals einen kräftigen Schub geben. Und es wird die angestrebten EU-Erweiterungen - vom Westbalkan bis zur Ukraine - massiv erschweren, denn man muss ja dann auch von diesen Ländern erwarten, dass sie auf den Verbrenner verzichten, was auf absehbare Zeit bei deren wirtschaftlicher Lage völlig undankbar ist.

Hinzu kommt natürlich der ordnungspolitische Irrweg, der mit dem Beschluss verbunden ist: Wer kennt schon den künftigen technischen Fortschritt bei der Verwendung nicht-fossiler Treibstoffe in Verbrennungsmotoren? Sicherlich nicht die Brüsseler Bürokraten und Abgeordneten des Parlaments, aber auch nicht jene spezialisierten Techniker in Autofirmen wie VW, deren berufliches Fortkommen eng verknüpft ist mit der Fortentwicklung von Elektromotoren - und deren massive Subventionierung mit Steuergeldern. Von Technologie-Offenheit kann nicht mehr die Rede sein, auch wenn Mitte dieses Jahrzehnts eine Prüfung ansteht, ob andere Antriebsarten schnelle Fortschritte machen, die der Entscheidung dieser Woche entgegenstehen.

Und im Übrigen stellt sich die bange Frage: Wird die Technologie der Elektromotoren selbst überhaupt auf absehbare Zeit ausgereift sein? Immer wieder gibt es zum Beispiel Berichte, dass kaum ein Elektroauto wintertauglich ist. Die Kälte reduziert die Reichweite der Batterie auf drastische Art und Weise, so dass Langstrecken zum Lotto-Spiel werden, jedenfalls in Regionen mit robustem Kontinentalklima. Armes Nord-, Mittel- und Osteuropa!

Fazit: Grünes Wunschdenken hat über die Vernunft gesiegt, in Brüssel wird die Kunst des Unmöglichen betrieben. Wir werden teuer dafür bezahlen, wirtschaftlich und politisch.