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Auslandsakademie
Die politische und religiöse Landschaft Libanons

Libanon
© FNF

Über den Dächern Beiruts die Lage des Landes diskutieren

Am Nachmittag des Montags ging es in die deutsche Botschaft und wir hatten die Möglichkeit ein anregendes Gespräch mit dem deutschen Botschafter Andreas Kindl zu führen. Bei diesem Gespräch wurde überwiegend über die politische, wirtschaftliche und humane Lage des Libanons gesprochen und über die Einschätzung von Herrn Kindl zu der aktuellen Situation.

Auf der Dachterasse angekommen wurden wir freundlich in Empfang genommen und konnten einen weiten Blick über die Stadt und den Hafen werfen. Dabei fiel auf, dass die bewohnten Gebäude sehr ähnlich aufgebaut sind und wie sehr sich der Stadtaufbau von deutschen Städten unterscheidet.

Als alle Stipendiaten durch die Sicherheitskontrolle gekommen waren und mit dem Aufzug auf der Terasse angelangt sind begann das interessante Gespräch.

Zu Beginn bekamen wir einen angenehmen Einblick in die durch die Wahlen am 15.05.2022 entstandenen Möglichkeiten und die Grenzen dieser. Zum einen wurde bei der Wahl die Mehrheit des Parlaments weg von der Hisbollah verschoben und zum anderen bieten die 13-14 neuen Oppositionellen neue Chancen für die daraufhin besprochene katastrophale Wirtschaftslage.

Die libanesische Wirtschaft befindet sich in einer der fünf schlimmsten Wirtschaftskrisen der Gesellschaft, wurde jedoch als einzige nicht durch äußere, sondern überwiegend durch politisch interne Motivationen herbeigerufen. Auch durch die Herkunft der Krise wird klar, dass sie nicht so einfach zu lösen ist und das die derzeitige Regierung dies nicht als Ziel ihr sieht.

Auch geplante Hilfen von außerhalb werden eher als kritisch angesehen, denn zu den meisten ausländischen Geldern gehören Auflagen. Diese - meistens durch das IWF und weitere Geldgeber - entschiedenen Reformen finden jedoch bei der auf diese Hilfen angewiesene Regierung keinen Anschluss, da diese die momentan reichsten und einflussreichsten Menschen einschränken würde. Deutschlands Interesse gegenüber neuen monetären Hilfen ist durch fehlende Perspektiven im Land sehr eingeschränkt. Die deutsche Botschaft stellt sich in dem jetzigen Regierungssystem sehr kritisch gegen die einfache monetäre Hilfe.

Das Orient Institut Beirut

Eine Reise durch den Libanon bedeutet ebenso eine Reise durch die Religionen. 18 verschiedene Religionsgemeinschaften treffen hier auf engstem Raum aufeinander, einem Brennglas gleich. Auf diesem Raum haben sich zahlreiche Konflikte abgespielt, der libanesische Bürgerkrieg als trauriger Höhepunkt - doch es geben sich auch verbindende, interkonfessionelle Perspektiven auf.

Der Grund für die religiöse Vielfalt des Libanons liegt nicht zuletzt in seiner topographischen Beschaffenheit. Dienten die verwinkelten und unzugänglichen Gebirgszüge doch als Rückzugsgebiete für zahlreiche religiöse Konfessionen wie den Christen, schiitischen und sunnitischen Muslimen oder den Drusen während Zeiten der Besetzung durch die Tempelritter oder des Osmanischen Reiches und konnten sich so dem im Rest der Region auferlegten Konvertierungsdruck entziehen.

Die regionale Verteilung der unterschiedlichen Konfessionen legt - im Kontext des Ersten Weltkriegs und des Sykes-Picot-Abkommens- auch den Grundstein für die Traditionen des Landes und damit auch für die zeitgenössischen Konflikte und das politische, sektiererische, System.

Das Orient Institut Beirut schaut auf eine sechzigjährige Geschichte zurück. Gegründet durch die Deutsche Morgenländische Gesellschaft wurde es zur Institution für die Sammlung, wissenschaftlichen Bearbeitung und Diskussion der Forschungsergebnisse aus den Sprachwissenschaftlichen und Kulturwissenschaftlichen Disziplinen im Nahen Osten. Selbst die Zeiten des Bürgerkriegs zwischen 1975 und 1990 überstand das OIB und führte den Institutsbetrieb fort.

Der Fokus der Arbeiten, die im Rahmen des OIB und der Förderung der Max-Weber-Stiftung entstehen, legen ihren Fokus dabei auf islam- und religionswissenschaftliche Fragen im Libanon und der ganzen Region, in der neueren Zeit aber auch vermehrt auf soziologische Fragestellungen.

Diese Orientierung des OIB wird besonders anschaulich anhand der Arbeiten von Dr. Würtz und Dr. El-Bulbeisi

Forschungsvorhaben - Dr. Thomas Würtz

Eine interkonfessionelle Perspektive nimmt Dr. Würtz mit der Betrachtung der Bibelzitate im Korankommentar des Gelehrten Ibrahim al-Biqa‘i ein.

In der schon im 15. Jahrhundert etablierten Gattung der Korankommentierung war es ungewöhnlich, aus der Bibel zu zitieren - gilt diese doch eigentlich als verfälscht im Angesicht der 4 Evangelien und teils widersprüchlichen Aussagen im Alten und Neuen Testament.

Dr. Würtz untersucht mit seiner Forschung das Werk al-Biqa‘is und dessen insgesamt 30 Bibelzitate unter der Frage, wie diese Bibelstellen im Gesamtkontext zu deuten sind und welches Konzept von der Bibel im Islam in dieser Zeit bestand.

Forschungsvorhaben - Dr. El-Bulbeisi

Dr. El-Bulbeisi nimmt mit ihrer Forschung die Zeit des Bürgerkriegs und dessen noch heute zu beobachtenden Nachwirkungen in den Blick. Thematisch ist ihre Arbeit dem neueren, soziologischen Zweig einzuordnen, sie verwendet psychoanalytische Konzepte und Methoden und erhebt empirische Daten anhand von Gesprächen.

Vertreibungs- und Kriegserfahrungen haben Spuren bei den Libanesen hinterlassen. Die Frage, der sich Dr. El-Bulbeisi widmet, ist die, wie sich diese Erfahrungen auf die (konfessionellen) Identitäten und Beziehungsgefüge der Bürgerkriegs- und Nach-Bürgerkriegsgeneration ausgewirkt haben.

Ein öffentlicher Prozess der Verarbeitung in Kunst, Kultur und Zivilgesellschaft fand nicht statt, konfessionelle Bindungen und die Angst vor neuen Kriegshandlungen dienen libanesischen politischen Eliten weiterhin als Herrschaftsinstrument und Mittel zur Machtstabilisierung. Die Lebensrealität der Gesprächspartner präsentiert eher das Bild eines kontinuierlichen Kriegszustandes mit einem Übergang des Bürgerkriegs in einen derzeitigen Wirtschaftskrieg - dessen Demarkationslinien ebenso entlang der Konfessionen verlaufen.

Ida Mantey studiert in Braunschweig Wirtschaftsingenieurwesen Bau und ist seit April 2021 in der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Bennet Winands studiert Deutsch und Geographie im Lehramt an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und schreibt derzeit seine Examensarbeit zur Motivgeschichte des Vampirs in der europäischen Romantik.

 

Libanon
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