EN

Auslandsakademie
"Parachuting into politics"

Libanon

Nach dem Mittagessen im Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit entschied sich ein größerer Teil der Gruppe die Mohammed-al-Amin Moschee und ihre Umgebung zu besichtigen. Leider konnten wir die Moschee nicht von innen besuchen, gerade deshalb wurden wir jedoch Zeugen von einem historischen Ereignis. Die Mauer, die ursprünglich im Zuge der Proteste von 2019 errichtet wurde, um den Zugang zum Parlament für Protestierende zu versperren, wurde just in dem Moment des Vorbeilaufens symbolträchtig eingerissen. Dieses Ereignis führte auf die kürzlich stattgefundene Parlamentswahl zurück, die überraschenderweise zugunsten reformwilliger Parteien ausging. 

Einen Akteur der Protestaktionen durften wir anschließend zurück im Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sogar kennenlernen: Hussein El Achi. Er ist Mitgründer und Generalsekretär der Oppositionspartei Minteshreen, die aus den Oktoberprotesten 2019 entstanden ist. Aus einer heute nüchternen Perspektive berichtete er von der anfänglichen Romantisierung der Revolutionsbewegung. Die jungen Protestierenden glitten vereint in dem Willen der Veränderung, jedoch auch orientierungslos, in die Politik („Parachuting into politics“). Trotz gemeinsamen Ausgangspunkts gelang es ihnen als Bewegung nicht reichweitigen politischen Einfluss zu gewinnen. Dies lag vor allem an den zu diversen politischen Ausrichtungen, die die Einigung auf ein gemeinsames Wahlprogramm unmöglich machten – oder mit El Achis Worten: „I would not say that we were divided, but we were not unified“.

Zweiter Speaker des Nachmittags war Geschäftsführer der Samir Kassir Foundation, Ayman Mhanna. Die Samir Kassir Foundation ist einer der führenden Organisationen für Meinungsfreiheit im arabischen Raum. Der Name der Stiftung geht auf den 2005 ermordeten liberalen Freidenker Samir Kassir zurück. Seit vielen Jahren ist die Region ein gefährlicher Ort für Journalisten. Nicht selten werden Journalisten Opfer von Gewalttaten bis hin zu Ermordungen. Deshalb besteht eine Aufgabe der Stiftung darin, Aufmerksamkeit auf solche Vorkommnisse zu richten. Im Rahmen von sog. „safety“-Schulungen wird Journalisten zudem beigebracht wie in bedrohlichen Situationen zu reagieren ist, beispielsweise bei einem Angriff durch Tränengas oder im Falle des Kidnappings. Außerdem setzt sich die Stiftung für qualitativ hochwertige Berichtserstattung ein, die ein Vertrauen der Menschen in die Medien wiederherstellen soll.

Krönenden Abschluss des Nachmittags stellte der Austausch mit Meike Ziervogel dar. Sie ist Gründerin von Alsama. Alsama ist eine neu gegründete Nichtregierungsorganisation, die mittellose syrische Flüchtlingsjugendliche im Libanon unterstützt und eine abwechslungsreiche Ausbildung für diese bietet. Sie gab uns einen realistischen Einblick in die größtenteils perspektivlose Zukunft der syrischen Jugendlichen im Flüchtlingscamp. Dabei betonte sie jedoch auch die Wissbegierde und das Durchhaltevermögen der jungen Menschen. Besonders stolz erzählte Meike von zwei Mädchen, die dank Alsama auf eine renommierte High School gehen. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit unterstützt die Organisation mit einem Erwachsenenbildungsprogramm für die Eltern der Schüler. 

Esther Röcher ist 23 Jahre alt und studiert Philosophie und Ethnologie im BA an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Heilpädagogik/ Inclusive Education im BA an der Katholischen Hochschule Freiburg.

Lssan Estifanos ist 26 Jahre alt und promoviert im Völkerrecht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, nachdem sie ihr erstes juristisches Staatsexamen ebenfalls in Frankfurt erfolgreich absolviert hat.