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Auslandsakademie
Von alten Steinen und neuen Schiffen

Libanon
© FNF

Über Schlaglöcher starten wir einen knapp dreistündigen Trip nach Naqoura. Ziel ist die UNIFIL Mission im Süden des Landes. Die UNIFIL Mission soll dabei den Frieden und die Sicherheit im südlichen Teil des Libanon überwachen. Auf dem Weg nach Naqoura werden wir auf der rechten Seite von dem Mittelmeer begleitet. Auf der linken erstreckt sich das bergigere Hinterland, welches nach Süden immer weiter an Form und Gestalt zunimmt. Die plötzlich auftauchenden gelben Flaggen, die sich auf der Autobahn mit der Flagge des Libanons abwechseln, weisen deutlich darauf hin, dass wir in das Gebiet der Hisbollah fahren.

Auf unserer Fahrt kommen wir auch an mehreren Checkpoints der libanesischen Armee vorbei. Angehalten werden wir allerdings erst, als wir in die Pufferzone vor der Blue Line zwischen dem Libanon und Israel fahren wollen. Zwar haben wir im Vorfeld eine Sondergenehmigung einholen können, um die UNIFIL besuchen zu können, aber am Ende werden wir sechzig Minuten ohne Erfolg am Checkpoint verbracht haben. Die libanesischen Soldaten wollen, dass das UNIFIL Hauptquartier und der libanesische Geheimdienst unseren Aufenthalt noch einmal genehmigen. Nach vielen Telefonaten reisen wir unverrichteter Dinge ab, um am Nachmittag wieder zu kommen. Dafür ziehen wir den ursprünglichen Programmpunkt des Nachmittags vor und besuchen die Ruinen von Tyros. Nur eine kurze Fahrt an der Küste entfernt und unscheinbar in einer kleinen Einfahrt versteckt, erreichten wir das Tourismusgebäude, hinter dem sich die Ruinen erstrecken.

Die Ruinen von Tyros

Da unsere frühe Ankunft ungeplant war, hatten wir noch Zeit, uns einen ersten eigenen Eindruck von dem UNESCO-Weltkulturerbe zu machen. Auf den ersten Blick verriet die weite Fläche alter Steinbrüche und Steinüberresten nicht, wie viel Geschichte sich an diesem Ort befand. Erst als unser Tourguide Jihad, Archäologe und Geschichtsdozent an der staatlichen Universität Beiruts, zu uns stieß, wurden die komplexen Strukturen und Bauten innerhalb der Ruinen ersichtlich. Jihad erklärte uns zunächst, dass die Ruinen Überbleibsel mehrerer Zivilisationen seien. Denn über die Jahrhunderte wurde Sour, heute bekannt als die Ruinen von Tyros, von Phöniziern, Griechen, Römern und Byzantinern besetzt und dabei immer wieder zerstört. Jihad zeigte uns anhand der unterschiedlichen stilistischen Mittel und des Materials der Überreste, welcher Zeit und welche Besetzung wir diese zuordnen konnten. Besonders deutlich wurde der Unterschied vor allem an den Steinsärgen, die vor den Stadtmauern Sours lagen. Doch nach ausgiebiger Inspektion konnten wir neben den verschiedenen Sargtypen sogar auch menschliche Überreste in den Gräbern ausfindig machen.

Jihad führte uns als nächstes in die Stadt selbst hinein, die hinter einem eindrucksvollen Tor lag. Von nun an fühlte es sich an, als könnte man die lebende Stadt vor sich sehen. Neben der großen Hauptstraße, die von Alexander dem Großen gebaut wurde, konnte man deutlich die erhöhten Bürgersteige für die Bewohner entdecken. Folgte man dem Weg in das Innere der Stadtstrukturen, so passierte man verschiedene Bauten, die früher eine Einkaufsstraße darstellten. Jihad führte uns auch in das Hippodrom, in dem sich die Reststrukturen einer großen Arena befanden, in der regelmäßig Wettrennen zwischen Menschen oder Pferden stattfanden. Jihad erklärte, dass diese Arena damals mehr als 30 Tausend Zuschauer fassen konnte. Um uns dieses Erlebnis besser vorstellen zu können, bestiegen wir eine der übergebliebenen Tribünen, die uns einen großartigen Ausblick über die Ruinen baten.

Trotz der geschichtlichen Bedeutung der Ruinen, fand auch der Besuch nicht ohne eine aktuelle politische Dimension statt: Jihad erzählte, dass die Ruinen erst in 1957 ausgegraben wurden. Zuvor hatte sich ein palästinensisches Flüchtlingscamp über Ihnen befunden. Es werde daher davon ausgegangen, dass unter den Camps, die die Ruinen umranden, höchstwahrscheinlich weitere sehr wertvolle archäologische Befunde vergraben sind. Die Häuser der Palästinenser standen so nahe an den Ruinen, dass sich Jihad mit einem Bewohner auf seinem Balkon unterhalten konnte, der erzählte, dass er bereits seit 20 Jahren hier leben würde und uns gerne auf einen Kaffee einladen möchte.

Zum Abschluss wurden wir mit dem Bus an die zweite Stelle der Ruinen gebracht. Hier erstreckte sich die Stadt bis direkt an das Meer. Aufgeteilt in verschiedene Teile fanden sich ähnliche Strukturen wie in der ersten Stadt wieder. Jihad zeigte uns die Arena in der Gladiatorenkämpfe ausgetragen wurden und erzählte uns immer wieder anschaulich vom Lebensalltag der Menschen.

Nach dem langen Spaziergang in der Sonne und den vielen neuen Informationen machten wir uns wieder auf den Rückweg zu unserem Bus und fuhren in ein kleines Restaurant am Meer in Tyros. Die Kleinstadt war deutlich touristischer als die Orte, an denen wir bisher waren, und fiel vor allem durch die vielen kleinen Läden an der Strandpromenade auf. Das Restaurant grenzte an den schönen Fassaden an und blickte direkt über das Wasser. Im kühlen Schatten und mit frischem Fisch konnten wir ausgiebig über die neuen Eindrücke sprechen und uns auf den erneuten Besuch der Grenze vorbereiten.

LIBANON
© FNF

Die UNIFIL-Mission

Nach dem Essen machen wir uns erneut auf den Weg zur UNIFIL Mission in Naqoura. Alle Formalien sind erfüllt und wir können ohne Schwierigkeiten, aber mit einer Eskorte von deutschen Soldaten der UN-Mission, die Checkpoints passieren. Vor Ort treffen wir auf Flotillenadmiral Andreas Mügge. Seit September 2021 hat er das Kommando der Maritime Task Force UNIFIL (MTF) übernommen und ist außerdem Leiter des Deutschen Einsatzkontingents. Bereits 2006, nach Erweiterung des Mandats durch die Vereinten Nationen, war er als Stabsoffizier in der MTF tätig.

Zunächst lernen wir den Auftrag von UNIFIL kennen: Zu Beginn der Mission im Jahr 1978 stand die Unterstützung der libanesischen Regierung  im Mittelpunkt verbunden mit der Überwachung des Abzug der israelischen Truppen. Die internationalen Truppen stellten darüber hinaus den Waffenstillstand zwischen Israel und Libanon an der so genannten „Blue Line“ sicher. Die internationale Gemeinschaft stellt Truppen in Höhe von 11.000 Soldatinnen und Soldaten. Im Bereich der Bodentruppen engagieren sich insbesonders Indonesien, Ghana, Indien, Italien, Malaysia und Nepal.

Nach Ende des zweiten Libanonkrieges in 2006 kam das Verständnis, dass mit der Küstenlinie des Staates auch die Verantwortung einhergeht, diese zu überwachen. Gleichzeitig kam die Einsicht, dass die zerstörte libanesische Marine dieser Aufgabe nicht gerecht werden kann. Dementsprechend wurde nach einem Antrag Libanons das Mandat der UN-Truppen durch die Resolutionen 1701 und 1773 erweitert und erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen wurden auch Seestreitkräfte eingesetzt. Seitdem sind ca. 600 Soldatinnen und Soldaten der fünf Nationen Griechenland, Türkei, Bangladesch, Indonesien und Deutschland vor Ort im Einsatz. Außerdem wurden die Blauhelmsoldaten mit weiteren Befugnissen ausgestattet und es war fortan möglich, Waffenschmuggel vor allem auch auf dem Seeweg zu unterbinden.

Die MTF als Teil der UNIFIL-Mission übernahm die Überwachung der libanesischen Küste und begann gleichzeitig mit der Ausbildung der libanesischen Marine. Herr Admiral Mügge berichtet von den Fortschritten der libanesischen Kameraden und ist zuversichtlich, in einigen Jahren die Verantwortung für einige Küstenbereiche an die libanesische Marine zu übergeben. Denn nichts weniger als das ist das Ziel des maritimen Teils der UNIFIL-Mission: Die libanesische Marine auszubilden und zu befähigen, die Aufgaben in den Hoheitsgewässern und den internationalen Gewässern vor dem Libanon zu übernehmen. Diese umfassen nicht nur die Überwachung des Küstenstreifens und die Unterbindung von Waffenschmuggel, sondern auch die Suche und Rettung in Not Geratener auf See (Search and Rescue). Der Aufbau einer Kriegsflotte ist ausdrücklich nicht Teil des Ziels der Mission. Die Bedeutung des Deutschen Engagements, sowohl die Ausbildung von libanesischen Soldaten als auch die Finanzierung eines Radarsystems an der libanesischen Küste, das die Überwachung derselben ermöglicht, wird deutlich.

Mit vielen Eindrücken und neuen Informationen fahren wir weiter zu unserem Hotel Beyt al Jabal in der Nähe des Al-Chouf Naturreservats. Nach den Tagen in der Metropole Beirut genießen wir die grüne Landschaft und die frische Luft. Bei einem herrlichen Abendessen genießen wir das Ende des Tages.

Libanon

Georg Krach, Lina Ayoubi, Lucas Arnoldt (v.l.n.r.)

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Georg  promoviert in anorganischer Chemie an der LMU München.

Lina studiert im 8. Semester Jura an der LMU München.

Lucas studiert Bioinformatik im 2. Semester Master an der Universität Heidelberg.