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Auslandsakademie
Von den Weinbergen bis zum Mittelmeer

Libanon
© FNF

Nach einer intensiven Begegnung mit dem Beiruter Nachtleben startet unser letzter Programmtag mit einem Blick in müde Augen. Für viele war die vergangene Nacht lang, für einige ging sie gar nahtlos in den Morgen über. Getanzt wurde bis die Sonne auf die Open Air Fläche schien. Die Busfahrt zum Château Musar wurde daher von einigen für einen kurzen Powernap genutzt. Angekommen am Château, welches leicht erhöht in den Berghängen Beiruts liegt, genießen wir den Ausblick über die Stadt und das Meer. Zum ersten Mal sehen wir auch die trübe grau-braune Smok-Wolke, die über Beirut hängt - die Dieselgeneratoren leisten ganze Arbeit. Fadia, die uns durch das Programm führen wird, kommt hinzu und erklärt uns Wissenswertes über den Wein, die Kultur und das Gut.

 

„A day without wine is like a day without sun.“

Das Château Musar wurde 1930 in den Gebäuden eines ehemaligen Klosters gegründet und ist seither in Familienbesitz. Auch während des Bürgerkriegs wurde die Produktion weitergeführt. Sicherheitshalber wurden hier die Transporte aber besonders gekennzeichnet, sodass jeder erkennen konnte, dass es sich um Trauben handelt, nicht um Waffen, so Fadia. Weiter lernen wir, was die Arbeit mit Wein so besonders macht. “You work with something alive. You should never kill it with added products”. Der Wein ist ein Naturprodukt, erklärt Fadia mit Nachdruck, dahinter steht eine eigene Kultur.

Im Weinkeller erfahren wir, worauf es bei der Lagerung der Weine ankommt. Flach, dunkel und bei konstant kühler Temperatur gelagert reift der Wein einige Jahre bis zum Verkauf. Dass hier auch sehr alte Weine liegen, erkennen wir an den dicken Staubschichten, die dem Keller einen eindrucksvoll düsteren Charakter geben. Bei der anschließenden Verkostung sollen wir uns nicht nur auf den Geschmack des Weines, sondern auch auf das Aussehen und den Geruch konzentrieren. Die letzte Nacht noch in den Knochen, hat der ein oder andere an diesem Punkt der Tour etwas Schwierigkeiten, sich für die vielfältigen Geschmäcker der unterschiedlichen Weine zu begeistern. Einige andere freuen sich hingegen über die Erwerbsmöglichkeit am Ende der Verkostung, um mit libanesischem Wein im Gepäck nach Hause zu reisen.

Libanon
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Fadia verabschiedet uns - als nächster Programmpunkt wartet ein ausgedehntes Mittagessen in einem Restaurant in der Nähe. Wir essen auf der idyllischen Terrasse unter schattenspendenden Bäumen und Sonnensegeln. Hier kristallisiert sich als go-to Getränk des Tages final der Kaffee anstelle des Weins heraus. Nach der idyllischen Mittagspause und kurzer Busfahrt führt uns unser Programm  nach Byblos.

Libanon
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Heiß, heißer, Byblos

In Byblos angekommen nimmt uns Josiana in Empfang. Die Sonne gibt heute wirklich ihr Bestes und mittlerweile ist es brütend heiß. Unsere Tour beginnt an der alten Hauptstraße, dem Tor zur Stadt aus römischen Zeiten. Dort erklärt uns Josiana, dass Byblos auf arabisch Jbeil heißt. Der griechische Name Byblos bedeutet so viel wie Papyrus und Bibel. Wir bekommen einen kurzen Einblick in die Geschichte der Stadt. Byblos gilt als einer der am längsten kontinuierlich besiedelten Orte der Welt. Die Spuren der Besiedlung gehen 8000 Jahre bis auf die Phönizier zurück. Darauf folgten die Ägypter, Assyrer und bis heute unzählige weitere Zivilisationen. Byblos gilt als die Stadt der Buchstaben und als der Ursprungsort des Alphabets.

Durch den Souk, welcher im 19.Jahrhundert in dieser Form erbaut wurde, führt Josiana uns zu den zwei Wahrzeichen der Stadt. Wir blicken auf die Kreuzfahrer-Burg und die archäologische Ausgrabungsstätte. Die Burg gehört weltweit zu den größten ihrer Art und wurde im 12. Jahrhundert von den Kreuzfahrern errichtet. Josiana macht uns auf eine Besonderheit aufmerksam. Die Burg wurde mit vielen verschiedenen Gesteinsarten erbaut, da die Kreuzfahrer für ihre Burgen „recyceltes“ Material nutzten. Die sandfarbene Burg ist umsäumt von einem Graben, der früher mit Wasser gefüllt war. Die Brücke, auf der wir nun stehen, stellte den einzigen Zugang zur Burg dar. Im Falle eines Angriffs konnten hier die Angreifer von den Burgmauern aus mit kochendem Wasser oder heißem Öl übergossen werden. Die Burg hat fünf Türme, vier an den Ecken und den höchsten im Körper der Burg. Alle Türme dienten im Angriffsfall als strategische Verteidigungsposition. Von unserer Führung durch die Burg erhoffen wir uns etwas Abkühlung in den alten Gemäuern, doch schnell bewegen wir uns zurück ins Freie, um dort mit Blick auf die „Ancient City“ Josianas Erklärungen weiter zu folgen.

Libanon
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Die alte Stadt wurde ab 1920 in einer 55 Jahre andauernden Ausgrabung Schicht für Schicht freigelegt. Wir blicken auf die Ruinen der phönizischen Zivilisation. Kaum vorstellbar, dass diese Ruinen unter 12 Metern Sand, Schlamm und den Ruinen vieler nachfolgender Zivilisationen verschüttet lagen. Die Spuren vorangegangener Zivilisationen wurden typischerweise von neuen überbaut, weshalb sich an diesem Ort beispielsweise auch Überreste der Griechen, Römer oder Byzantiner finden lassen. Josiana erläutert, welche Vorteile die Lage Byblos hatte. Wir blicken direkt aufs Mittelmeer - der hier erbaute Hafen diente schon vor Tausenden von Jahren als Umschlagpunkt für den Handel mit Zedernholz, Olivenöl und violetter Färbefarbe. In 22 Metern Tiefe fanden die Phönizier außerdem Süßwasser. Beide Komponenten zusammen ergaben den idealen Standpunkt für die dauerhafte Besiedelung.

An alten Tempelanlagen vorbei laufen wir in sengender Hitze auf die Negropolis zu, die Grabstätte für neun Könige des zweiten und ersten Jahrtausends vor Christus. Zum Abschluss der Tour heißt es schließlich noch einmal kurz der Sonne entfliehen und dabei Kopf einziehen. Grüppchenweise betreten wir die steilen Stufen, welche hinab in einen niedrigen Tunnel führen. Am Ende finden wir den Sarkophag des phönizischen Königs Ebi Shemu. Angesichts der beeindruckenden Größe und Masse des steinernen Sarkophags (der Größte je im Libanon gefundene Sarkophag) ist es uns rätselhaft, wie dieser ursprünglich in die Grabstätte gelangt sein soll. Josiana erklärt begeistert das ausgeklügelte System der Phönizier. Neben der Grabkammer wurde ein weiterer Tunnel gegraben und die Kammer mit Sand befüllt. Der verstorbene König wurde in den Sarkophag gebettet, welcher auf dem Sand über der Grabkammer platziert war. Anschließend wurde durch den Tunnel von unten der Sand aus der Grabkammer abgetragen - der Sarkophag sank so Meter für Meter tiefer unter die Erde. Zum Schutz wurde die Grabkammer schließlich von oben wieder mit Sand verschüttet. Mit diesem interessanten Fact endet unsere Tour und Josiana verabschiedet uns.

Am Hafen von Byblos entlang laufen wir zurück zum Bus. Alle sind von der Hitze mittlerweile ziemlich aufgearbeitet und freuen sich auf den spontan beschlossenen, nun folgenden „Programmpunkt“. Auf dem Rückweg nach Beirut machen wir Halt am Strand. Wir sind froh, uns im Mittelmeer abkühlen und am Strand etwas Schlaf der vergangenen Nacht nachholen zu können. Erschöpft aber glücklich und mit einigen Sommersprossen mehr um die Nase treten wir am frühen Abend endgültig die Rückfahrt nach Beirut an.

Der gelungene letzte Tag unserer Reise endet mit einem ausgelassenen Abschlussabendessen, bei dem wir die vergangene Woche Revue passieren lassen. Um die vielen Eindrücke bereichert fallen wir schließlich nach dem Kofferpacken erschöpft ins Bett.

 

Liliane studiert Gesundheitsökonomie im Master an der Universität Bayreuth. Sie ist seit 2017 in der Grundförderung der FNF und war während ihres Bachelors in München als Ansprechpartnerin am Hochschulort aktiv.