Parlamentswahlen
Moldau: Das Ende einer harten Ära
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in der Republik Moldau hat die proeuropäische Reform-Partei für Aktion und Solidarität (PAS) mit 52,80 Prozent der Stimmen eindeutig gegen den prorussischen Wahlblock aus Sozialisten und Kommunisten (27,17 Prozent) gewonnen. Die PAS wird mit absoluter Mehrheit die Regierung stellen. Damit haben die moldauischen Wählerinnen und Wähler erstmals in der dreißigjährigen Geschichte der ehemaligen sowjetischen Kleinrepublik einer Partei ein klares Mandat für den Kurs auf Europa erteilt. Ähnlich deutlich fiel das Votum zuletzt vor 20 Jahren aus: 2001 errangen noch die Kommunisten fast 50 Prozent der Stimmen – mit einer Kampagne für die Zollunion mit Russland.
1,46 Millionen abgegebene Stimmen, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 48,41 Prozent. Dies kann als relativ hoch eingeschätzt werden, zumal viele der Wähler überwiegend im westlichen Ausland tätig sind. Und gerade hier war eine große Mobilisierung zu verzeichnen. Wählerschlangen bildeten sich schon vor Öffnung der Wahllokale in Frankfurt, Berlin, Paris, Rom oder London. Die Aussage eines Wählers, er wähle gegen Korruption und für eine bessere Zukunft seiner Eltern in der Moldau, macht deutlich, weshalb viele Menschen auch hunderte von Kilometern Weg auf sich nahmen, um ihr Wahlrecht auszuüben. Letztendlich stimmten von den 212.245 Wählern im Ausland über 85 Prozent für die Partei der Präsidentin und Hoffnungsträgerin, Maia Sandu.
Die Sozialisten und Kommunisten kamen hier auf nur 2,47 Prozent. Vergleichsweise schwach war auch die Wahlbeteiligung der Auslands-Moldauer in Russland: hier gab es nur ca. 10.000 abgegebene Stimmen. Auch aus der von Russland beeinflussten und kontrollierten separatistischen Republik Transnistrien stimmten von den 28.173 Wählern nur 17.526 für den prorussischen Wahlblock. Doch nicht nur die moldauische Diaspora hat der PAS zum Sieg verholfen, denn auch im Inland änderten traditionell prorussische Wähler ihre Wahloption; dies auch in Folge der zahlreichen Korruptionsskandale, welche die beiden Parteien der Sozialisten und Kommunisten während der Jahre begleitet haben.
Nun wird PAS ca. 63 der insgesamt 101 Mandate des moldauischen Einkammerparlaments besetzen, die Sozialisten und Kommunisten kommen hingegen auf nur 32 Mandate. Als letzte Partei schaffte es mit 5,74 Prozent nur noch die Partei des Oligarchen Ilan Șor ins Parlament. Der wegen Bankbetrugs angeklagte Politiker erhofft sich nun parlamentarische Immunität vor dem strafrechtlichen Verfahren. Die Stimmen der Șor-Partei dürften auch eher erkauft als ehrlich gewonnen sein. Zu verzeichnen ist auch, dass die rumänischen Nationalisten keinen Nährgrund in der Moldau fanden. Während die Allianz der Vereinigung der Rumänen (AUR) in Rumänien auf Anhieb mit 10 Prozent der Stimmen ins rumänische Parlament eintrat, verbuchte ihr gleichnamiges Pendant in der Moldau nur 0,49 Prozent der Stimmen.
Präsidentin Sandu verspricht Antikorruption und Reformen
Gleich nach Schließung der Wahllokale sagte Präsidentin Maia Sandu in einem Facebook Post: "Ich hoffe, dass der heutige Tage das Ende einer harten Ära für Moldau bedeuten wird. Ich hoffe, dass heute das Ende der Herrschaft der Diebe über die Moldau eintritt. Die Herausforderungen sind groß und die Menschen brauchen Ergebnisse. Die Menschen müssen so schnell wie möglich die Vorteile eines sauberen Parlaments und einer Regierung spüren, die sich wirklich um die Probleme der Menschen kümmert. Die heutige Energie aus der Abstimmung muss genutzt werden, um Moldau zu verändern und es zu einem Land zu machen, das man nicht nur verlässt, sondern in welches man auch zurückkehrt. Als Präsidentin möchte ich mit einer ehrlichen und kompetenten Regierung zusammenarbeiten, um die Gesellschaft zu vereinen und die Interessen der Bürger in den Mittelpunkt der Regierungsbemühungen zu stellen". Zugleich sparte sie nicht mit Kritik am Ablauf des Urnengangs und versprach Reformen: „Diese Wahlen haben wieder einmal bestätigt, dass einige staatliche Institutionen weit davon entfernt sind, die Erwartungen der Bürger zu erfüllen. Einige Institutionen, die für die Organisation der Wahlen zuständig waren, werden politisch instrumentalisiert, ignorieren die Gesetze und gefährden freie und faire Wahlen. Wenn wir eine starke Demokratie werden wollen, darf so etwas nicht mehr passieren. Wir brauchen starke Institutionen, die die freie Entscheidung der Menschen respektieren und sicherstellen. Als Präsident verspreche ich Ihnen, dass ich in den kommenden Jahren alles in meiner Macht Stehende tun werde, um es den Menschen zu erleichtern, ohne Druck und ohne Wahlkorruption zu wählen.“
Europäische Softpower hat überzeugt
Vor zehn Jahren galt die Moldau noch als Leistungsträger unter den Ländern der Östlichen Partnerschaft mit der Europäischen Union. Nachdem sich aber das Land aufgrund der politischen Korruption vom Reformkurs abwandte, schien insbesondere nach der Wahl 2016 zum Präsidenten des Kreml-Freundes Igor Dodon das Land vollkommen vom Kurs abgedriftet zu sein. Im vergangenen Jahr hatte Dodon noch versucht, mit medizinischen Hilfslieferungen aus China und Russland Punkte zu machen. Auch versprach er im März 2020 ein finanzielles Hilfspaket von 200 Millionen Euro aus Russland, das sich aber als undurchsichtige Schuldenfalle entpuppte und knapp vom moldauischen Verfassungsgericht abgelehnt wurde.
Hilfen aus der Europäischen Union wurden unter Dodon immer wieder heruntergespielt. Sinnbildlich steht dafür auch der Empfang eines massiven Konvois aus Rumänien, der ärztliches Personal, Schutzimpfungen und medizinische Versorgung lieferte. Der Empfang durch Dodon geschah versteckt unter einer Brücke, ohne mediale Aufmerksamkeit. Für den einmaligen Flugtransport aus Russland hingegen gab es Staatsempfang mit Militärparade. Letztendlich dürften dann wohl die zahlreichen konkreten Hilfen doch an die Bürger gelangt und anerkannt worden sein. Auch blieben nach der Abwahl von Dodon im November die Empfänge der frischgewählten Präsidentin Maia Sandu in Berlin, Paris oder Brüssel beim Wahlvolk nicht unbemerkt.
Gerade nach dem Gespräch mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kehrte Sandu auch mit dem konkreten Abkommen eines EU-Finanzierungpakets in Höhe von 600 Millionen Euro in die Moldau zurück. Verbunden mit dem Versprechen, dass sie mit der Korruption aufräumt, gewann sie letztendlich als neue Hoffnungsträgerin das Vertrauen der meisten Bürger. Damit sind nun für die nächsten vier Jahre sowohl politisch als auch finanziell die Voraussetzungen für die ausstehenden Reformen geschaffen. Vor zwei Jahren hätte wohl auch der kühnste Proeuropäer kaum gewagt, von solchen Verhältnissen auch nur zu träumen.
Raimar Wagner, FNF-Projektleiter Rumänien und Moldau