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Mittelmeerdialog
Neue Europa-Mittelmeer-Agenda: Zukunftsorientiert und innovativ

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© Dimitris Vetsikas / Pixabay

Anfang dieses Monats hat die Europäische Kommission mit der Veröffentlichung einer "Neuen Agenda für den Mittelmeerraum" ihre Bemühungen um eine Erneuerung der Partnerschaft mit den südlichen Nachbarländern intensiviert. 25 Jahre nach der Erklärung von Barcelona und ein Jahrzehnt nach den arabischen Aufständen bleiben viele politische, sozioökonomische, ökologische und sicherheitspolitische Herausforderungen bestehen. Einige von ihnen wurden durch die aktuelle Covid-19-Pandemie sogar noch verschärft. Mit der neuen Agenda zeigt die EU ihre Bereitschaft, diese strategische Partnerschaft im Hinblick auf alte und neue Herausforderungen neu zu beleben.

Vielfältige Herausforderungen für die euro-mediterranen Partner

Die Liste der Herausforderungen war bereits lang, bevor Covid-19 die Länder auf beiden Seiten des Mittelmeers traf: Konflikte, die menschliches Leid oder Vertreibung hervorrufen, geopolitische Konkurrenz, Bedrohung durch Terrorismus, wirtschaftliche Ungleichgewichte, Klimawandel, Jugendarbeitslosigkeit, Ungleichheit zwischen Geschlechtern - um nur einige zu nennen. Verglichen mit den Anfängen der euro-mediterranen Zusammenarbeit schienen sich die Herausforderungen im Laufe der Jahre zu addieren und durch finanzielle, politische oder gesundheitliche Krisen sogar noch zu verschärfen.

5 Säulen der zukünftigen euro-mediterranen Bestrebungen

Die gemeinsame Mitteilung (“Renewed partnership with the Southern Neigbourhood: A new Agenda for the Mediterranean”) der Europäischen Kommission und des ranghohen EU-Vertreters, Josep Borrell, mündet in einen Fahrplan für die künftige Zusammenarbeit zwischen Europa und dem Mittelmeerraum, gegliedert in fünf hauptsächliche Handlungsfelder:

  1. Menschliche Entwicklung, Good Governance und Rechtsstaatlichkeit
  2. Resilienz, Wohlstand und digitaler Wandel
  3. Frieden und Sicherheit
  4. Migration und Mobilität
  5. Grüner Wandel: Klimaresilienz, Energie und Umwelt

Während einige Bereiche für die künftige Zusammenarbeit angesichts der jüngsten geopolitischen Entwicklungen kaum überraschen (z. B. Migration, Menschenrechte und Sicherheit), hebt die Agenda auch zukunftsorientierte Bereiche und Branchen hervor. "Grüner, digitaler, tragfähiger und gerechter Aufschwung - es ist unbestritten, dass die neue Mittelmeer-Agenda eine grüne und post-pandemische Handschrift trägt.

Liberale begrüßen neue Agenda

José Ramón Bauzà, spanischer Abgeordneter der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament und verantwortlich für die Ausarbeitung der Position der Fraktion zur südlichen Nachbarschaft, begrüßte die neue Agenda: "Indem wir die digitale Transformation in den südlichen Nachbarstaaten unterstützen, erschließen wir das enorme Innovationspotenzial der Region, das der Schlüssel zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zum Stopp des dramatischen „Braindrains“ ist, der die Entwicklung dieser Länder bremst."

Digitale Transformation und Innovation stehen auch im Mittelpunkt verschiedener regionaler Vorzeigeprojekte, die mit den Schwerpunkten der Agenda verknüpft sind. Beispiele für Flaggschiffe sind die Unterstützung einer widerstandsfähigen, zirkulären und emissionsarmen Wirtschaft in Marokko, der Ausbau der Infrastruktur für Handel und Konnektivität in Jordanien oder die Stärkung der Digitalisierung der Wirtschaft in Tunesien.

Mit dem neuen EU-Finanzinstrument "NDICI" (Neighbourhood, Development and International Cooperation Instrument) als Teil des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) der EU schlägt die Kommission vor, bis zu 7 Milliarden Euro im Rahmen eines speziellen Wirtschafts- und Investitionsplans für die südliche Mittelmeerregion sowie bis zu 30 Milliarden Euro an privaten und öffentlichen Investitionen im Rahmen der Neighbourhood Investment Platform bereitzustellen.

Neben der Schaffung oder Nutzung neuer Instrumente strebt die "Neue Agenda für den Mittelmeerraum" der EU auch danach, bestehende europäische Initiativen zusammenzubringen und die auf die Region gerichteten Bemühungen zu vereinen, wie z. B. den „Neuen Pakt für Migration und Asyl“ der EU. Die europäischen Entscheidungsträger legten auch ein besonderes Augenmerk auf grüne und nachhaltige Initiativen, indem sie den neuen Aktionsplan mit der EU-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, dem Pariser Abkommen und dem Green Deal verknüpften. Ebenso betont die neue Agenda einen inklusiven und zivilgesellschaftlichen Ansatz, indem sie eben jene Akteure in der Region in den Fokus nimmt.

Tradition der Euro-Mediterranen Kooperation und "Bonds that deliver"

Die euro-mediterrane Zusammenarbeit ist vielfältig und baut auf einer gemeinsamen Geographie und Geschichte auf. Der 1995 ins Leben gerufene Barcelona-Prozess zielte darauf ab, die Zusammenarbeit, den Austausch und den Dialog zwischen Europa und den südlichen Mittelmeerländern in einer gemeinsamen Perspektive von Frieden, Stabilität und Wohlstand zu stärken. Dies führte später zur Gründung der Union für den Mittelmeerraum (UfM), eingebettet in eine größere Europäische Nachbarschaftspolitik.

In den kommenden Monaten werden FNF Madrid und seine spanischen Partner, Elcano Royal Institute und CIDOB die Erkenntnisse einer Bestandsaufnahme der euro-mediterranen Beziehungen präsentieren: Das Projekt "Euro-Mediterranean bonds that deliver" richtet sich an neue Stimmen für den euro-mediterranen Dialog ab und erkundet zukünftige Wege der Zusammenarbeit auf beiden Seiten des Mittelmeers.

Worten Taten folgen lassen

Zurück zur EU-Politik und zum heutigen digitalen EU-Gipfel: Die EU-Staats- und Regierungschefs werden ihrer Verpflichtung zu einer "demokratischen, stabileren, grüneren und wohlhabenderen südlichen Nachbarschaft" nachkommen und die neue Agenda für den Mittelmeerraum unter dem liberalen Ratspräsidenten Charles Michel billigen. Bereits im Dezember verpflichteten sich die EU-Staats- und Regierungschefs zu gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen Covid-19. Angesichts der jüngsten Auseinandersetzungen um europäische Impfstofflieferungen besteht für die EU-Mitgliedsstaaten auch die Chance, "Taten folgen zu lassen" und den südlichen Nachbarn zu zeigen, dass Kooperation und Solidarität für sie mehr als nur ein Lippenbekenntnis sind. So schlug der französische Präsident Emmanuel Macron, unterstützt von Deutschland, kürzlich vor, dass reichere Länder 3-5% ihrer Impfstoffvorräte für Afrika spenden sollten.

Angesichts einer noch nie dagewesenen Beschleunigung der globalen Ungleichheiten liegt es auch im eigenen Interesse der EU, die Herausforderungen gemeinsam mit ihren südlichen Nachbarn mit Entschlossenheit anzugehen, indem sie Worten Taten folgen lässt und sich auf zukunftsorientierte und innovative Bereiche und Projekte fokussiert.